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Gib ihnen dein Licht, nicht dein Öl

Aus der März 1999-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Von heute auf morgen wurden wir Vormund eines Jungen, der ein Neffe von meinem Mann ist. Weder sein Vater noch seine Mutter konnten für ihn sorgen. Es wurde uns gesagt, er sei widerspenstig und unehrlich. Ein Psychiater, den man zu Rate gezogen hatte, war der Ansicht, mit seiner mentalen und charakterlichen Entwicklung werde es weiter bergab gehen.

Was ich sah, war ein kostbares Kind, das Liebe brauchte. Als wir dem Psychiater gegenübersaßen und seine Beurteilung anhörten, betete ich still, so gut ich es konnte, und machte mir klar, was die Wahrheit über dieses Kind war. Durch mein Studium von Christian Science hatte ich erkannt und akzeptiert, dass Gott der liebevolle Schöpfer ist, der alles geistig erschaffen hat. Als das zu Seinem Bild und Gleichnis geschaffene Kind Gottes war der Junge in Wirklichkeit geistig vollkommen und vollständig. Ich konnte doch meine eigenen Kinder nicht in diesem Licht sehen und dann dieses Kind hier ausschließen! So verließ ich das Sprechzimmer in der festen Überzeugung, dass sich die Voraussage, die über den Jungen gemacht worden war, nicht erfüllen musste.

Als ich später über die biblischen Worte aus der Apostelgeschichte nachdachte, „dass Gott die Person nicht ansieht” Apg 10:34., wurde mir ganz klar, dass Gott keine Vorzugskinder hat. Jeder von uns besitzt geistig alles, was er für ein frohes und erfolgreiches Leben braucht. Der Wert dieses Jungen und seine Wichtigkeit als Kind Gottes wurden keineswegs dadurch gemindert, dass seine Eltern nicht für ihn sorgen konnten. Und wenn wir ihn aufnahmen und ihn großzogen, dann war das einfach die Liebe Gottes, die in seinem Leben offenbar wurde. Und dieselbe Liebe würde auch mir und meiner Familie bei dieser neuen Erfahrung beistehen.

Während der nächsten vier Jahre haben seine Mutter und wir uns intensiv um ihn bemüht. Seine Noten besserten sich, ebenso sein Verhalten. Er war glücklicher. Er begann sich für Musik zu interessieren. Doch als er älter wurde, erwachte ihn ihm wieder die alte Aufsässigkeit. Es wurde immer deutlicher, dass er allein leben wollte. Ich sah die Versuchungen und seine Veranlagungen, die den bisher erzielten Fortschritt zunichte machen konnten. Ich fürchtete für seine Zukunft, wenn wir ihn aus unserem Familienkreis entließen, aber ich war mir auch bewusst, wie sehr diese Situation mich und meine Familie belastete. Ich betete, um zu wissen, was ich tun sollte. Gab ich doch schon alles, was ich geben konnte. Was wurde noch von mir verlangt?

Eine befreundete Christliche Wissenschaftlerin, die von unserer Situation wusste, sagte: „Gib ihm dein Licht, nicht dein Öl.” Damit spielte sie auf Jesu Gleichnis von den zehn Jungfrauen an, die auf dem Weg zu einer Hochzeit waren. Siehe Mt 25:1-13. Fünf der Mädchen waren so klug gewesen, Öl für ihre Lampen mitzunehmen. Als sie auf den Bräutigam warten mussten, schliefen sie alle ein. Und als es dann Zeit war, zur Hochzeit zu gehen, brauchten die fünf „törichten” Jungfrauen Öl. Sie baten die anderen, ihnen von ihrem Öl abzugeben, aber die weigerten sich und sagten, dann würde es für sie alle nicht mehr reichen. Sie rieten ihnen, sie sollten sich selbst Öl kaufen. Waren die klugen Mädchen selbstsüchtig? Nein, ihr Öl war das Sinnbild für etwas, was nicht weitergegeben werden kann — außer als Licht.

Ich dachte über die geistige Bedeutung von Öl nach, wie sie in Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy erklärt wird. Hier wird Öl als „Hingabe; Nächstenliebe; Sanftheit; Gebet; himmlische Inspiration” definiert.Wissenschaft und Gesundheit, S 592. Das waren meine natürlichen geistigen Ressourcen. Ich erkannte ganz klar: Wenn ich mich durch die Sache mit meinem Neffen so belasten ließ, dass ich mich dieses „Öls” beraubt fühlte, dann hätte ich bald kein Licht mehr zu geben! Statt ihm menschlich mehr zu geben, musste ich standhaft mein Gebet und meine Inspiration „auffüllen”.

Gleichzeitig erkannte ich aber auch, dass jeder Mensch diese geistigen Fähigkeiten besitzt. Wie ich mich um mein Öl kümmerte, so konnte auch der junge Mann seine eigene geistige Inspiration pflegen, denn er besaß die gleichen gottgegebenen Hilfsmittel wie ich. Viele Male hatte ich — hörbar oder im Stillen — mit diesem Kind über seine Geistigkeit gesprochen. In Wahrheit existierte er als Gottes vollkommene Idee und daran würde sich niemals etwas ändern. Das göttliche Gemüt kannte dieses Kind als seine eigenes geistige Idee. Ich hielt an der Tatsache fest, dass diese Erklärungen göttliche Macht besitzen und sich ihm mitteilen können, weil sie von Liebe angeregt und von Wahrheit getragen werden. Mrs. Eddy, die Entdeckerin und Gründerin von Christian Science, schreibt in Wissenschaft und Gesundheit: „Das göttliche Gemüt, das den Menschen erschaffen hat, erhält Sein eigenes Bild und Gleichnis.” Ebd., S. 151. Unser Verständnis dieser Tatsache hatten wir im Alltagsleben umgesetzt, indem wir immer wieder bekräftigten, dass er fähig ist, seine Schulaufgaben zu machen, im Haushalt zu helfen und die Rechte aller im Haus zu achten.

Gott hat keine Vorzugskinder. Jeder von uns besitzt geistig alles, was er für ein frohes und erfolgreiches Leben braucht.

Mein falsches Verantwortungsgefühl verschwand mit der Erkenntnis, dass er das geistige Licht besitzt, das er braucht. Bald war ich bereit, ernsthaft über die Möglichkeit nachzudenken, ihn wieder in staatliche Obhut zu geben. Schon länger war es klar gewesen, dass er selber bereit war einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen — und nun war auch ich bereit ihn loszulassen. Die rechtlichen Schritte für seine Aufnahme in ein Jugendheim wurden eingeleitet und wir arbeiteten mit ihm zusammen die Einzelheiten aus. Der Übergang war harmonisch für alle Teile. Weil er sechzehn war, konnte er mit anderen jungen Leuten zusammen in eine Wohungemeinschaft ziehen, wo es einen Betreuer gab, der sich regelmäßig um ihn kümmerte.

Inzwischen ist er ein erwachsener Mann, verdient sein eigenes Geld, achtet die Gesetze und hat seinen Platz in der Gesellschaft gefunden. Eine starke und zugleich zärtliche Liebe verbindet uns immer noch.

Ist es nicht nur ein falscher Begriff von Liebe, der uns unser Öl nehmen möchte? Wenn wir glauben, Liebe sei etwas, was wir hervorbringen, dann haben wir ihre geistige Natur und Quelle nicht verstanden. Liebe ist weder eine Art physische Energie noch ein psychologischer Schub. Sie geht von Gott aus. Johannes schreibt: „Lasst uns lieben, denn er [Gott] hat uns zuerst geliebt.” 1.Joh 4:19. Echte Liebe ist geistig. Sie drückt Gottes nie endende Fürsorge aus, die uns alle in einer Art riesiger universaler Umarmung umfängt. Wir können nicht aus Gottes Liebe hinausgehen oder sie aufbrauchen. Wir sind untrennbar von ihr. Und wenn wir das wissen, können wir Gott auch die Fürsorge für unsere Angehörigen anvertrauen. Gott ist der wahre Vater und die wahre Mutter von uns allen.

Oft versuchen wir so krampfhaft vom rein menschlichen Standpunkt aus andere zu „erziehen”, dass wir die Gelegenheit verpassen, geistig zu lieben. Nur durch unsere Gebete, unsere Gemeinschaft mit Gott, und die Umsetzung dieser Gebete im täglichen Leben können wir weiter Hingabe, Sanftheit und Nächstenliebe ausströmen lassen, ohne dass unser Licht schwächer wird.

Hingabe ist tägliches diszipliniertes Studium der Bibel und Gehorsam gegenüber den Geboten Gottes. Sie offenbart sich in der Freundlichkeit, die die harten Kanten des menschlichen Willens glättet, und in regelmäßigerem Gebet für uns selbst und unsere Mitmenschen. Sie kann weder erworben noch gestohlen werden, denn ihre Quelle ist geistig.

Wir müssen wachsam auf Situationen achten, die uns unser Öl rauben möchten. Alles, was uns das Verlangen nehmen möchte — oder die Zeit — zu beten und zu studieren, sollte als Hindernis für unser geistiges Wachstum erkannt werden. Doch wenn wir die himmlische Inspiration pflegen, die in jeden von uns gelegt ist, dann sind wir, wie die Jungfrauen, bereit für alles, was von uns fordert, zur Mitternachtsstunde wach zu sein und der Welt Licht zu geben.

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