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„Niemals sage ich: ,Das ist ein schlechter Mensch...'”

Interview mit einem Staatsanwalt

Aus der März 1999-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Im folgenden Interview werden Sie seben, wie ein Staatsanwalt seine Arbeit auf ganz einzigartige Weise anpackt. bat 1978 sein Jurastudium an der Valparaiso-Universität abgeschlossen und war zunächst als Partner in einem privaten Anwaltsbüro tätig. Er nahm dann eine Position als Staatsanwalt von Adams County in Quincy, Illinois, USA, an. Als er uns dieses Interview gewährte, war er noch Staatsanwalt. Inzwischen ist er Richter geworden.

Herr Walden, was fällt in Ihren Aufgabenbereich als Staatsanwalt? Was für Fälle bekommen Sie übertragen?

Bei uns werden alle nur möglichen Fälle vor Gericht gebracht: von Geschwindigkeitsüberschreitungen bis zum Mord. Am häufigsten aber habe ich es mit Drogendelikten und sexuellem Missbrauch von Kindern zu tun.

Wie sehen Sie Ihren Beruf? Was ist Zweck und Ziel Ihrer Arbeit?

Natürlich geht es in meinem Beruf in der Hauptsache um Bestrafung. Ich versuche die Leute der verschiedensten Straftaten zu überführen und schlage die meiner Ansicht nach angemessene Strafe vor. Für mich ist Strafe Teil eines Erziehungsprozesses. Wir alle müssen lernen, falsche Vorstellungen fahrenzulassen. Manchmal ist eine falsche Auffassung der einzige Unterschied zwischen dem, was Recht und was Unrecht ist.

Spielt Gebet bei Ihrer Arbeit eine Rolle?

Glücklicherweise passt es wundervoll hinein! Eine Eigenschaft, die ich mir immer vor Augen zu halten versuche, ist Demut. Ich bemühe mich aufrichtig den ganzen Tag über und besonders im Gerichtssaal Demut auszudrücken. Ich halte Demut für eines der wertvollsten Werkzeuge bei meiner Arbeit. Anwälte werden manchmal mit Schauspielern verglichen. Und man steigert sich mitunter wirklich dermaßen in das dramatische Geschehen des Prozesses hinein, dass man versucht ist, nur noch daran zu denken, was man selbst in Eigenleistung alles einbringt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass alles viel glatter läuft, wenn ich mich selber zur Ordnung rufe und mir vergegenwärtige, dass alle Eigenschaften, die ich zum Ausdruck bringe, von Gott kommen.

Wo immer wir sind, was immer wir in der Vergangenheit getan haben — wir können heute beginnen unsere wahre Identität als Kind Gottes zu erleben.

Warum sagen Sie, dass diese Eigenschaften von Gott kommen — dass Demut von Gott kommt?

Nun, das geht zum Beispiel aus den Seligpreisungen in der Bibel hervor. Mich erfüllt immer ein wundervoller Frieden, wenn ich an Demut denke. Ich denke dabei über die Quelle der Intelligenz nach — meiner Intelligenz, meiner Fähigkeit mich auszudrücken. Und dadurch kann ich schneller und klarer denken und besser auf alles reagieren, was im Gerichtssaal vor sich geht.

Können Sie uns ein Beispiel dafür geben, wie Sie bei Ihrer Arbeit beten?

Gern. Höhepunkt eines Gerichtsverfahrens sind meistens die Schlussplädoyers, wenn die Anwälte — der Staatsanwalt und der Verteidiger — ihre Auffassung von dem vorliegenden Fall darlegen, wenn sie erklären, wie sie die Fakten interpretieren, und versuchen, die Geschworenen zu beraten. Gewöhnlich hat man nur wenig Zeit, um sich gut darauf vorzubereiten.

Manchmal bin ich doch recht aufgeregt. Ich hoffe, dass ich an alles denke, an alle Punkte, die ich für wichtig halte und die hervorgehoben werden müssen. Aber dann halte ich inne und mache mir bewusst, wer die Quelle meiner Intelligenz ist. Gott ist Gemüt, Geist, und das schließt auch Intelligenz ein, und ich spiegele diese Intelligenz wider. Sie ist ganz natürlich da. Ich brauche nicht darum zu ringen. Und ich habe es immer wieder erlebt: Wenn ich mir die Zeit zu diesen Überlegungen nehme — und manchmal sind es nur ein paar Sekunden, bevor ich mein Plädoyer beginne —, dann kommen mir die Gedanken mühelos, in wohlgeordneter Reihenfolge und so, dass die Geschworenen sie begreifen können und ihnen Zusammenhänge klar werden, die sie vielleicht sonst nicht erkannt hätten.

Im Christian Science Lehrbuch, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, gibt Mary Baker Eddy eine umfassende Definition von Gott. Die Frage, die sie stellt, ist wohl eine der ersten Fragen, die jemand stellt, der sich ernstlich mit Religion befasst. Sie fragt einfach: „Was ist Gott?” (S. 465). Und als Antwort führt sie verschiedene Synonyme an, die Gott beschreiben, darunter auch Gemüt und Geist.

Heutzutage hört man viel von Drogenkriminalität und Kindesmisshandlung. Oft erregen diese Fälle Aufsehen. Wie verhalten Sie sich da?

Es gehört zur Vorbereitung auf solche Prozesse, dass man sich mit dem Kind zusammensetzt. Man muss sein Vertrauen gewinnen, alle Einzelheiten des Falles mit ihm durchgehen und das Kind auf die Verhandlung vorbereiten. Es besteht allgemein die Ansicht, dass Kinder durch die Sache traumatisiert werden, dass es etwas ist, worüber sie nie hinwegkommen, und dass sie ihr Leben lang Opfer bleiben werden. Und das ist ein Punkt, mit dem ich mich bei meinen Gebeten ganz konkret befasse — nämlich dass Gott uns nicht zu Opfern gemacht hat. Das Leben eines Menschen kann nicht vom Bösen berührt werden, und das Böse kann nicht dauernder Bestandteil eines Lebens werden. Ich bete, um in mir selber diese Vorstellung zu korrigieren und nicht in meinen Gedanken daran festzuhalten, dass die Kinder für den Rest ihres Lebens Narben davontragen werden.

In Ihrem Beruf sehen Sie viel Böses. Wie denken Sie über das Böse?

Seit ich diesen Beruf ausübe, bemühe ich mich ganz bewusst, die Person immer vom Bösen zu trennen. Niemals sage ich zu einem Richter: „Das ist ein schlechter Mensch. Der braucht die und die Strafe.” Es sind Typen darunter, die großen Unrecht begangen haben. Aber trotzdem ist in Wirklichkeit jeder Einzelne von ihnen ein Kind Gottes — auch wenn er es bisher noch gar nicht gewusst hat. Wir alle sind Kinder Gottes. Wenn ich vom rechten Weg abkomme und die betreffende Person als etwas Geringeres ansehe als ein Gotteskind und den vollkommenen Ausdruck aller göttlichen Eigenschaften, dann behaupte ich das ja auch über mich.

Wie können Sie es anderen begreiflich machen, dass jemand, der etwas Furchtbares begangen hat, dennoch ein Kind Gottes ist?

Wissen Sie — ich glaube, wir alle spüren, dass eigentlich in jedem von uns ein von Grund auf guter Mensch steckt — sogar in jemandem, der ein Verbrechen begangen hat. Ich meine, es ist für uns ganz natürlich, dass wir selbst einen solchen Menschen in seinem wahren Wesen für gut halten. Wenigstens empfinde ich es so in meinem Beruf. Durch den geistigen Sinn fühlt man, dass da etwas Gutes ist, das nur an die Oberfläche gebracht und demonstriert werden muss, um alles andere einfach wegzuspülen.

Was für Ergebnisse haben Sie durch Ihre Einstellung erzielt?

In meinem Büro habe ich es zur Regel gemacht, dass wir die Straftäter, mit denen wir täglich Kontakt haben, höflich behandeln und ihnen ihre Würde zugestehen. Nicht selten kommt es vor, dass ich jemandem, den ich ins Gefängnis geschickt habe und der seine Strafe abgesessen hat, irgendwann wieder begegne. Ich treffe ihn vielleicht auf der Straße — unsere Stadt ist nicht sehr groß, so um die vierzigtausend Einwohner —, und er kommt auf mich zu und dankt mir, dass ich mich um ihn gekümmert habe, dass ich ihm die Gelegenheit zu einer ordentlichen dung verschafft habe, dass ich seinem Leben einen Halt gegeben habe.

Das muss sehr befriedigend sein!

Ja, das ist es wirklich! Besonders wenn jemand eine Gefängnisstrafe bekommen hat. Denn der denkt gewiss nicht: „Vielen Dank, Herr Walden. Ich weiß es zu schätzen.” Aber ich habe das schon erlebt.

Sie haben davon gesprochen, dass Sie die Menschen lieben, gegen die Sie Anklage erheben. Wie erklären Sie so etwas jemandem, der das für unmöglich hält?

Da Gott den Menschen zu Seinem Bild und Gleichnis geschaffen hat, muss das auf jeden zutreffen. Gott ist ein universeller Gott. Und als Christliche Wissenschaftler verstehen wir Gott nicht nur als Gemüt, sondern wir verstehen Ihn auch als Liebe. Und so haben wir in unserem Herzen das Gefühl einer großen Brüderschaft, die alle Menschen als Kinder der unendlichen, vollkommenen Liebe umfasst.

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