Als junge Mutter mit vier kleinen Kindern im Alter von eins bis sieben wurde ich Witwe. Unsere finanzielle Versorgung war gesichert, als ich wieder begann, in einer Schule in unserer Nachbarschaft eine Vorschulklasse zu unterrichten. Wir erhielten viel Unterstützung im Gebt von Christian Science Praktikern, die ich zu verschiedenen Zeiten um Hilfe bat, und das half meinen Kindern und mir echte Freude zu finden. Acht Jahre später lernte ich einen Witwer kennen, der eine Tochter und einen Sohn hatte. Nach reiflichen Überlegungen und viel Gebet heirateten wir und brachten unsere beiden Familien zusammen. Meinen Kindern fiel es nicht schwer, ihren Stiefvater „Vati" zu nennen. Und mein Stiefsohn freute sich, dass er jetzt Brüder hatte, mit denen er Dinge unternehmen konnte, und er nannte mich sofort „Mutti". Für meine Stieftochter, die damals Oberstufenschülerin war, war es jedoch eine sehr schwierige Umstellung und sie sagte, sie würde es niemals tun können, wofür ich auch Verständnis hatte. Außerdem war sie sehr gegen meine Religion und befürchtete, dass ich sie zwingen würde, eine Christian Science Sonntagsschule zu besuchen. Als ich davon erfuhr, versicherte ich ihr, dass ich so etwas nie tun würde.
Sie war es gewohnt, ihre Eltern gegeneinander auszuspielen und ihren Willen durchzusetzen. Eine der ersten Entscheidungen, die mein Mann und ich trafen, war, dass wir zusammenhalten, und wenn es Meinungsverschiedenheiten gab, hinterher darüber sprechen würden. Es dauerte nicht lange, bis meine Stieftocher merkte, dass ihre Taktik nichts mehr ausrichtete. Sie hatte jedoch Zornesausbrüche, die den anderen Kindern Angst einjagten. Ich sprach jedesmal mit ihr und beruhigte sie und versicherte ihr, dass ich immer gern dazu bereit sei, ihr zuzuhören, wenn sie mit mir sprechen wolle.
Eines Tages wurde ich beim Lesen in Wissenschaft und Gesundheit auf die Beschreibung von Gethsemane im Glossar dieses Buches aufmerksam. Sie lautet: „Geduldiges Leiden; das Menschliche ergibt sich dem Göttlichen; Liebe, die keine Erwiderung findet, aber doch Liebe bleibt” (S. 586). Der Teil „Liebe, die keine Erwiderung findet, aber doch Liebe bleibt” wurde für mich ein starker Fels. Einige Monate lang war er meine tägliche Stütze. Ich wusste, dass Liebe etwas Beständiges ist, und selbst wenn es keine Erwiderung gab, würde Liebe den Sieg davontragen.
Dann erkrankte sie eines Tages an Mumps. Auf ihren Wunsch hin brachte ich sie zum Arzt, der ihr ein Rezept ausschrieb. Doch das Medikament verschlimmerte den Zustand nur. Nach zehn unruhigen Tagen, als es ihr immer noch nicht besser ging, fragten ihr Vater und ich, ob sie vielleicht nicht einen Christian Science Praktiker anrufen und um Gebet bitten wolle. Sie erwiderte, ihr sei wohl der Gedanke gekommen, doch sie meinte, dass sie eigentlich nicht an geistiges Heilen glaubte. An dem Abend ging ich ziemlich niedergeschlagen in mein Zimmer. Es schien, dass unser ganzer Haushalt von dieser Situation in Mitleidenschaft gezogen wurde. Als ich so dasaß und betete, kam mir plötzlich ganz klar der Gedanke: „Aber es ist doch Gottes Haushalt und nichts Gott Unähnliches kann da eindringen.” Dieser Gedanke nahm eine große Last von meinen Schultern. Ich ging mit einem wunderbaren Gefühl des Friedens zu Bett.
Am nächsten Morgen kam meine Stieftochter mit strahlendem Gesicht in die Küche gelaufen und fragte, ob ich am Abend zuvor für sie gebetet hätte. Ich erwiderte, dass ich für den ganzen Haushalt gebetet hätte. Am Nachmittag kam sie zu mir in die Schule, wo ich unterrichtete, um mir zu berichten, dass sie gesund war. Ich war so dankbar! Das war der erste große Durchbruch. Von dem Zeitpunkt an gab es ständig Fortschritte; größere Liebe und gegenseitiger Respekt wurden ausgedrückt.
Es gab jedoch noch viele Herausforderungen auf dem Weg. Wenn ich entmutigt war, kehrte ich immer wieder zu dem Gedanken zurück: „Liebe, die keine Erwiderung findet, aber doch Liebe bleibt”. Und ich fand jedesmal Trost und Ermutigung. Allmählich ließen die Zornesausbrüche nach, bis sie schließlich ganz verschwanden. Ich werde nie den Tag vergessen, an dem sie mir von ihrem Zimmer aus zurief: „Mutti, wo ist ...” und nach irgendetwas fragte, was ihr gehörte. Sie können mir glauben, es war ein überwältigender Augenblick! Seit diesem Tag nennt sie mich „Mutti”. Sie hat sich viele Male entschuldigt und gesagt, dass sie nicht fassen könne, was sie alles gesagt und getan hatte. Sie ist keine Christliche Wissenschaftlerin, doch sie respektiert diese Religion jetzt sehr. Wir haben eine liebevolle Beziehung zueinander und unsere Telefongespräche enden immer mit den Worten: „Ich hab dich lieb.” Diese Erfahrung bedeutet mir sehr viel, denn sie hat mich viel über standhaftes Vertrauen auf die göttliche Liebe gelehrt.
Harbor Springs, Michigan, USA
Ich kann mich nicht mehr genau an alle geschilderten Einzelheiten erinnern. Damals war ich siebzehn und hatte das selektive Erinnerungsvermögen einer Siebzehnjährigen. Das Wichtigste ist für mich die Liebe, die mir vorgelebt wurde, und was das für Auswirkungen hatte. Das kann ich von ganzem Herzen bestätigen. Ich erinnere mich noch an den Tag, an dem ich zum ersten Mal „Mutti” zu ihr sagte, und an die Klarheit, mit der ich erkannte, dass es keinen Sinn machte, sie etwas anderes zu nennen, da ich schon lange die Mutterliebe gespürt und geschätzt hatte. Ich bin dankbar für alles, was ich dabei gelernt habe, und ich bemühe mich, es an meine eigenen Kinder weiterzugeben. Ich bin auch dankbar für den Wandel, der sich durch die Liebe und Geduld meiner Mutter in meinem Vater vollzog.
Fraser, Michigan, USA
