Fred Luskin sagt „Ja. Das ist meine Leidenschaft: Ich möchte Vergebung einfach und praktikabel machen.”
Dr. Luskin ist psychologe und Leiter und Mitbegründer des Vergebungs-Projekts an der Stanford University und Autor von „Die Kunst zu verzeihen. So werfen Sie Ballast von der Seele”, das seine Methode schildert. Vergebung wird oft als eine persönliche und schwierige Sache angesehen, aber Hunderte von Menschen haben nach seiner Methode gelernt zu vergeben.
In seinem Buch erklärt Luskin, dass ein Problem im eigenen Leben sein Interesse an dem Thema weckte. Schwer enttäuscht über das Verhalten eines alten Freundes, verlor er sich in „Bitterkeit, Groll und Traurigkeit”. Schließlich wurde ihm klar, dass er seinem Freund vergeben musste, um sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Und so entstand sein Buch. „Ich lernte, dass mein Leid und Groll — wie auch das der Leute, mit denen ich arbeitete, größtenteils unnötig war. Egal, wie sehr wir verletzt worden sind — Vergebung bringt einen geradezu göttlichen Frieden.”
Daraufhin begann er sein erstes Studienprojekt, das die Methoden wissenschaftlich testen sollte, die er angewandt hatte, um sich und anderen zu helfen. Es war ein völlig neuer Ansatz. Mit zwei Partnern suchten sie sich 15 Finanzberater aus einem großen Unternehmen aus. Sie schulten sie in emotionaler Kompetenz und praktischer Vergebung. Wenn ein Kunde, dem man etwas verkaufen will, nicht zurückruft, oder ein Kollege seinem Nachbarn das Geschäft stiehlt, dann sind das Gelegenheiten zu vergeben. Für Luskin ist das eine praktische Notwendigkeit des täglichen Lebens. Die Schulung erhöhte die Produktivität dieser Angestellten um 18 Prozent in dem betreffenden Jahr und verminderte ihren Stress um 25 Prozent.
„Ich lernte, dass mein Leid und Groll größtenteils unnötig war. Egal, wie sehr wir verletzt worden sind — Vergebung bringt einen geradezu göttlichen Frieden.”
Nun heißt Vergebung aber nicht, dass wir über eine zugefügte Verletzung stillschweigend hinwegsehen. Auch ist Vergeben nicht einfach Vergessen. Und es ist keine Versöhnung mit demjenigen, der uns etwas angetan hat. Luskin bezeichnet Vergebung als das Erleben von Frieden und Verständnis, und zwar im gegenwärtigen Augenblick. Die Vergebung ist für uns und nicht für den anderen. Wir selber übernehmen die Verantwortung für das, was wir empfinden, und können das Heft in der Hand behalten. Vergebung heißt Gewinner statt Verlierer zu sein.
Wissenschaftliche Studien haben erwiesen, dass durch Vergebung Depressionen und Zorn vermindert werden, Spiritualität und Selbstvertrauen wachsen und Beziehungen geheilt werden.
Luskin sagt: „Für fast alle normalen Situationen im Leben ist diese Methodik sehr nützlich. Sie hat vielen Menschen unter den schwierigsten Umständen geholfen, wie z. B. Kindern, die von Alkoholiker-Eltern missbraucht wurden, Töchtern, die vergewaltigt wurden, Eheleuten, deren Partner untreu waren oder deren Partner nicht für den Unterhalt der Kinder zahlten.”
Wie können wir vergeben? Wie Fred Luskin sagt, existiert unter dem schmerzlichen äußeren Teil von uns selbst eine ruhige innere Stimme, die eine Gabe des Geistes ist. Und das ist die Stimme der Vergebung. „Ich versuche dieses Konzept verständlich zu machen, ohne es spirituell zu nennen, denn ich glaube, dann hätte es einen weniger breiten Anwendungsbereich. Wir müssen mit unserer Sprache alle Menschen erreichen. Alle sollen erkennen, dass sie einen Ort des Friedens in sich finden können. Viele Geistliche nehmen an meinen Seminaren teil, weil sie lernen wollen, mit den Menschen in ihren Gemeinden zu reden, ohne dogmatisch zu sein. Und ich habe viele Leute der verschiedensten Glaubensrichtungen kennen gelernt, die mir sagen: „Sie praktizieren hier etwas, was ich selber schon erlebt habe.”
Projekt in Nordirland
Fred Luskin hat einmal mit Byron Bland zusammengearbeitet, einem presbyterianischen Pfarrer, der Friedensarbeit in Nordirland leistet, und seiner Mitarbeiterin Norma McConville, die Kontakte zu Katholikenwie Protestanten-Gemeinden unterhält. Pfarrer Bland und McConville fördern den Dialog unter den beiden Gruppen, indem sie versuchen beide Seiten gemeinsam an einen Tisch zu bringen. Dabei sehen sie sich mit der enormen Feindschaft zwischen den beiden Parteien konfrontiert.
Sie führten nacheinander drei Projekte durch: das erste mit einer Gruppe von Müttern, die ihre Söhne durch Gewalttaten verloren hatten; das zweite mit Familien, die einen Angehörigen verloren hatten. Und im dritten Projekt brachten sie führende Mitglieder der Gemeinde von beiden Seiten zusammen und schulten sie in diesen Methoden, damit sie den Menschen in ihrem Umfeld damit helfen können.
„Es sind harte Fälle”, erklärt Luskin, „denn es geht hier um Angehörige, die getötet wurden. Bland zeigte an Hand eines Mordes an einem Kind aus Nordirland, wie sowohl die Familie des Opfers als auch die Gemeinde empfinden, dass ihnen ein Mord angetan wird. Die Gemeinde fühlt sich direkt betroffen und benutzt dieses Geschehen, um ihren Hass zu rechtfertigen und das Misstrauen gegen die andere Gruppe zu schüren. Die Familie ist direkt betroffen, weil sie tief erschüttert ist und weil ihr Kummer heilen muss. Aber wenn sie dann ihren inneren Frieden wiedergewonnen hat, wird sie innerhalb ihrer Gruppe manchmal als eine Art Verräter angesehen. Das ist einer der Gründe, warum diese Konflikte sich weiter fortsetzen. Und eine Familie findet inmitten andauernder religiös und kulturell bedingter Gewalt nur schwer Heilung von ihrem Leid.
Unsere Hoffnung ist, dass wir genug Vergebung unter einzelnen Menschen säen können, dass dies zumindest bis zu einem gewissen Grad die Diskussion in der Öffentlichkeit verändert.”
Luskin und Pfarrer Bland sagen den Leuten: „Verliert euch nicht so sehr in diesem Groll und Ärger und Verlust, dass ihr aufhört die Menschen zu lieben, die noch am Leben sind.”
Eingien fällt es aufgrund ihrer religiösen Einstellung leichter zu vergeben, besonders den Frauen in der ersten Gruppe. Sie hatten eine christliche Grundeinstellung und sagten, dass ihnen klar sei, dass Jesus so gesprochen hatte. Sie wussten, dass Jesus Vergebung von ihnen erwartete. Aber sie hörten seine Lehre in so praxisnaher Form, dass sie ihnen leichter verständlich wurde. „Denn”, so sagt Luskin, „was ich ihnen sagte, war Folgendes: Geht zumindest am Morgen, wenn ihr mit offenem Herzen aufwacht, einmal ans Fenster, streckt eure Hand raus, schaut hinaus und sagt:, Danke, Gott, dass Du mich diesen Augenblick am Leben erhältst.’ Das ist einfacher als das Schwerere zu sagen:, Ich vergebe demjenigen, der mein Kind ermordet hat.’”
Leute, die diese Seminare mitgemacht haben, leiden jetzt weniger und haben ihr Leben wieder in den Griff bekommen. Luskin sagt, eins hätten fast alle verstanden, nämlich dass es ihnen Kraft gibt zu wissen, dass sie zumindest eine Wahl haben. Sie waren einfach so von ihrem Leid niedergedrückt, dass es ihnen grenzenlos erschien.
Pfarrer Bland und McConville bleiben in Kontakt mit diesen Leuten, sagt Luskin. Einige von ihnen haben großen Fortschritt in ihrem Leben gemacht. Andere weniger. Einige haben neue Hoffnung gewonnen und verwenden ihre Energie darauf mit beiden Seiten zusammenzuarbeiten. Andere leben mehr zurückgezogen.
Eine Mutter aus der ersten Gruppe kam mit ihren Kindern auch zur zweiten Gruppe. Dies geschah 20 Jahre, nachdem ihr Bruder getötet worden und sie in große Verzweiflung verfallen war. Und die Kinder bemerkten: „Danke, dass ihr uns unsere Mutter wieder gegeben habt.” „Ist sie völlig von ihrem Kummer geheitlt?” fragt Luskin. „Natürlich nicht. Aber ein Teil der Vergebung besteht darin vorwärts zu schauen und nicht zurückzublicken. Und das war ein wichtiger Schritt für sie.”
Luskin ist der Meinung, dass jeder etwas tun sollte, um zum Wohl der Gemeinschaft und der Welt beizutragen. Es gibt andere Gegenden in der Welt, wo es hilfreich wäre, solch einfache Dinge zu lernen, wie man mit Terror und Schrecken, Unfreundlichkeit usw. fertig werden kann, ohne den Verstand zu verlieren. Was wir angefangen haben, muss in viel größerem Rahmen weitergeführt werden.”
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