Alles Beten, das Verlangen ist, ist Fürbitte; doch inbrünstiges Verlangen büßt einen Teil seiner reinsten Geistigkeit ein, wenn unsere Lippen versuchen, es auszusprechen. Es ist eine selbstverständliche Wahrheit, dass wir klarer und tiefer denken können, als wir zu schreiben oder zu sprechen vermögen. Die stille Fürbitte und das wortlose Flehen sind ein ehrliches und machtvolles Gebet, das heilt und erlöst. Das gesprochene Gebet mag dargebracht werden, um von Menschen gehört zu werden, obgleich der Betende vorgibt, Gottes Ohr erreichen zu wollen, indem er — nach Art der Baalspriester — laut genug spricht, um gehört zu werden; wenn aber das Herz betet und nicht die Lippen, wird die Bitte weder von Unaufrichtigkeit noch von Eitelkeit beeinflusst.
Propheten und Apostel haben Gott im Verborgenen betend verherrlicht, und Er hat es ihnen öffentlich vergolten. Das Gebet kann weder Gott ändern noch Seine Pläne in sterbliche Verfahren bringen; aber es kann und wird unsere Verfahren und unseren falschen Begriff von Leben, Liebe, und Wahrheit ändern, indem es uns zu Ihm emporhebt. Solch ein Gebet lässt unser Wirken demütig werden, läutert es und belebt es in der unfehlbar rechten Richtung.
Wahrhaft beten heißt nicht Gott um Liebe bitten, es heißt lieben lernen und die ganze Menschheit in eine Liebe einschließen. Durch das Gebet machen wir uns die Liebe zu Nutze, mit der Er uns liebt. Das Gebet erzeugt ein waches Verlangen, gut zu sein und Gutes zu tun. Es macht neue und wissenschaftliche Entdeckungen von Gott, von Seiner Güte und Macht. Klarer, als wir dies zuvor erkannten, zeigt es uns, was wir schon haben und sind; vor allem aber zeigt es uns, was Gott ist. Während wir in diesem Lichte vorwärtsschreiten, spiegeln wir es wider; und in stillem Gebet offenbart uns dieses Licht die reinen Gemüts-Bilder, geradeso, wie man beim Fotografieren das Licht der Sonne einfängt, um das Antlitz freundlicher Gedanken im Bilde festzuhalten.
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