Ich hatte noch nie Heimweh gehabt. Als Teenager hatte ich im Sommercamp übernachtet, fünf Wochen mit der Schule in Spanien vor meinem Schulabschluss verbracht und es sogar erfolgreich durch mein Erstsemester-Jahr an der Universität geschafft — alles ohne Heimweh. Also dachte ich, dass ein Auslandsstudienjahr in Valencia, Spanien, genauso einfach sei. Und ich hatte Recht — na ja, zumindest im ersten Semester.
Die Zeit von September bis Dezember 2004 war voller neuer Erfahrungen — ich besuchte Städte in ganz Spanien, Griechenland und Italien. Die Schule war der geeignete Platz, meine Spanischkenntnisse zu nutzen und zu praktizieren. Ich lebte bei einer wundervollen spanischen Familie und hatte eine super Zimmergenossin aus Alaska. Ich wuchs schnell mit vielen aus meinem Auslandsstudienprogramm und mit meiner Gast-Familie zusammen. Dieses erste Semester war genau so, wie ich mir mein Auslandsstudium vorgestellt hatte — sorgenfrei und ein unglaubliches Abenteuer.
Doch im Dezember verabschiedete ich mich von meinen guten Freunden, die nicht zu einem zweiten Semester zurückkamen und machte mich selbst zu einer einmonatigen Pause auf, heim nach Seattle, bevor das zweite Semester begann. Ich war etwas erstaunt darüber, wie sehr mir doch die Beziehungen zu mir nahe stehenden Menschen gefehlt hatten — zu meiner Familie und zu meinen Freunden.
Auch wenn sich einige wirklich enge Freundschaften im ersten Semester entwickelt hatten, hatte ich doch keine Ahnung, wie das neue Semester und die Gruppe von Studenten sein würden. Und nach den ersten Tagen, nachdem ich nach Valencia zurückgekehrt war, wusste ich, dass vieles anders war. Viele der Leute in der neuen Gruppe mochte ich nicht wirklich. Am Telefon mit meiner Mum weinte ich ein paar Mal und wünschte mir wirklich, ich wäre einfach in meiner Kuschelecke zu Hause in Seattle geblieben. Ich fühlte mich elend und hatte Heimweh und es gab nichts, was ich dagegen tun konnte. So dachte ich jedenfalls.
Obwohl ich mit der Christlichen Wissenschaft groß geworden bin, waren die zurückliegenden Jahre eine ziemliche Herausforderung für mich gewesen, und ich hatte die Christliche Wissenschaft fast völlig aus meinem Leben ausgeschlossen. Nur wenn ich wirklich das Gefühl hatte, dass ich mich nirgendwo anders mehr hinwenden konnte, schlug ich meine Ausgabe von Wissenschaft und Gesundheit auf oder las die Wöchentlichen Bibellektionen. In gewisser Weise wusste ich, dass ich dieses geistige Studium vermisste, aber ich hielt mich immer noch davon fern und dachte, die richtige Zeit würde schließlich kommen, um es in mein Leben wieder einzubeziehen. Ich wusste nicht, dass diese Zeit jetzt da war.
Eines Tages fand ich mich allein in meinem Zimmer in Spanien wieder und hatte nichts zu tun. Ich beschloss, ein Buch herauszuholen, das mir meine Schwester gegeben hatte. Sie ist keine Christliche Wissenschaftlerin, aber doch sehr religiös und hat dieses Buch, das auf den 23. Psalm ausgerichtet ist, sehr genossen. Traveling Light (Reisendes Licht, aber auch: Leicht reisen) von Max Lucado ist in Kapitel aufgeteilt, die als Hauptgedanken spezielle Belastungen, wie er sie nennt, behandeln. Obwohl einige seiner Ideen in dem Buch nicht unbedingt das waren, was ich in meinem Studium der Christlichen Wissenschaft gelernt hatte, so fand ich das alles doch sehr interessant.
Dann stieß ich auf ein Kapitel über Einsamkeit, bei dessen letzten Zeilen mir ein Licht aufging: „Wenn dich eine Zeit der Einsamkeit lehren wird, Sein Lied zu hören, ist es das nicht wert?” Es erinnerte mich an etwas, das Mary Baker Eddy in Wissenschaft und Gesundheit schrieb: „Wäre das Dasein ohne persönliche Freunde leer für dich? Dann wird die Zeit kommen, in der du einsam und ohne Mitgefühl sein wirst; aber dieses scheinbare Vakuum ist bereits von göttlicher Liebe erfüllt. Wenn diese Stunde der Entwicklung kommt, wird die geistige Liebe dich zwingen, das zu akzeptieren, was dein Wachstum am meisten fördert, selbst wenn du an der Auffassung von persönlichen Freuden festhältst.” (S. 266) Ich wusste augenblicklich, dass sich mir genau hier und jetzt, in all meiner Einsamkeit und leeren Zeit, die besten Gelegenheiten eröffneten, um Gott näher zu kommen.
Wenn dich eine Zeit der Einsamkeit lehren wird, Sein Lied zu hören, ist es das nicht wert?
In den nächsten Wochen verschrieb ich mich vollständig dem Gebet und dem Studium der Christlichen Wissenschaft. Ich fing an, die Bibellektionen zu lesen, konzentrierte mich darauf, in meinem täglichen Leben Gott auszudrücken und begann, mit meinem neu gefundenen geistigen Verständnis zu arbeiten. Ich benutzte Zitate aus der Bibellektion, aus dem Büchlein Moments of Gratitude: Quotations from Mary Baker Eddy (Momente der Dankbarkeit — Zitate von Mary Baker Eddy) und eine wunderbare Zusammenstellung von Abschnitten und Lieder(texte)n, die meine Mutter für mich gemacht hatte, um damit wöchentliche Gedanken-Karten zu erstellen, die ich in meiner Hosentasche überall mit mir herumtrug.
Zwei meiner liebsten Karten, die mich am meisten trösteten, waren zum einen: „Zuletzt, liebe Brüder, freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein.” (2. Korinther 13). Und zum anderen von Mary Baker Eddy: „Gehe zu Gott, ruhe in der Liebe, vertraue der Liebe, der unendlichen, allmächtigen Liebe, die bereit ist und darauf wartet, dich zu trösten, und du wirst Frieden finden.” (The Mary Baker Eddy Collection).
Wann immer ich verloren, einsam oder traurig fühlte, nahm ich eine dieser Karten heraus und konzentrierte mich auf die Ideen, die mein Denken klärten. Die Leere, die ich bisher gefühlt hatte, während ich alleine in meinem Zimmer saß, füllte ich nun durch das Lesen der Bibellektion, indem ich nach neuen Zitaten suchte, oder etwas in Wissenschaft und Gesundheit las.
Mein Leben in Spanien veränderte sich beinahe augenblicklich. Ich fing an, mit neuen Freunden aus meiner Gruppe eine positivere und nützlichere Zeit zu verbringen und knüpfte eine erstaunliche Freundschaft mit meinem Gastfamilien-Bruder.
Alles veränderte sich für mich so drastisch, dass ich diese Veränderung nur einer Sache zuschreiben konnte: meinem neuen Verständnis der göttlichen Liebe. Ich lernte, dass egal wo ich mich in der Welt befand, dieselbe Liebe und Akzeptanz, die ich durch meine Freunde und Familie zu Hause erfuhr, überall zur Verfügung stand. Ich entdeckte, wie Gottes unwandelbare Liebe durch die neuen Menschen, denen ich begegnete, hindurch schien. Und ich erkannte, dass ich als Sein unendlicher Ausdruck nicht an einen Ort oder auf eine Person beschränkt sein konnte.
Ich kehrte aus Valencia zurück mit einem neu gewonnenen Verständnis von Gott und einem erneuerten Interesse, bei meinem täglichen Studium und meiner täglichen Praxis der Christlichen Wissenschaft auf dem Laufenden zu bleiben. Dieses letzte Semester in Spanien war eine liebevolle Erinnerung daran, dass ich niemals aus der Gegenwart und Macht der Liebe in meinem Leben heraustreten konnte.
Wäre das Dasein ohne persönliche Freunde leer für dich?
