Als ich über diesen Satz aus dem 23. Psalm nachdachte und forschte, las ich irgendwo, dass folgen auch bedeuten kann: ,hinterher rennen, versuchen jemanden einzuholen'. Und ich fing an, in diesem Sinne über diese Stelle nachzudenken.
Gutes und Barmherzigkeit folgen mir also, das hieß, ich konnte nie ohne das Gute und die Barmherzigkeit sein.
Ich stellte sie mir als Weggefährten vor, als Reisegefährten, mit denen ich die Freuden der Reise teilte, und bei Problemen konnten wir uns gegenseitig unterstützen.
Ich dachte an die Wanderer im Himalaja. Sie haben Sherpas als Begleiter, die ihnen helfen, die Lasten zu tragen, und ihnen den Weg zeigen.
Und ich dachte an die Bodyguards der Politiker, die sie beschützen.
Dann überlegte ich, was wäre, wenn ich Bodyguards hätte. Was würden sie tun, wenn ich ohne sie das Haus verlasse? Sie würden hinter mir her rennen und rufen: „Halt, bleib stehen! Warte auf mich!" (So rufen die Kinder hinter mir beim Spazierengehen, wenn ich zu schnell bin! Und ich bleibe stehen und warte geduldig, bis sie mich eingeholt haben!) Und die Bodyguards rufen: „Du kannst doch nicht ohne uns gehen, du musst uns mitnehmen, wir sind für deinen Schutz zuständig." So musste das also auch mit dem Guten und der Barmherzigkeit sein: sie lassen uns nicht aus den Augen. Sie sind immer bei uns.
Als Nächstes fragte ich mich, wenn Gutes und Barmherzigkeit hinter mir sind, dann muss doch auch etwas vor mir sein. Vor mir, ja! Vor mir war der Tisch, den Gott mir gedeckt hatte, „im Angesicht meiner Feinde", so heißt es ebenfalls im 23. Psalm. Und dieser Tisch war gedeckt mit allem, was ich heute brauche, mit Nahrung und mit Kraft, mit Ideen und Entscheidungsfreude, mit Geduld und Gesundheit, mit Harmonie und Freude. Und nur wenn ich mir bewusst bin, dass das Gute und die Barmherzigkeit mich begleiten, konnte ich alle diese wunderbaren Gaben nutzen, die Gott mir auf dem Tisch bereitet hatte.
Wenn ich in diesem Bewusstsein lebe, kann zum Beispiel Folgendes passieren:
Eine Frau rief mich an. Sie hatte am Arbeitsplatz vergessen, ihren Schrank abzuschließen, und ihre teure Handtasche war aus ihrem Schrank gestohlen worden. Es war kein Geld in der Tasche, das hatte sie bei sich, aber die Schlüssel zu ihrem Haus, dem Haus ihrer Eltern und ihrer Großeltern in einem zur Tasche passenden Etui und ein Etui mit Stiften. Sie machte sich Sorgen wegen der Schlüssel, denn vielleicht konnte der Dieb herausfinden, wem der Schrank gehörte und dann ...?
Die Tasche war zwar teuer gewesen, den Verlust könnte man aber verschmerzen. Doch da war noch etwas anderes, was sie beunruhigte: Das Gefühl einen Fehler gemacht zu haben, weil sie vergessen hatte, den Schrank abzusperren. Das Gefühl, jemanden durch ihren Fehler in Versuchung geführt zu haben. Das Gefühl, schutzlos zu sein und den Angriffen des Bösen ausgeliefert. Und dann war da noch das wachsende Misstrauen gegenüber Menschen.
Sie bat mich darum, ihr durch christlich-wissenschaftliche Behandlung zu helfen. Dies ist eine Form von Gebet, in der das Gute der Schöpfung Gottes erkannt und bekräftigt wird und in dem das Falsche als unwirksam erkannt wird, weil es keine Grundlage im göttlichen Gesetz hat. Ich erklärte ihr, dass der Mensch Gottes immer ehrlich ist und kein Dieb, denn Ehrlichkeit ist eine Eigenschaft der Wahrheit, die vom Menschen zum Ausdruck gebracht wird. Ein Bild Gottes kann nicht einem anderen Bild Gottes etwas wegnehmen und bei Gott ist immer alles am richtigen Platz. Sie darf sich bei Gott geborgen fühlen und ein Fehler, den sie gemacht hatte, konnte keinen Fehler eines anderen hervorrufen.
Ich sagte ihr, sie solle den 91. Psalm lesen, in dem der starke Schutz Gottes beschrieben ist, unter dem sie steht. Geschützt wie in einer Burg, unangreifbar, unter Gottes Flügeln vor den Angriffen des Bösen geschützt.
In meinem Gebet beschäftigte ich mich mit dem Gedanken, dass Gott Liebe ist, d.h., ich wandte diesen Gedanken konsequent auf möglichst jeden Einzelaspekt der menschlichen Situation an. Das heiß in diesem Fall, dass Gott den Menschen aus Liebe geschaffen hat, als Ausdruck der Liebe. Da Liebe alle Menschen zu jeder Zeit mit allem Guten versorgt, muss niemand einem anderen etwas wegnehmen. Ich wurde mir der Liebe Gottes bewusst, die den Menschen regiert und ihn vor allem Bösen schützt. Das Gute und die Barmherzigkeit folgen dem Menschen. Sie schützen ihn vor falschen Handlungen und führen ihn zur Wachsamkeit. Sie schützen ihn davor, den Angriffen des Bösen ausgesetzt zu werden. Das Gute und die Barmherzigkeit führen zu dem reich gedeckten Tisch und verursachen keinen Schaden.
Ich war mir sicher, dass der Mensch heute durch die Güte Gottes begleitet und geleitet ist und das göttlich Gute erlebt.
Zwei Tage später rief diese Dame mich wieder an. Die Tasche hatte jemand vor ihren Schrank gestellt und die Schlüssel lagen in der Tasche. Nur das Schlüsseletui und das Etui mit den Stiften fehlten. Das war zwar nicht schön, aber die wirklich wichtigen Aspekte waren zur Zufriedenheit aller geklärt. Das Beste für sie war, zu erleben, dass Gottes Güte immer bei ihr ist und sie beschützt und mit Gutem versorgt. Sie konnte sich und den anderen wieder vertrauen.
Gutes und Barmherzigkeit begleiten den Menschen sein Leben lang. Sie sind immer bei ihm. Nur oft sieht der Mensch sie nicht. Er ist sich dann nicht dessen bewusst, dass sie immer da sind. Dann muss er innehalten und die Augen offen halten und geduldig warten, bis er sie wieder sieht—bis er sich wieder dessen bewusst ist, dass sie seine ständigen Wegbegleiter sind.
