Nachdem ich mehrere Jahre lang einmal jährlich an einem 10-km-Lauf teilgenommen hatte, entschloss ich mich, es mit einem Marathon zu versuchen. Die Recherche im Internet lieferte mir einen entsprechenden Trainingsplan, der dafür nötig sein würde – wie lange man jeweils trainieren und wie viele Kilometer man ungefähr jede Woche laufen sollte. Dreimal wöchentlich zu laufen schien mir bei einem Training von einem Jahr angemessen, inklusive einer stetigen Steigerung der Kilometerzahl in den letzten sechs Monaten vor dem Lauf.
Ein weiterer Exkurs in den Buchladen führte mich in die vielen Facetten des Marathontrainings ein. Während ich die zahlreichen Trainingsprogramme prüfte, wurde es jedoch offensichtlich, dass sie sich alle auf den körperlichen Zustand konzentrierten – was man essen und trinken sollte, wie man Verletzungen und Krankheiten verhindert usw.
Ich wollte meine Teilnahme an dieser Veranstaltung stärker auf eine geistige Perspektive gründen. Ich wollte diese Aktivität nutzen, um ein besseres Verständnis meiner geistigen und nicht meiner physischen Identität zu gewinnen. Also wählte ich die Bibel und Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy als Trainingshandbücher.
In der Bibel gibt Jesus seinen Nachfolgern den Hinweis: „Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet” und „Was zum Mund hineingeht, das macht den Menschen nicht unrein; sondern was aus dem Mund herauskommt, das macht den Menschen unrein.” (Matthäus 6 und 15) Mit dieser Richtschnur im Hinterkopf beschloss ich, einfach meine normalen Essgewohnheiten beizubehalten.
Zuerst stieg ich sogar nach einem kurzen Lauf auf die Waage, um zu sehen, ob sich mein Gewicht verändert hatte. Dann passte ich meine Nahrungsaufnahme an, um entweder Gewicht zu- oder abzunehmen. Sehr schnell merkte ich, dass dieser Fokus auf meinen physischen Körper mir nicht helfen würde, mein geistiges Selbst besser zu verstehen, und so strich ich diese Vorgehensweise und richtete stattdessen eine Art geistiger Waage ein.
Ich machte eine Liste mit all den Qualitäten, die aus meinem Denken und Handeln gestrichen werden mussten – Lust, Neid, Bosheit, Ungeduld, Egoismus, Gier und etliche andere. Und ich erstellte eine andere Liste mit Qualitäten, die erweitert werden sollten – Glaube, Gerechtigkeit, Wissen, Ausgeglichenheit, Geduld, Frömmigkeit, brüderliche Freundlichkeit, Nächstenliebe und so weiter und so weiter. Man könnte sagen, ich maß mein Gewicht nun daran, wie viel materielles Denken ich abgelegt und wie viel geistiges Denken ich dazugewonnen hatte! Seitdem habe ich keine Waage mehr bestiegen.
Außerdem sah ich anfangs nach jedem Trainingslauf auf die Uhr, um zu sehen, wie schnell ich eine vorgegebene Zahl an Kilometern geschafft hatte. In einer der Bibellektionen aus dem Vierteljahresheft der Christlichen Wissenschaft war die Definition von ,Zeit' enthalten, nämlich, dass Zeit eine sterbliche Maßeinheit ist und dass sie Grenzer hat.
Mrs. Eddy schreibt über die geistige Bedeutung von Zeit wie folgt: „... Gemüt misst die Zeit nach dem Guten, das sich entfaltet.“ (WUG, S. 584) Anstatt mir also Gedanken darüber zu machen, wie schnell ich lief, konzentrierte ich mich auf die Menge an Gutem, die sich mir während jeden Laufs entfaltete. Da Gott gut ist und das Gute folglich unendlich ist, hatte ich eine unbegrenzte Menge an Ideen zur Verfügung, um mein Denken zu beschäftigten.
Zum Beispiel lief ich meistens auf einem Deichweg am Flussufer entlang, wobei ich mir ganz klar der Schönheit, Ruhe und Harmonie von Gottes Schöpfung bewusst wurde. Die Wasservögel widerspiegelten Anmut, Schönheit und Geduld. Ich genoss die natürliche und schöne Wandlung der Pflanzen und Bäume von einer Jahreszeit zur anderen. Auch Sonnenauf- und untergang gaben Einblicke in Gottes herrliches Universum.
Ab und an erlebte ich ein paar relativ kleine Unpässlichkeiten und Schmerzen. Immer, wenn diese auftraten, betete ich mit diesem Ausspruch aus Wissenschaft und Gesundheit: „Werde dir einen einzigen Augenblick bewusst, dass Leben und Intelligenz rein geistig sind – weder in noch von der Materie –, und der körper wird keine Beschwerden äußern.“ (S. 14) Ich schloss meine Augen für einen Moment, hielt an dieser Wahrheit fest und konnte dann immer meinen Lauf ohne Schwierigkeiten beenden.
Der Tag des Marathons kam. Kühl, bewölkt und etwas regnerisch – ideal, um einen Marathon zu laufen. Einige Ideen aus einem Zeugnis aus dem Sentinel, die von einer Frau in England geschrieben worden waren, (siehe Liz Claxton, 23. Mai 2005, S. 24) halfen mir, meinen Blick auf das Ziel gerichtet zu halten, weshalb ich das Rennen laufen wollte. Sie schrieb, dass sie bei Wettläufen die anderen Läufer nicht als Wettkämpfer gesehen hat, sondern als Teilnehmer an einem größeren Rennen, nämlich dem von materialistisch eingestelltem Denken hin zu geistiger Freiheit.
Ich schaffte den 42 km Lauf in weniger als sechs Stunden und kam als Erster in meiner Altersklasse ans Ziel. Wenn Sie also darüber nachdenken, eine neue Anstrengung in Angriff zu nehmen, lassen Sie sich nicht daran hindern, auch nicht vom Alter. Ich war 75 Jahre alt, als ich meinen ersten Marathon lief.
