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Spiritualität & Heilen

„Vom Gemüt aus“ statt „zum Gemüt hin“

Aus der Februar 2012-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Als George Millar noch ein Junge war, wachte seine Schwester eines Morgens auf und konnte nicht aufstehen. Sie war gelähmt. Die Polioepidemie hatte in Melbourne um sich gegriffen und die Schulen waren geschlossen worden. Ein Arzt kam ins Haus und diagnostizierte bei ihr diese Krankheit und sagte, er würde bald wiederkommen, um alles für das Krankenhaus vorzubereiten. George erinnert sich daran, dass seine Mutter, die aus einer Familie kam, in der seit drei Generationen die Christliche Wissenschaft gelebt wurde, zu ihm sagte: „Geh in den Garten und bete!“ „Ich hatte große Angst. Aber da wir in der Sonntagsschule gerade eine Stunde über den Wert des Gehorsams gehabt hatten, tat ich das.“

Mr. Millar erinnert sich nicht mehr genau daran, wie er gebetet hat. „Vielleicht war es das Gebet des Herrn oder ‚die Wissenschaftliche Erklärung des Seins‘ aus Wissenschaft und Gesundheit oder einfach der Satz: ‚Gott, hilf meiner Schwester!‘“ Aber er erinnert sich daran, dass er an diesem düsteren, grauen Tag sich auf einmal im Garten umschaute und sah, dass der Garten voller Licht war — majestätisch in seiner Schönheit. „Wir hatten gar keinen besonderen Garten. Mein Vater war zwar Gärtner, aber er war im Krieg“, fügt er hinzu. In diesem Augenblick hatte er keine Angst mehr und wusste, dass seine Schwester geheilt war. Er raste ins Haus, um dies seiner Mutter zu erzählen, gerade in dem Moment, als seine Schwester aus ihrem Zimmer gehüpft kam, vollkommen gesund.

Er ging hinaus vor das Eingangstor, um auf den Arzt zu warten, der nach einer Stunde zurückkam. Er erinnert sich: „Als er ankam, sagte ich: ‚Es geht ihr gut. Sie ist geheilt.‘“

Die Wirkung, die dies Erlebnis hinterlassen hatte, blieb mit ihm. Jahre später reiste er mit seinem australischen Freund und Schulkameraden Geoffrey Barrett durch Europa und führte ihn in die Christliche Wissenschaft ein. „Aber Geoffrey festigte die Christliche Wissenschaft in mir“, lacht er, „weil er immer weiter fragte, musste ich immer weitere Antworten geben.“ Beide gingen bald in die Vollzeitheilpraxis.

„Dies ist das Einzige, was ich immer schon tun wollte“, sagt Mr. Millar. Und mit Gott, dem göttlichen Gemüt, als dem „Täter“ ist er dann dabei geblieben.

Mr. Millar, in dem kurzen Gespräch, das wir vor unserem Interview hatten, erwähnten Sie, dass Sie in letzter Zeit unter anderem darüber nachgedacht haben, wie abstrakt das Wort Gott für so viele Menschen ist. Wie wäre es, wenn wir damit beginnen?

Mary Baker Eddy hat den Begriff Gott umgewandelt, indem sie uns die sieben Synonyme für Gott gab — sie hat dem Begriff eine neue Bedeutung gegeben. Mich zieht besonders das Synonym Prinzip an. Sie sagte: „Hat man das Prinzip verstanden, so entdeckt man, dass Prinzip die einzige Bezeichnung ist, die die Ideen Gottes — ein Gemüt, ein vollkommener Mensch und die göttliche Wissenschaft — vollständig wiedergibt. (Nein und Ja, S. 20)

Warum hat sie Ihrer Meinung nach das Wort Prinzip hervorgehoben?

Prinzip besteht aus sich selbst heraus, ist unveränderlich, beständig und deshalb zuverlässig. Die anderen Synonyme, die Eddy uns gegeben hat, wie Liebe oder Leben oder Gemüt, wären ohne Prinzip veränderlich, unzuverlässig und zerstörbar. Aber Liebe, die Prinzip ist, ist unveränderlich, gleichbleibend — und ganz und gar zuverlässig. Und das ist Gott.

In Wissenschaft und Gesundheit steht: „Unsere Unwissenheit über Gott, das göttliche Prinzip, bringt offensichtliche Disharmonie hervor und das richtige Verständnis von Ihm stellt die Harmonie wieder her.“ (S. 390) Die Synonyme im Licht dieser Aussage zu verstehen ist entscheidend für unsere tägliche Erfahrung.

Das die Synonyme halten uns auch davon ab, Gott zu vermenschlichen, nicht wahr?

Das tun sie. Durch die Zeit der alten Theologie ist die Versuchung, Gott zu vermenschlichen, immer noch weitverbreitet. Und sogar als Christliche Wissenschaftler tun wir das gelegentlich, indem wir Gott menschliche Eigenschaften zuschreiben und erwarten, dass Er persönlich unseretwegen handelt.

Sehen Sie in Bezug auf die alte Theologie einen Unterschied zwischen Religiosität und Spiritualität?

Da besteht ein gewaltiger Unterschied. Wir müssen metaphysisch denken. Das heißt, von dem Standpunkt der metaphysischen Wahrheit aus. Vom Standpunkt der alten Theologie gibt es einen Begriff von Gott als etwas außerhalb; so dass Gott, wenn wir zu Ihm beten, etwas für uns tun soll. Während der Metaphysiker die wahre Natur des Seins versteht und von diesem Standpunkt aus denkt. Der Unterschied ist entweder „von etwas aus“ oder „zu etwas hin“. Die, die von dem Gemüt aus denken, sind Metaphysiker. Die, die „hin zu“ etwas denken, sind Opfer der alten Theologie.

Entweder verstehen wir den wissenschaftlichen Ansatz oder wir nähern uns einem wissenschaftlichen Ansatz an — versuchen, von einem Standpunkt außerhalb einzudringen.

Wenn wir, wie Sie sagen, die wahre Natur des Seins verstehen, dann denken wir in absoluten Begriffen, nicht wahr? Und doch ist so viel in Wissenschaft und Gesundheit im „Relativen“ geschrieben — das heißt, in Beziehung zu etwas anderem. Zum Beispiel, wenn Eddy sagt: „Der Buchstabe der Wissenschaft erreicht die Menschen heute in reichem Maße, aber ihr Geist kommt nur allmählich.“ (S. 113)

Nun, ich sehe das, was wir als relative Aussagen bezeichnen, lieber als erklärend, nicht als Tatsachenaussage, sondern als das, was vor sich zu gehen scheint. Es wäre nicht mitfühlend, jenseits der Verständnisfähigkeit eines Menschen zu reden. Auch Jesus hat das nicht gemacht. Er hat in Gleichnissen gesprochen, weil die Menschen dies verstehen konnten. Aber es gab andere Zeiten, in denen er davon abgerückt ist und reine absolute Wahrheit ausgedrückt hat. Zum Beispiel in seinen Aussagen: „Ich und der Vater sind eins“, „Ehe Abraham wurde, bin ich“, „Wer mich sieht, der sieht den Vater.“ Was haben die Menschen getan? Sie haben ihn gesteinigt. Sie haben nicht verstanden, worüber er sprach.

Es ist also schlichtweg nicht weise oder liebevoll, jenseits des Verständnissen eines Menschen zu reden, und wir müssen diese Tatsache anerkennen. Ein Freund von mir pflegte zu sagen: „Denke radikal, aber rede weise und lebe liebevoll“, und ich denke, das ist ein sehr guter Grundsatz für das tägliche Leben.

Wenn wir uns Fragen stellen wie: „Was ist falsch?“ „Warum geschieht dies?“ „Wie kann ich es verbessern?“ — dann sind das eigentlich Fragen, die nicht beantwortet werden können, nicht wahr? Weil sie von „außerhalb“ gestellt werden, so wie Sie es gerade bezeichnet haben.

Ja, das ist so, als würden wir sagen: „Warum geht die Sonne im Osten auf und im Westen unter?“ Das tut sie nicht! „Warum werden die Dinge kleiner, wenn sie sich von uns entfernen?“ Das tun sie nicht!

Oder „Warum bin ich nicht geheilt? Es dauert so lange ...“

Der wahre Grund, warum jemand diese Frage stellt, liegt darin, dass er immer noch glaubt, er sei krank. Solange der Irrtum als etwas Wirkliches akzeptiert wird — als etwas, das wir überwinden müssen —, so lange sind wir nicht in der Lage, etwas daran zu ändern. Ich denke, wenn jemand an etwas arbeitet und Heilung sucht, muss er an den Punkt kommen, an dem er sagen kann: „Jetzt ist es mir egal, was die äußeren Anzeichen sagen. Ich verstehe, dass ich tatsächlich geistig und vollkommen bin, und ich kann diese falschen Anzeichen nicht mehr akzeptieren, weil sie nichts mit dem zu tun haben, was ich bin.“ Denn die Tatsache bleibt bestehen, dass in der ganzen Zeit, in der etwas in Unordnung zu sein scheint, tatsächlich alles vollkommen in Ordnung ist.

Wenn z. B. jemand durch eine Fensterscheibe schaut und es ist eine große Blase im Glas, dann scheint es, als sei das Objekt auf der anderen Seite verzerrt. Aber die Blase berührt das Objekt nicht, sie verändert es nicht — sie hat nichts mit dem Objekt zu tun. Um die Dinge also so zu sehen, wie sie sind, müssen wir aufhören, durch das verzerrte Glas zu schauen, eben weil es ein verzerrtes Bild zeigt. Wir müssen durch das klare Glas schauen.

Solange der Irrtum als etwas Wirkliches akzeptiert wird — als etwas, das wir überwinden müssen —, so lange sind wir nicht in der Lage, etwas daran zu ändern.

Und durch das klare Glas zu schauen bedeutet, die absoluten Wahrheiten darüber zu sehen, wer wir sind — nicht die relativen?

So ist es. Ich habe kürzlich viel über die folgende Aussage in Wissenschaft und Gesundheit nachgedacht: „Das Vertrauen, das die Wissenschaft einflößt, liegt in der Tatsache, dass Wahrheit wirklich und Irrtum unwirklich ist.“ (S. 368) Weiter hinten in dem Buch wiederholt Eddy die Aussage, nachdem sie die Unterschiede zwischen Wahrheit und Irrtum genau erklärt hat, und folgert: „Außerdem ist Wahrheit wirklich und Irrtum ist unwirklich. Diese letzte Aussage enthält den Punkt, den du äußerst widerwillig zugeben wirst, obwohl er insgesamt der wichtigste ist, den es zu verstehen gilt.“ (S. 466) Und ich stimme dem, dass es das Wichtigste ist, was wir verstehen müssen, deshalb zu, weil wir beraubt werden, bevor wir nicht die Wirklichkeit der Wahrheit erkennen — wir werden der Segnungen dieser Wahrheit beraubt. Und solange wir die Unwirklichkeit des Irrtums nicht verstehen, werden wir getäuscht — in die Irre geführt, indem wir ihn als wirklich anerkennen. Mit all seinen scheinbaren Wirkungen.

Was wir tun müssen, ist, in den vollkommenen Spiegel zu schauen, der von unserem Standpunkt aus natürlich die göttliche Wissenschaft ist, in der wir uns so sehen können, wie wir wirklich sind.

Da gibt es diese Frage im 1. Buch der Könige in der Bibel, die so direkt ist und die meiner Meinung nach genau das anspricht, worüber Sie reden: „Wie lange hinket ihr auf beiden Seiten?“ (1. Könige 18)

Ja, so ist es. Wir haben es immer mit dem momentanen Zustand unseres Denkens zu tun. Es kommt nicht darauf an, wie lange etwas zu dauern scheint. Es geht darum, was wir in diesem Augenblick denken und wissen. Unsere gegenwärtige Wahrnehmung der Wirklichkeit ist das, dessen wir uns in jedem einzelnen Augenblick bewusst sind. Also ist es entweder die Wirklichkeit, wie sie tatsächlich ist, oder eine begrenzte Wahrnehmung — eine falsche Vorstellung. Wenn wir also die falsche Vorstellung akzeptieren, ist das so, als würden wir vor einem Zerrspiegel stehen. Aber das bedeutet nicht, dass wir das verzerrte Bild geworden sind. Wir bleiben das, was wir tatsächlich sind und immer schon gewesen sind — der unmittelbare Ausdruck des vollkommenen Gemüts. Es ist also nutzlos, zu versuchen, etwas mit uns „zu tun“. Wir sind bereits in Ordnung.

Was wir tun müssen, ist, in den vollkommenen Spiegel zu schauen, der von unserem Standpunkt aus natürlich die göttliche Wissenschaft ist, in der wir uns so sehen können, wie wir wirklich sind. In Wissenschaft und Gesundheit steht: „Jesus sah in der Wissenschaft den vollkommenen Menschen, der ihm da erschien, wo den Sterblichen der sündige, sterbliche Mensch erscheint.“ Was dem sterblichen Menschen erschien, war das verzerrte Bild der materiellen Sinne — durch einen Zerrspiegel gesehen. „In diesem vollkommenen Menschen sah der Erlöser Gottes eigenes Gleichnis und diese korrekte Anschauung vom Menschen heilte die Kranken.“ (S. 476-477) Das ist also wahre Heilung in der Christlichen Wissenschaft — eigentlich geschieht nichts. Die Tatsache ist, dass alles Gemüt ist und Gemüt wirkt nicht auf etwas ein oder beherrscht etwas anderes, sondern es formt alles, was besteht — und es ist vollkommen. Und das vermittle ich immer dem Patienten — die Tatsache, dass alles, was bestehen kann — und jetzt besteht, — die Manifestation des vollkommenen Gemüts ist.

Und das ist Prinzip.

Ja, das ist Prinzip. Ich habe Prinzip immer gerne als das erklärt, „was ist und nicht anders kann, als zu sein“. Es wurde nie geschaffen. Es war schon immer so.

Das erinnert mich an noch etwas anderes, worüber ich vor kurzem nachgedacht habe. Das Wort Sein. Eines Abends kam ein Freund von mir mit in die Kirche — er wusste nichts über die Christliche Wissenschaft. Und als wir anschließend nach Hause gingen, sagte er: „Was ich am interessantesten fand, war das Wort Sein. Ich habe vorher nie darüber nachgedacht.“

Wie das Wort Gott kann auch das Wort Sein sehr abstrakt klingen. Aber statt sich von dem Wort abschrecken zu lassen, klingt es so, als fühlte Ihr Freund sich davon angesprochen.

Durch meinen Freund erkannte ich, wie grundlegend das Wort Sein in der Christlichen Wissenschaft ist — tatsächlich glaube ich, wenn „die wissenschaftliche Erklärung des Seins“ nicht das Herz und die Seele unserer Lehre wäre, hätte Eddy diese eine Aussage nicht ausgewählt, um am Ende jedes Sonntagsgottesdienstes gelesen zu werden. Nur durch richtige Identifikation können wir erleben, wer wir wirklich sind.

Das andere wichtige Wort in der „wissenschaftlichen Erklärung des Seins“ ist das Wort unendlich. Eddy hat nicht nur gesagt: „Alles ist Gemüt und seine Manifestation“, oder auch: „Alles ist unendliches Gemüt ist und seine Manifestation“, sondern „Alles ist unendliches Gemüt und seine unendliche Manifestation.“ (WuG, S. 468) Das ist so, weil es keine endliche oder begrenzte Manifestation des unendlichen Gemüts gibt. Und in einer ihrer Erklärungen von Sein schreibt sie: „... Sein ist Unendlichkeit, Freiheit, Harmonie und grenzenlose Seligkeit.“ (WuG, S. 481) Und es ist diese Erkenntnis der unendlichen Natur des Seins, die es uns ermöglicht, uns richtig zu identifizieren. Dadurch können wir sagen: „Wenn alles unendliches Gemüt ist und seine unendliche Manifestation — und ich als solche bestehe —, dann kann ich nur auf diese Weise bestehen.“

Also immer, wenn wir etwas sehen, das nicht mit Gott, Prinzip, in Einklang steht, glauben wir das, was das Fenster mit der Blase im Glas uns weismachen möchte — oder wir richten uns nach dem Bild des Zerrspiegels. Wir akzeptieren das, was zu sein scheint ...

So ist es. Wir wurden dazu erzogen, auf das zu achten, was wir zu sein scheinen, ohne unbedingt zu wissen, was wir wirklich sind. Durch diesen Erziehungsprozess werden wir also dazu geführt zu glauben, dass bestimmte Dinge wirklich sind, die eigentlich überhaupt nicht wirklich sind. Deshalb haben wir wechselnden Erfolg mit diesem Unterfangen. Aber wenn wir erkennen können, dass wir nicht das sind, was wir zu sein scheinen — das heißt, dass wir keine körperlichen Sterblichen mit einem darin eingeschlossenen Gemüt sind, mit einem physischen Körper, dem es mal gut gehen kann und der ein andermal krank sein kann, und dieses Gemüt kann mal gut und mal schlecht sein — wenn wir uns auf diese Weise identifizieren, wird unsere Erfahrung eine Mischung aus Gutem und Bösem, aus Gesundheit und Krankheit sein.

Aber wenn wir erkennen können, dass unsere wahre Identität etwas anderes als Materie ist, nun, dann müssen wir diese widersprüchlichen Dinge nicht erleben. Wir erleben unendliches Sein. Je mehr wir aus der Unendlichkeit des Guten heraus denken, desto weniger Mangel an Gutem erleben wir. Indem wir erkennen, was wir wirklich sind, sorgen wir am besten für das, was wir zu sein scheinen.

Also geht es nicht darum, diese anerzogenen Schichten abzulegen, nicht wahr, Mr. Millar? Es geht darum, bereit zu sein, dieses ganze Konzept eines geteilten Lebens aufzugeben — eines geteilten Irgendwas.

Den falschen Sinn abzulegen, der so wirklich zu sein scheint. Das bedeutet unser Konzept der Wirklichkeit zu verändern — von dem, was zu sein scheint, aber nicht wirklich ist, — zu dem, was tatsächlich wahr ist.

Selen wir doch mal ehrlich, das ist eine ziemlich kühne Art zu denken, nicht wahr?

Ohne Zweifel ist es kühn — es ist revolutionär. Meiner Meinung nach ist Christliche Wissenschaft ganz und gar einzigartig in ihren Lehren. Sie werden die Definitionen der Natur von Gott und Mensch, die in Wissenschaft und Gesundheit stehen, nirgends anders finden als in den Schriften Eddys.

Wenn wir die wissenschaftliche Idee vom Menschen, die wissenschaftliche Definition vom Menschen, betrachten, verstehen wir „Mensch“ dann besser, wenn wir all dies als einzigartig über die Menschheit — über Mann, Frau und Kind — sehen?

Ganz bestimmt. Die menschliche Identifikation ist eine begrenzte Auffassung vom Menschen. Wir müssen einfach über diese alten Konzepte hinausgehen, die in der Wissenschaft keinen Platz haben. Diese falsche Auffassung, dass der Mann nur ein Teil der Schöpfung sei und die Frau ein Teil der Schöpfung, und wenn sie dann zusammen kommen, sie beide vollständig werden, vielleicht aber auch nicht, also müssen sie noch ein Kind haben. Das ist eine Auffassung von Unvollkommenheit — aber Vollkommenheit können wir nur finden, wenn wir anerkennen, dass das göttliche Prinzip unser gesamtes Leben ist.

Ich hatte einen Freund, der war Zoologe und er hatte eine Spinne entdeckt, die man für ausgestorben gehalten hatte. Naja, für mich war diese Spinne ein unbedeutendes kleines braunes Ding ohne sonderliche Bedeutung. Mein Freund brachte mir Arbeiten über diese bestimmte Spezies, damit ich sie aus dem Deutschen übersetze, und jedes Mal, wenn er kam, war er ganz aufgeregt, weil er etwas Neues über die Spinne herausfand. Und eines Tages sagte ich zu ihm: „Ich versteh gar nicht, warum du wegen dieser kleinen, unbedeutenden Kreatur so aufgeregt bist.“ Und er sagte: „Komm mal her.“ Und er hatte eine dieser Spinnen unter dem Mikroskop liegen. Er sagte: „Schau mal hin“ — und das tat ich. Nun, was war das für eine Verwandlung! Anstelle des kleinen, braunen Etwas war da ein wunderschönes, schillerndes, glänzendes Geschöpf — ganz außerordentlich in jedem Detail. Es war, als sei die physische Spinne völlig verwandelt in etwas ganz anderes. Plötzlich konnte ich verstehen, was ihn so fesselte.

Nun, das war natürlich ein materielles Beispiel, aber es zeigt, wie ich durch die Begrenzung der materiellen Sinne hindurchgeschaut hatte, so dass ich eine andere Spinne sah, als ich durch das Mikroskop meines Freundes blickte.

Eddys bemerkenswerte Aussage hebt es ganz aus dem materiellen Bereich heraus: „Und wie wird doch der Mensch, durch die Linse des Geistes betrachtet, vergrößert, wie hält sein Ursprung dem Staub das Gegengewicht, und wie drängt er hin zu seinem Urbild, niemals vom Geist getrennt!“ (Erste Kirche und Verschiedenes, S. 129)

Da ist entweder der Mensch durch die Linse des Geistes betrachtet, von dem Standpunkt der Wahrheit aus gesehen — sein wahres Sein — oder durch die Begrenzungen der materiellen Sinne gesehen.

Mit diesem Gleichnis, Mr. Millar, mit der begrenzten Auffassung von der Spinne — angenommen, wir hätten es mit einer begrenzten Sicht einer Person — einer menschlichen Persönlichkeit — zu tun. Es fühlt sich in der Christlichen Wissenschaft oft so an, als würden wir versuchen, einer menschlichen Persönlichkeit, einem „menschlichen Menschen“, geistige Eigenschaften anzulegen.

Die Art, wie wir uns identifizieren, bestimmt, was wir erleben. Wenn wir uns also nur als das identifizieren, was wir zu sein scheinen, dann werden wir all die Begrenzungen erleben, die dieser endliche, materielle Sinn mit sich bringt.

Das tun wir. Und deshalb ist die Aussage, die ich vorhin zitiert habe, so grundlegend wichtig, um die göttliche Wissenschaft zu verstehen: „Jesus sah in der Wissenschaft den vollkommenen Menschen“. Jesus sah nicht in Personen den vollkommenen Menschen, sondern er sah die wissenschaftliche Natur des Menschen.

Nun, die Christliche Wissenschaft verspricht den Sterblichen sehr wenig, eigentlich gar nichts. Aber sie verheißt dem Menschen alles, dem Bild und Gleichnis oder dem direkten Ausdruck des Gemüts — dieser Einheit von Prinzip und Idee.

Gott, Prinzip, zerteilt nie etwas. Weil Gott eins ist. Er versteht sich selbst nicht falsch, Prinzip ist nicht widerstreitend. Keines von diesen widersprüchlichen Dingen, die menschliche Beziehungen zu stören scheinen. Es gibt nur einen Gott und einen Menschen.

Wer Eddys Erklärung des Menschen in Wissenschaft und Gesundheit liest, könnte sagen: „Wie, Moment mal — der Mensch besteht ‚nicht aus Gehirn, Blut, Knochen und andern materiellen Elementen‘? (WuG, S. 475) Doch, natürlich tut er das!“ Aber das erscheint nur so.

Die Art, wie wir uns identifizieren, bestimmt, was wir erleben. Wenn wir uns also nur als das identifizieren, was wir zu sein scheinen, dann werden wir all die Begrenzungen erleben, die dieser endliche, materielle Sinn mit sich bringt. Aber wenn wir uns auf die Weise identifizieren, in der die Christliche Wissenschaft den Menschen definiert, als den „unendlichen Ausdruck des unendlichen Gemüts“ (WuG, S. 336), nun, dann stellen wir fest, dass unsere Erfahrung völlig anders ist. Die Begrenzungen fallen weg und die falschen Vorstellungen stören unser Leben nicht mehr.

Alles ist ein Zustand des Denkens. Und die Tatsache ist, dass das, dessen wir in uns in jedem einzelnen Augenblick bewusst sind, unsere momentane Auffassung von Wirklichkeit ist. Wir sind alle fähig, unsere Auffassung von Wirklichkeit zu verbessern, bis sie statt nur der Wirklichkeit nahezukommen die Wirklichkeit selbst ist.

Und dann bewegen wir uns von der relativen Auffassung davon, was wir sind, zur absoluten?

Ja. Ich erinnere mich an eine Heilung, die sich mir so deutlich als das Ergebnis des Erkennens — des Anerkennens — der unveränderlichen Vollkommenheit des Geistes zeigt. Nachdem ich in einem stürmischen Meer schwimmen gewesen war, hatte ich Wasser und Sand in einem Ohr und es hatte sich irgendwie infiziert. Es war heftig entzündet und schmerzhaft und ich konnte auf dem Ohr nichts mehr hören. Als ich darüber betete, wurde es immer schlimmer, und ich dachte: „Jetzt muss etwas geschehen.“ Und als ich das dachte, erkannte ich, dass ich darauf gewartet hatte, dass etwas passiert. Ich gedacht, dass etwas gelöst werden müsste oder etwas in dem Ohr passieren müsste, bevor ich ganz frei sein könnte. Aber plötzlich erkannte ich, wenn alles Gemüt, Geist, ist, dann wirkt nicht etwas auf etwas ein oder kontrolliert etwas oder heilt etwas, weil Gemüt alles erzeugt, was besteht — und es ist vollkommen. Und von einem Moment auf den andern war ich frei — die Entzündung, der Schmerz und die Taubheit waren völlig verschwunden. Nichts war geschehen. Nichts löste sich, ich war augenblicklich frei. Damit war es vorbei. Wie ich schon sagte, indem wir wissen, was wirklich ist, sorgen wir am besten für das, was zu sein scheint.

Als ich vor kurzem einen Patienten erstmalig besuchte, führte dieselbe Erkenntnis — die gegenwärtige Wahrnehmung dessen, was bereits ist — zur augenblicklichen Heilung eines Rückenproblems, das den Patienten über Jahre hinweg nahezu ans Haus gefesselt hatte.

Diese Erkenntnisse, was wirklich ist, ordnen also diese seltsamen, störenden Dinge, die in unserem Leben zu geschehen scheinen. Und wir erleben echte Freiheit.

Und das ist das wahre Sein, nicht wahr?

Das ist das wahre Sein. Die Erkenntnis dessen, was wirklich ist, anstatt zu versuchen, etwas durch diesen oder jenen Gedanken in Ordnung zu bringen. Es war nur eine Anerkennung der Dinge, wie sie wirklich sind. Und das versorgte die ganze Situation. Kein Prozess.

Wenn man Ihnen so zuhört, Mr. Millar, klingt es so, als würden wir es uns manchmal ganz schön schwer machen. Ich meine, es ist so eine Befreiung, so eine Entlastung — ja, so ein Privileg — sich völlig mit Gemüt, mit Prinzip, zu identifizieren. So wie Sie sagen, vom Prinzip aus arbeiten, nicht zum Prinzip hin. Prinzip lässt sich nie von der Blase im Glas täuschen.

Auf dieselbe Weise, wie wir erkennen, dass es eine Illusion ist, dass die Erde am Horizont auf den Himmel trifft oder Dinge kleiner werden, wenn sie sich von uns entfernen — es scheint nur so.

Ich liebe den Absatz in Wissenschaft und Gesundheit: „Wenn wir von einem höheren Standpunkt ausgehen, erheben wir uns spontan, so wie Licht mühelos Licht ausstrahlt;“ (WuG, S. 262).

Wenn wir vom Prinzip aus arbeiten — von dem höheren Standpunkt aus —, dann versuchen wir nicht mehr, geistige Wahrheiten auf unsere falschen Vorstellungen anzuwenden. Dann leben wir als Christus Wissenschaft.

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