„Dem sterblichen Sinn erscheint die Wissenschaft zunächst undeutlich, abstrakt und dunkel“, schreibt Mary Baker Eddy in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, „aber eine leuchtende Verheißung krönt ihre Stirn. Wenn sie verstanden wird, ist sie der Wahrheit Prisma und Lobpreis. Wenn du ihr offen ins Antlitz schaust, kannst du mit ihrer Hilfe heilen, und sie hat ein Licht für dich, das heller ist als die Sonne, denn Gott ist ‚ihre Leuchte‘“ (S. 558).
Als Schüler in der Sonntagsschule fühlte ich mich oft ein wenig schwer von Begriff. Trotz aller Bemühungen meiner Lehrer konnte ich einige scheinbar abstrakte Konzepte über Gott und Lehren von Christus Jesus nur schwer verstehen. Ich spürte, dass die Christliche Wissenschaft die schöne Verheißung einer vollkommenen, harmonischen Existenz enthält, doch sie schien mir immer unklar und vage, wie ein heller, aber bewölkter Tag. Es gab sichtbare Beweise des Lichts: wundervolle Heilungsberichte in der Kirche, Geschichten über Gottes umwandelnde Macht, die die anderen Sonntagsschüler und ich in der Bibel lasen, und auch eigene Heilungen, doch ein vollständiges Verständnis von der Quelle dieser umwandelnden Macht entging mir.
Im Sommer nach meinem dritten Jahr im College beschloss ich, mit all den Fragen auf dem Herzen Klassenunterricht in der Christlichen Wissenschaft zu nehmen. Man könnte diesen Unterricht als „College der Christlichen Wissenschaft“ bezeichnen, denn der für den Klassenunterricht zuständige Unterrichtsrat ist die moderne Form des 1881 von Mrs. Eddy eröffneten Massachusetts Metaphysical College (siehe Wissenschaft und Gesundheit, S. xi–xii und Handbuch der Mutterkirche von Mary Baker Eddy, S. 88–92).
Man kann die Christliche Wissenschaft nur völlig verstehen, wenn man sie beweist.
Dieser zwölftägige Kurs im Frage-und-Antwort-Format, der sich auf das Kapitel „Zusammenfassung“ von Wissenschaft und Gesundheit gründet, öffnete mir die Augen. Danach konnte ich „in den Schriften“ suchen (siehe Johannes 5:39), also unserem Pastor Fragen stellen und echte, praktische Antworten finden (Mrs. Eddy hat die Bibel und Wissenschaft und Gesundheit zu unserem Pastor ordiniert). Mir wurde die Christliche Wissenschaft zu dem Prisma, von dem Mrs. Eddy spricht. Das vage Verständnis von Gottes Güte, das ich in früheren Jahren gehabt hatte, wurde durch ein klareres Konzept von Ihm ersetzt.
Als ich das Prisma der Wissenschaft auf die Bibel anwandte, offenbarte es mir systematisch Gottes Wesen in seinen Grundelementen, genau wie ein gegen weißes Licht gehaltenes Prisma die Lichtstrahlen in ihre einzelnen Farben zerteilt und das weiße Licht besser verständlich macht. Bibelgeschichten sind wie Fallstudien, die zeigen, wie das Prinzip der göttlichen Gesetze – das, was wir Gott, das Gute, nennen – auf jeden Aspekt des menschlichen Lebens angewandt werden kann. Gleichnisse, Prophezeiungen und Geschichten illustrieren die verschiedenen Aspekte von Gottes Wesen und zeigen uns, wie wir sie beweisen können – wie eine Gebrauchsanweisung für die Demonstration der Wissenschaft des Christentums. In der Sonntagsschule wollte ich Antworten und Erklärungen, wie alles funktioniert. Nach dem Klassenunterricht begriff ich, dass man die Christliche Wissenschaft nur völlig verstehen kann, wenn man sie beweist.
Meine Dankbarkeit für die praktische Anwendung des Christentums in Mary Baker Eddys Leben nahm nach dem Klassenunterricht noch weiter zu. Als ich die Geschichte unserer Bewegung studierte, erkannte ich, dass die Christliche Wissenschaft ein Ergebnis von Mrs. Eddys einzigartiger Liebe für die Bibel und ihrem unersetzlichen Platz als Führerin der Kirche Christi, Wissenschaftler ist. Plötzlich nahm die Bibel einen zentralen und wichtigen Platz in meiner eigenen Praxis ein, und ich konnte kaum glauben, dass ich sie je verwirrend oder abstrakt gefunden hatte. Dank der Christlichen Wissenschaft ist sie ein offenes Buch. Nach dem Klassenunterricht fuhr ich nach Hause, bereit, das Gelernte anzuwenden.
Während meines letzten Jahres am College hatte ich das Verlangen, über meinen richtigen Platz zu beten – eine Wortwahl, die wir in der Christlichen Wissenschaft benutzen, um auszudrücken, dass unser Leben einen gottgegebenen höheren Sinn und Zweck hat. Der Klassenunterricht hatte mich mit einer erweiterten Sichtweise von Gott und dem Universum bekanntgemacht. Dort in meinem kleinen College zu sein gab mir das Gefühl, das Wichtigste zu verpassen. Ich wusste, wenn ich wirklich, wahrlich an meinem rechten Platz wäre, dann würden „alle Dinge zum Besten dienen“, wie uns die Bibel verheißt (Römer 8:28). Ich betete ernsthaft darum, das schleichende Gefühl der Unzufriedenheit und Ungeduld mit meinem Studentendasein loszuwerden und ein klareres Verständnis von dem Sinn meines Studiums zu erlangen, denn ich wusste, dass es richtig war, das College abzuschließen.
Gebet ist weder positives Denken noch eine Bitte um göttliche Intervention.
Doch ich hatte immer noch das Gefühl, woanders hinzugehören. Einige Monate vergingen. Ich stellte mir vor, dass sich eine Blume ganz früh im Frühling genauso fühlen musste. Äußerlich hatte sich wenig geändert, doch innerlich fand eine enorme Vorbereitung statt. Ich ließ alle meine hingebungsvollen Gebete in diese Knospe einer Idee einfließen, ohne eine Vorstellung davon zu haben, wie die Blüte aussehen würde.
Als meine Gebete schließlich „erblühten“, passierte es über Nacht. Mir wurde sehr kurzfristig ein Praktikum angeboten, das gut ein Jahr dauern sollte. Das bedeutete allerdings, dass ich das Studium so lange unterbrechen musste. Ich würde nicht wie vorgesehen fertig sein, sondern im folgenden Jahr zurückkehren, um mein letztes Semester zu absolvieren.
Ich musste mich am folgenden Tag entscheiden und konnte schnell erkennen, dass diese Gelegenheit das offensichtliche Ergebnis meiner Gebete war. Es gab viel zu klären, unter anderem die Erlaubnis vom College, die Finanzierung, eine Unterkunft, den Umzug – Schritte, die normalerweise über Wochen geplant werden.
Doch das tiefe Verlangen nach meinem „rechten Platz“, das über Monate in meine täglichen Gebete eingeflossen war, hatte mich genau auf diesen Augenblick vorbereitet. Innerhalb weniger Tage hatte ich eine Unterkunft, die Genehmigung vom College, einen akademischen Sponsor für das Praktikum und einen Plan, die meisten Kosten mithilfe eines zweiten Jobs (nach einer Starthilfe von meinen Eltern) selbst zu tragen. Immer wenn eine Hürde aufkam, zeigte sich fast gleichzeitig auch die Lösung.
Nachdem alle diese Hürden genommen waren, kam ich mit Sack und Pack in meiner neuen Wohnung an. Beim Auspacken merkte ich, dass ich keine Bügel hatte. Einer der Mitbewohner sagte mir, dass es einige in einem Schrank im Flur gab, und es stellte sich heraus, dass dort genügend für mich waren. Gott hatte für jede Einzelheit gesorgt – einschließlich Bügel.
Das ist die Macht des Gebets in der Christlichen Wissenschaft. Es hat nichts Abstraktes an sich, sondern lehrt uns, wie man Gottes unveränderliche Gesetze auf konkrete Situationen anwendet und diese Situationen dann konkret heilt. Und zwar bis hin zu den nötigen Bügeln.
Ich weiß natürlich, dass diese Bügel nicht wie durch ein Wunder erschienen waren. Sie hingen im Schrank, bevor ich dort ankam. Auch die Lösungen für meine anderen Bedürfnisse – Unterkunft, Einkommen, Sponsor und Zweck – waren alle vorhanden, bevor ich nach ihnen verlangte. Es geht nicht darum, dass ich diese Dinge erhielt, sondern dass die Lösungen für alle meine Bedürfnisse vorhanden waren, bevor ich sie brauchte, und mir verfügbar gemacht wurden, als ich ein besseres Verständnis von Gott erhielt und begriff, wie dieses Verständnis konkret auf mein Leben angewandt werden kann.
Noch nie hat jemand, der Armut erlebt, gesagt: „Ich habe zwar kein Geld, bin aber sehr froh über das Konzept des Reichtums in der Welt.“ Noch nie hat ein kranker Mensch auch nur halbherzig gesagt: „Wie froh bin ich doch, dass irgendwo das Konzept der Gesundheit existiert.“ Solch eine Denkweise löst keine Probleme.
Gott versorgt uns individuell.
Gebet ist weder positives Denken noch eine Bitte um göttliche Intervention. Echtes, wissenschaftliches Gebet bestätigt, dass Gott der Versorger ist und dass wir die Versorgung entgegennehmen. Gebet bittet Ihn nicht um mehr als Er uns bereits gibt. Es ist ein tiefes Sehnen danach, Ihm näherzukommen, so wie eine Blume sich der Sonne zuwendet.
Als ich durch Gebet und Studium mehr über Gott lernte, konnte ich nicht anders als Ihn mehr lieben. Darum geht es bei Gebet – mehr über Gottes unendliche Güte lernen, Gott näherkommen, Ihn und Seine Schöpfung mehr lieben, als vor Beginn des Betens. Lied Nr. 224 (John Ryland, Liederbuch der Christlichen Wissenschaft, Adaption und Übersetzung © CSBD) drückt es so aus:
Der mir den Himmel sichert, gibt
schon alles Gute hier.
Unendlich reich Er, der mich liebt,
was kann je mangeln mir?
O Gott, ich werfe heut auf Dich
all’ Sorge und Beschwer,
gelobe, Dich zu lieben, Gott,
ja, lieben mehr und mehr.
Ich erkannte meinen Platz in Gottes Schöpfung als Widerspiegelung Gottes, als Sein Kind. Dieses Umdenken manifestierte sich in Lösungen für die Probleme in meinem Leben.
Jesus sagte seinen Jüngern, dass alle Haare auf ihrem Kopf gezählt seien, und illustrierte so Gottes Fürsorge für jeden von uns einzeln und spezifisch. Und doch sagt Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit: „Liebe ist unparteiisch und universal in ihrer Anwendbarkeit und in ihren Gaben“ (S. 13). Diese beiden Aspekte schließen einander nicht aus. Liebe ist unparteiisch und universal, doch versorgt Gott auch jeden von uns individuell. Die Christliche Wissenschaft erklärt, dass jeder überall zu jeder Zeit Zugang zu dem unveränderlichen Prinzip, Liebe, hat und die Macht und Gegenwart Gottes in seinem Leben demonstrieren kann – und Gott wird jeden Bedarf individuell decken.
Gott ist nicht ein allgemeines Wohlwollen, das vage und diffus „Licht“ oder Gutes aussendet. Das Prisma der Wissenschaft lehrt uns die Natur Gottes als unendliches Gemüt – und wie dieser liebevolle Schöpfer jeden von uns individuell als seine eigene Idee kennt. Und wenn wir dieser Wissenschaft offen ins Antlitz schauen, wie Mrs. Eddy schreibt, können wir mit ihrer Hilfe heilen.
Gottes Licht definiert uns, und wir spiegeln die Schattierungen und Töne des Guten wider, das wir in unserem Leben ausdrücken können. Gottes Licht führt uns vom Abstrakten zur konkreten Erfüllung aller Seiner Verheißungen und deckt jeden Bedarf.