Wenn ich mir am Tag Zeit für Gebet und geistiges Studium nehme, denke ich oft an die verschiedenen Wege, wie mein Denken auf die Christliche Wissenschaft vorbereitet wurde.
Während meines weiterführenden Studiums vor vielen Jahren trug sich so eine Begebenheit zu. Als Mutter von drei kleinen Kindern stand ich unter enormem Druck, die Familie und den Haushalt zu versorgen und die Anforderungen meines Studiums zu erfüllen: „Was habe ich mir nur dabei gedacht, Vollzeit zu studieren und drei Kinder großzuziehen? Wem will ich etwas vormachen?“ Und doch hatte ich finanzielle Unterstützung für das Studium erhalten, also dachte ich, dass es Gottes Wille sein müsse, den Studiengang zu absolvieren.
Als ich an einem Tag von der Uni zur S-Bahn ging, war ich besonders niedergeschlagen. Vor dem Eingang zum Bahnhof bemerkte ich etwas auf dem Bürgersteig. Ich bückte mich, um genauer hinzuschauen, und stellte fest, dass es ein Monarchfalter war – ein großer Schmetterling. Ein Flügel schien an einer klebrigen Masse auf dem Boden festzustecken. Sehr vorsichtig hob ich den zarten Flügel an, ohne auch nur Luft zu holen, um ihn ja nicht zu beschädigen. Und siehe da, die prächtigen Flügel des Schmetterlings flatterten wieder und er hob vom Boden ab. Dann flog er davon.
Auf dem Heimweg war ich richtig von Freude erfüllt und von den beengenden Gedanken befreit, die mich betrübt hatten. Es fühlte sich fast an wie eine Auferstehung – die des Schmetterlings und meine eigene.
Wenn ich zurückdenke, erscheint mir diese Erfahrung wie ein Hinweis auf die größere Freiheit, die ich fand, als ich direkt nach dem Studium mit der Christlichen Wissenschaft bekanntgemacht wurde. Bis dahin hatte ich mich mehrere Jahre lang gefangen gefühlt, festgefahren in einem Kreislauf aus Ängsten und Zweifeln, scheinbar unfähig, der Tyrannei der Vorstellung zu entfliehen, dass mein Leben beschränkt war – durch mangelnde Zeit, Finanzen und Intelligenz −, was zu der Meinung führte, den akademischen Anforderungen nicht gewachsen zu sein. Der Glaube, dass Erfolg von uns selbst und unseren persönlichen Talenten abhing, war eine schreckliche Bürde. Hiobs Erkenntnis: „Er vollendet, was für mich bestimmt ist“ (Hiob 23:14) hatte mich noch nicht erreicht, und ich fühlte mich noch nicht zu einem höheren Ziel berufen.
An diesem Tiefpunkt meines Lebens begegnete ich innerhalb kurzer Zeit mehreren Menschen, die durch die Christliche Wissenschaft berührt und umgewandelt worden waren. Aus Neugier besuchte ich eines Sonntags den Gottesdienst einer Kirche Christi, Wissenschaftler. Zu meiner Überraschung erlitt ich einen völligen Kulturschock. Ein halbes Jahr lang blieb ich weg, denn die Gottesdienste hatten nichts mit den gewohnten hochformellen Liturgien zu tun, die ich sonst kannte. Doch zwei Zitate an der Wand hinter den beiden Lesern hatten mich beeindruckt: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. – Christus Jesus“ und „Die göttliche Liebe hat immer jeden menschlichen Bedarf gestillt und wird ihn immer stillen. – Mary Baker Eddy“ (Johannes 8:32 und Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 494). Über die erste Aussage hatte ich noch nie weiter nachgedacht, und die zweite von der Entdeckerin der Christlichen Wissenschaft hatte ich weder jemals gesehen noch deren Implikationen in Betracht gezogen. Auch ahnte ich nicht, wie wichtig diese beiden Sätze einmal für mich sein würden.
Kurz darauf besuchte ich den Leseraum der Christlichen Wissenschaft am Ort und lieh mir eine Biografie von Mary Baker Eddy aus. Ich wollte wissen, was sie dazu inspiriert hatte, Wissenschaft und Gesundheit zu schreiben und eine Kirche zu gründen. Eine neue Freundin, deren Leben sich durch das Studium der Christlichen Wissenschaft radikal verändert hatte, zeigte mir, wie man die wöchentlichen Bibellektionen aus dem Vierteljahresheft der Christlichen Wissenschaft studiert.
Mehrere Monate später ging ich zurück zu der Zweigkirche, diesmal zu einer Zeugnisversammlung am Mittwochabend. Ich hatte keine Ahnung, dass es ein Forum gab, in dem Leute von ihren Erfahrungen mit dem geistigen Heilen berichten konnten! Ich wollte auch Heilungen und einen Ort haben, wo ich davon berichten konnte. Nun nahm mein Leben einen friedvolleren Ton an und ich besuchte wieder einen Sonntagsgottesdienst. Ich war jetzt mit den Bibellektionen vertraut und der Gottesdienst kam mir nicht mehr so fremd vor.
Als meine Tochter ins Collegealter kam, ermunterte ich sie, sich da zu bewerben, wohin Gott sie führte, und versicherte ihr, dass wir die nötigen Mittel für die Kosten finden würden. Das tat sie, und wir hatten auch tatsächlich das Geld zur Verfügung. Früher hätte ich aus Angst strenge Auflagen für eine Bewerbung am College erteilt. Doch als ich mit dem Gedanken betete, dass Gott die Quelle unserer Versorgung ist und uns jederzeit die Ideen eingibt, die wir brauchen, fand ich die nötige Zuversicht, genau wie Abraham, als der Herr ihm befahl, sein Heim zu verlassen und an einen Ort zu gehen, den Gott ihm zeigen würde (siehe 1. Mose 12:1 und Hebräer 11:8).
Im dritten Studienjahr hatte meine Tochter eine wundervolle Erfahrung, die uns zeigte, wie sehr es sich lohnt, Gott vorbehaltlos zu vertrauen. Es ergab sich die Gelegenheit für ein Auslandsjahr. Doch wegen der hohen Reisekosten erkannten wir, dass sie erst im folgenden Juni in die USA würde zurückkehren können, wenn sie im September abflog. Einige Wochen vor Weihnachten rief sie mich weinend an und sagte, dass die Studenten während der zweiwöchigen Weihnachtspause den Campus räumen müssten. Das brachte erhebliche Kosten mit sich, die wir nicht eingeplant hatten. Sie fürchtete, dass sie nun ihren Rückflug nehmen müsse und dann nicht in der Lage sei, das zweite Semester im Ausland zu verbringen.
Da ich gelernt hatte, dass die göttliche Liebe immer jeden menschlichen Bedarf gestillt hat und auch immer stillen wird, konnte ich nun die Früchte dieser Verheißung erleben. Am selben Tag hatten die Lehrer an meiner Schule erfahren, dass ein anonymer Spender allen einen Weihnachtsbonus zahlen werde. Was für ein Zeichen für eine Lösung, bevor sie überhaupt benötigt war! Voller Freude konnte ich meiner Tochter mitteilen, dass ich in der Lage war, ihr Geld zu schicken. Es war genau der Betrag, den sie brauchte, um die Weihnachtspause zu überbrücken. Die göttliche Liebe stillte wirklich unseren Bedarf – und genau zum richtigen Zeitpunkt!
Wenn ich an dieses und so viele andere Beispiele von Gottes Fürsorge in meinem Leben zurückdenke, drücke ich immer meine immense Dankbarkeit für das Gute aus, das ich erfahren habe. Dann wird mir erneut bewusst, dass die Wahrheit uns wie von Christus Jesus verheißen frei macht. Diese Wahrheit ist die Klarheit, dass das Wesen des Menschen geistig, göttlich und von jedem Glauben an die Sterblichkeit frei ist, wie die Christliche Wissenschaft erklärt. Die Erkenntnis, dass jeder von uns als Gottes Widerspiegelung unbegrenzte Ressourcen und Fähigkeiten besitzt, befreit uns von den limitierenden Annahmen der sterblichen Sinne, die uns am Boden „festkleben“ wollen. Dann sind wir fähig, unsere gottgegebene Freiheit zum Ausdruck zu bringen. Und wie der Schmetterling können wir fliegen!
Nancy Christopher