Selbst wenn ein Mensch das Konzept von Gott als unendliche Liebe (ein Konzept, das ich aufgrund meines lebenslangen Studiums der Christlichen Wissenschaft sehr liebe) vollständig akzeptiert hat, mag es ihm dennoch schwerfallen, nicht auf verbreitete, inkorrekte Sichtweisen über die Wut und Strafe Gottes hereinzufallen. Dieses irrige Denken über Gott kann sich als etwas einschleichen, das auf den ersten Blick harmlos klingt: „Du hast einen Fehler gemacht und musst jetzt dafür bezahlen.“
Hinter den Gefühlen von Vorwurf, Schuld und Strafe stecken häufig religiöse Überzeugungen vom Menschen als schwach, zu Fehlern neigend und leicht in Versuchung geführt. Mary Baker Eddy, die Entdeckerin der Christlichen Wissenschaft, nennt diese Überzeugung in ihren Schriften „scholastische Theologie“. Scholastische Theologie umfasst in der Regel einen Gott, dessen Schöpfung Gutes und Böses beinhaltet und der uns Prüfungen auferlegt, um zu sehen, ob wir den Anziehungskräften des Bösen widerstehen können. Wir müssen die damit verbundenen Überzeugungen erkennen und im Gebet handhaben, damit sie unserem geistigen Wachstum und Fortschritt nicht im Weg stehen.
Das dritte Kapitel der Genesis in der Bibel verdeutlicht dies. Es gibt die erste Unordnung wieder, als Eva im Garten Eden das Gebot von Gott dem Herrn übertritt und vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen isst. Dann gibt sie die Frucht an Adam weiter, der ebenfalls davon isst. Daraufhin erkennen die beiden, dass sie nackt sind, und schämen sich. Als Gott der Herr sie fragt, was sie getan haben, gibt Adam Eva die Schuld. Eva nimmt die Schuld auf sich, doch beide werden zur Strafe aus dem Garten vertrieben.
Obwohl viele Menschen die Geschichte von Adam und Eva als einen wahren Bericht über den Anfang der Schöpfung verstehen, gibt es etliche wissenschaftliche Hinweise darauf, dass sie als lehrreiche Allegorie gedacht war. Sie wird dem Bericht in 1. Mose 1 gegenübergestellt, aus dem Gottes vollständig geistige Schöpfung hervorgeht, in der der Mensch weder Fehler machen noch Strafen erleiden kann, da Gott alles „sehr gut“ erschaffen hat. In der göttlichen Schöpfung ist nichts Böses enthalten. Das erste Kapitel der Genesis bildet die Grundlage der Christlichen Wissenschaft.
Ein weiteres Beispiel scholastischer Theologie fußt auf dem beliebten Konzept des „naturwissenschaftlichen Materialismus“, der erklärt, dass nichts außer dem Physischen existieren kann. Naturwissenschaftlicher Materialismus weist die Tatsächlichkeit der Geschichte von Adam und Eva zurück, nicht jedoch die Vorstellung von einer dualistischen Schöpfung, die sich aus Gut und Böse zusammensetzt. Und obwohl er auf den ersten Blick einer herkömmlichen religiösen Sicht entgegengesetzt zu sein scheint, sind sich die beiden in Wirklichkeit ähnlich. Beide beruhen auf einem Konzept vom Menschen als aus fehlerhafter Materie und Endlichkeit bestehend.
Ja, Endlichkeit ist die Grundlage dieser Theorie vom Leben in der Materie, bei der die Schöpfung das Produkt materieller Fortpflanzung ist. Sie nimmt die Vorstellung von Unvollkommenheit an und ist somit bestrebt, eine Ethik zu lehren, die auf menschlichen Standards aufbaut und Fehler zulässt, während sie gleichzeitig darum ringt, eine angemessene Möglichkeit zu finden, gefährliches und schädliches Verhalten zu bestrafen und zu korrigieren.
Die machtvolle, zärtlich erlösende Liebe Gottes, der unendlichen Liebe, fehlt jedoch gänzlich in dieser Lehre. Fehler zu machen ist eine Strafe in sich; wenn wir Schuld oder Vorwürfe bemerken, können wir sie augenblicklich als nicht mit uns verbunden und nicht auf die wahre Natur des Menschen zutreffend erkennen – als etwas, das uns von der scholastischen Theologie aufgezwungen wurde, die fälschlich lehrt, wir sollten an einen strafenden Gott oder eine gottlose Endlichkeit glauben. Geistiges Wachstum hilft uns, alle Ansichten über uns und andere als Gott unähnlich loszulassen.
Bedeutet das, dass Fehler akzeptabel sind oder schöngeredet werden können? Auf keinen Fall. Wir berichtigen Fehler, indem wir menschlichen Willen loslassen und uns der erlösenden Macht Gottes, der Liebe, zuwenden. Und dies berichtigt nicht nur irriges oder falsches Verhalten, sondern segnet alle und kommt allen zugute.
Vor Jahren versprach ich unseren Kindern einmal, mit ihnen in eine Tierhandlung zu gehen, um ein Kätzchen zu finden. Sie freuten sich sehr darauf, doch die Tierhandlung hatte keine Kätzchen, sondern nur einen jungen Hund. Obwohl ich es angesichts unserer Wohn- und Familiensituation besser wusste, ließ ich mich überreden, den Hund mitzunehmen. Es zeigte sich schnell, dass das ein Fehler war. Der Hund rannte unser kleinstes Kind immer wieder um, knabberte alles an und rannte weg, sobald jemand die Tür aufmachte. Es schien unmöglich, die Zeit und Mittel zu finden, um uns angemessen um diesen jungen Hund zu kümmern.
Da ich, wenn ich etwas brauche, immer bete, um ein besseres Verständnis der Allheit Gottes zu erlangen, betete ich eines Morgens speziell über diese Situation. Ich habe festgestellt, dass Gebet, in dem die Natur Gottes als erhabene und unendliche Liebe verherrlicht und tief verehrt wird, häufig einen grundlegenden und subtilen Fehler in meinem Denken und Handeln aufdeckt, das nicht mit dem übereinstimmt, was hinsichtlich Gottes Schöpfung wahr ist. In diesem Fall war es der falsche Gedanke, dass ich einen Fehler gemacht hatte und mir nichts anderes übrigblieb, als damit zu leben. Die Suggestion war, dass ich die unangenehmen Folgen verdient hatte.
Und direkt auf dem Fuße folgte der Gedanke, dass Gott kein strafender Gott ist, sondern unendliche Liebe, die unendliche Ressourcen hat, um die gesamte Situation zu segnen. Ich erkannte, dass wir, wenn es nötig war, bereitwillig und freudig das nötige Geld für einen Zaun oder für Hundetraining aufbringen oder Hilfe dabei erlangen konnten, den Kindern beizubringen, besser für den Hund zu sorgen. Niemand von uns, inklusive der Menschen in unserer Nachbarschaft, konnte eine Strafe erleiden.
Ich schlug Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy auf und las eine meiner Lieblingsstellen: „Denke daran, dass die Vollkommenheit des Menschen wirklich und unanfechtbar ist, wohingegen Unvollkommenheit verwerflich und unwirklich ist und nicht von der göttlichen Liebe hervorgerufen wird“ (S. 414). Ich erkannte, dass das Gefühl von Unvollkommenheit (und somit nicht Gottes Mensch zu sein) in Wirklichkeit die Ursache war, und wenn wir dieses Gefühl hinterfragen, erkennen wir klarer, dass der Mensch als Gottes Idee immer so vollkommen, unschuldig und unbescholten ist wie Gott. Ein befreiendes, geistig segnendes, erlösendes Gefühl von Unschuld erfüllte mein Herz. Ich fühlte mich inspiriert, Informationen über einen Zaun einzuholen.
Doch bevor die ersten Schritte in dieser Richtung getan waren, klingelte es am Nachmittag. Ein Nachbar, den wir kaum kannten, fragte, ob wir bereit wären, unserem Hund ein neues Zuhause zu geben. Er erklärte, dass der Kleine, wenn er weglief, immer zu ihm kam, um seinen Hund zu „besuchen“. Die beiden Hunde waren beste Freunde geworden. Der Nachbar sagte, dass sein Sohn auf der Suche nach einem Hund war, sodass sie gemeinsam angeln und auf die Jagd gehen konnten. Noch am selben Abend zog unser Hund um! Wir freuten uns alle sehr, dass wir ihn weiterhin jeden Tag sehen konnten und dass er ein herrliches Leben mit einem Freund und viel Auslauf haben würde. Kurz darauf hießen wir ein Kätzchen in unserer Familie willkommen.
Ich muss auch weiterhin aufpassen, dass ich mir nicht Schuld und Tadel aufbürde, die von falschen menschlichen Konzepten über Gott und den Menschen ausgehen, und auf eine Weise denke und handele, die nicht mit meinem klarsten Verständnis von Gott als all-guter Liebe übereinstimmt. Die Vorstellung, dass Fehler, Schuldzuweisung, Verdammung und Tadel ein natürlicher und sogar notwendiger Teil der Existenz sind, ist so verbreitet, dass wir uns leicht dazu verleiten lassen können, in diese Richtung mitzudriften in dem Glauben, wir verdienten ein körperliches Problem, finanzielle Schwierigkeiten, eine Entfremdung von einem geliebten Menschen usw. oder es sei unsere Schuld, nicht zu wissen, was vonnöten ist, um geheilt zu werden.
Wenn etwas in unserem Leben berichtigt werden muss (und das ist häufig der Fall), liegt die beste und wirksamste Berichtigung darin, die irrige Vorstellung zurückzuweisen, dass Gott etwas falsch gemacht und eine fehlerhafte, dualistische Schöpfung erschaffen hat, die aus Gut und Böse besteht. Unser guter Gott ist Liebe, und wir sind die unschuldige, gute Widerspiegelung Gottes. Gottes Gesetz des Guten ist hier und jetzt in Kraft, um Harmonie hervorzubringen und jeden menschlichen Bedarf zu decken.
