„Gut jetzt ist besser als perfekt später“, wird heute oft gesagt. Damit ist die Mahnung gemeint, sich mit „gut genug“ zufrieden zu geben, statt eine notwendige Lösung dadurch aufzuschieben, dass eine unerreichbare Perfektion angestrebt wird. Das drückt sich bei Warentests mit etwas aus, das „Minimum Viable Product“ genannt wird – einem Mindestmaß an Brauchbarkeit oder Existenzfähigkeit für ein Produkt –, also dem Punkt, an dem die Funktionsfähigkeit eines Produkts nicht voll ausgereift ist, dieses aber sinnvoll eingesetzt werden kann.
In „Projekten“ wie der Versorgung unserer Gesundheit, einer Lebenspartnerschaft oder einem neuen Zuhause wünschen wir uns mehr als nur „minimal brauchbar“. Und doch ist die Vorstellung und das Anstreben von Perfektion innerhalb eines materiellen Rahmens ein wenig wie das bekannte Bild von einem Maulesel, der versucht, eine am Stock befestigte Karotte zu erreichen: Perfektion hängt verführerisch und gleichzeitig unerreichbar vor uns.
Ein viel verlässlicherer Pfad dahin, Gutes zu erleben, ist der, unseren Fokus fort von dem zu lenken, was wir nicht zu haben scheinen, und den geistigen Sinn zu entwickeln, den Jesus uns vorgelebt hat. Im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy, wird dieser geistige Sinn folgendermaßen beschrieben: „Das christusgleiche Verständnis vom wissenschaftlichen Sein und vom göttlichen Heilen umfasst als Grundlage des Denkens und der Demonstration ein vollkommenes Prinzip und eine vollkommene Idee – einen vollkommenen Gott und einen vollkommenen Menschen“ (S. 259). Das weist uns auf eine Vollkommenheit hin (die nichts mit Perfektion zu tun hat), über die wir bereits verfügen: vollkommene Liebe, Gott, und die Vollkommenheit aller als Ausdruck von Liebe.
Wir haben alle die natürliche Fähigkeit, in diesem Verständnis des „wissenschaftlichen Seins“ zu wachsen und zu beweisen, dass dieser geistige Sinn auf angemessene und befriedigende Weise zu Fortschritt führt. Das bedeutet in erster Linie, dass wir zunehmend geistige Eigenschaften wie Anmut, Weisheit, Integrität und Vergebung verkörpern, mit denen wir andere segnen. Doch unser Denken und unsere Demonstration auf „einen vollkommenen Gott und einen vollkommenen Menschen“ zu gründen stillt auch unsere eigenen Bedürfnisse auf praktische Weise.
Diese Hingabe daran, uns auf geistige Weise zu bessern, gedanklich im Vordergrund zu haben, vertraut darauf, dass wir das für uns nützliche Gute nicht erst verdienen oder schaffen müssen. Das göttliche Gute ist praktisch nutzbar. Wir können gar nicht anders als dies zu erkennen, wenn unser Denken mit dem geistigen Sinn der Vollkommenheit durchdrungen ist, wie aus den Heilungen derer deutlich wird, deren Leben Jesus berührt hatte. Wissenschaft und Gesundheit sagt bezüglich des vollkommenen Vorbilds, das wir im Denken hegen sollen: „Lasst Selbstlosigkeit, Güte, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Gesundheit, Heiligkeit, Liebe – das Himmelreich – in uns herrschen, und Sünde, Krankheit und Tod werden abnehmen, bis sie schließlich verschwinden“ (S. 248).
Wenn es also darum geht, was wir in unserem Bewusstsein hegen, dann ist nicht Vollkommenheit, sondern Perfektionismus dem Guten feindlich gesinnt. Vollkommenheit ist unverzichtbar, wenn wir das Gute erkennen und erleben wollen. Die Welt hält uns ständig das unvollkommene Vorbild vor Augen, das unsere Hoffnungen in die Irre leitet. Wir müssen einverstanden sein, Gedanken abzulehnen, die unser wahres, Gott widerspiegelndes Bewusstsein und Wesen leugnen – zum Beispiel, dass wir hilflos oder impulsiv sind oder uns einer sinnlichen Sichtweise von uns und anderen nicht erwehren können. Wenn wir stattdessen auf das christusgleiche Verständnis lauschen, das Jesus exemplifizierte, erkennen wir zunehmend die Vollkommenheit, die er in allen wahrnahm – und das bedeutet, dass wir sie auch in uns erkennen. Diese korrekte Sichtweise offenbart, dass das Gute, das wir brauchen, bereits bei uns ist.
Doch ist dieses offenbarte Gute perfekt? In der glücklichen Situation, unsere Gesundheit wiedererlangt, die richtige Partnerschaft eingegangen oder ein gemütliches Zuhause gefunden zu haben, können wir geneigt sein, so zu denken. Es ist schon wahr, dass die Segnungen, die aus solch einem Verständnis erwachsen, bemerkenswert präzise und reichhaltig sind. Jesus bewies dies beispielsweise, als sein klares Verständnis von Gottes Vollkommenheit Nahrung für Tausende Menschen zutage förderte, während es zunächst den Anschein hatte, dass nicht genug vorhanden war (siehe Johannes 6:5–14).
Vollkommenheit (im Gegensatz zu Perfektion) ist ausschließlich Geist zu eigen. Materie kann weder vollkommen noch von Dauer sein. Eine große Menschenmenge suchte Jesus am Tag nach der Speisung der Tausenden auf, um mehr zu erhalten. Mehr wovon? Jesus sagte zu ihnen: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid“ (Johannes 6:26). Und dann wies er sie auf die Nahrung hin, „die bis ins ewige Leben bleibt, die euch der Menschensohn geben wird“ (Vers 27). Ganz sicher war diese Nahrung das christusgleiche Verständnis, das aus den wundervollen Werken sprach, die sie Jesus vollbringen sahen – Werke, die er auch von seinen Nachfolgern forderte.
Wir können täglich ein wenig mehr von diesem christusgleichen Verständnis, diesem geistigen Sinn, erlangen. Es ist angemessen, Dankbarkeit für das Gute in unserem Leben zu empfinden, doch das Vollkommene und Dauerhafte, das diesem Guten zugrunde liegt, ist geistiges Verständnis. Diese tiefere Wahrheit zu erkennen verringert nicht unsere Liebe für das, was wir haben, sondern erhöht und kräftigt sie. Ich habe immer wieder erlebt, dass ein Innehalten, um die wahre, geistige Natur von etwas Gutem in meinem Leben wahrzunehmen, dessen gegenwärtigen Ausdruck weiter stärkt und gleichzeitig mein Herz für das Wachstum und die Entwicklung von dem offen hält, wie sich dieses Gute im Verlauf der Zeit zeigt.
Vollkommenheit hilft uns, wenn wir sie dort suchen und finden, wo sie ewiglich existiert, nämlich in unserer göttlichen Quelle, Geist, Gott. So tat es Jesus und legte uns nahe, es zu tun. So können wir dankbar beweisen, wie gut das strömende Gute ist, weil wir vor allem diese vollkommenen Vorbilder in unserem Denken hegen.
Tony Lobl
Stellvertretender Chefredakteur
