Jeder Mensch macht sich ganz natürlich Gedanken über das Sein – was ist es in Bezug auf einen selbst und andere wirklich? Wenn man das Wesen des Seins betrachtet, sieht man, dass diese Fragestellung auch ganz richtig ist, denn das Sein ist göttliche Entfaltung, das unendliche Gemüt oder göttliche Prinzip, das sich auf ewig in seiner eigenen unveränderlichen Vollkommenheit grenzenlos selbst ausdrückt. Aus den Schriften von Mary Baker Eddy geht ganz klar hervor, dass das Wesen des Seins Entfaltung ist, schreibt sie doch (Vermischte Schriften, 1883-1896, S. 82): „Unendlicher Fortschritt ist konkretes Sein...“
Entfaltung stellt eine Klärung von innen dar: etwas Innewohnendes, Eingeborenes, von äußeren Einflüssen unabhängiges kommt ans Licht. Sie beruht auf einem ursprünglichen Antrieb, auf etwas, das dem, was sich entfaltet, innewohnt. Wie sie in der Christlichen Wissenschaft verstanden wird, ist Entfaltung in ihrer absoluten Bedeutung das unfehlbare Wesen alles dessen, was besteht, das ausgedrückt wird. Diese Aktivität der göttlichen Wahrheit wird in der menschlichen Erfahrung erkannt und demonstriert, und ersetzt und verdrängt falsche Annahmen. Damit bringt sie der Menschheit größere Harmonie. Das, was ist, entfaltet sich, und dieser Fortschritt zeigt sich in menschlichen Dingen, wenn das Denken das göttliche Gemüt aktiv als seine Quelle erkennt und alles ablehnt, was Gemüt unähnlich ist, und somit sich selbst und seinen Ausdruck dem Gesetz der Entfaltung des göttlichen Gemüts unterwirft. Entfaltung muss am Wesen der Unendlichkeit teilhaben, denn nur die Unendlichkeit kann sich unerschöpflich selbst ausdrücken.
Da die Unendlichkeit existiert, ist die logische Schlussfolgerung die Bestätigung, dass alles, was zur Existenz gehört, auf Ewig die sich entfaltende Realität ist – das unendliche Gute, das im Gehorsam gegen seine eigene unendliche Natur ständig aufs Neue sichtbar wird. Das bedeutet, dass die bewusste, aktive, sich entfaltende Unendlichkeit oder das entsprechende Gute das einzige ist, was wirklich passiert oder passieren kann. Aufgrund seiner Unendlichkeit schließt das wahre Sein die Möglichkeit von etwas aus, das sich außerhalb seiner selbst befindet oder diesem Selbst unähnlich ist, und den spontanen oder befriedigenden Beweis des Seins unkenntlich machen oder aufhalten könnte.
Entfaltung ist die Ausdrucksweise des göttlichen Gemüts. Sie ist Gemüt, das sich selbst kennt und ausdrückt. Der Menschheit erscheint sie entweder als die fortschreitende Offenbarung der Wirklichkeit in der bewussten individuellen Erfahrung oder als ein Zerfallen falscher Vorstellungen dessen, was gut und erstrebenswert ist, damit das Denken vom Falschen ab- und dem Wahren zugewandt werden kann. Sie ist die Aktivität der Liebe, die die göttlichen Tatsachen in menschlichen Unterfangen sichtbar werden lässt. Sie zeigt dem menschlichen Sinn, was wirklich und kontinuierlich stattfindet.
Wir müssen erkennen, dass göttliche Entfaltung als Einheit, als Allheit, stattfindet. Es ist unmöglich, dass sie „hier“ aktiv ist und „dort“ nicht, und es ist ebenso unmöglich, dass „dieses“ sich entfaltet und „jenes“ nicht. Göttlicher Fortschritt ist sowohl universal als auch individuell. Er ist jede Entfaltung mit allem und alle Entfaltung mit jedem. Es gibt keine private Entfaltung, denn Gemüt, Gott, ist eins und alles, und eine sich entfaltende Unendlichkeit schließt automatisch alle ein und segnet alle. Starrsinn, Halsstarrigkeit, Stolz auf Errungenschaften oder Erfolge, Stolz auf Umstände oder Priestertum – all das macht Raum für diese göttliche, erfüllende Entfaltung, wenn wir sie annehmen. Die göttliche Entfaltung schließt alles ein, was die Ambitionen des menschlichen Intellekts oder das Streben des menschlichen Herzens wahrhaft befriedigen kann, doch wir müssen diese ruhen lassen und uns der Wahrheit um ihrer selbst willen zuwenden, ehe wahre Herzensruhe erlangt wird.
Entfaltung bedeutet, dass sich die Unendlichkeit unbegrenzt und auf ewig selbst zum Ausdruck bringt, und ihr Ausdruck ist unendliche Idee, der Mensch bzw. das Universum. Sie ist die wahre, ewige Erfahrung des Menschen, die einzige Erfahrung, die man je haben kann. Nichts kann zutreffender sein als Mrs. Eddys bereits zitierte Aussage dazu: „Unendlicher Fortschritt ist konkretes Sein.“ Es gibt nichts, was einem besser hilft, Furcht fern zu halten und eine gleichbleibende, unkritische Liebe seinen Mitmenschen gegenüber zum Ausdruck zu bringen, als eine angemessene und anhaltende Wertschätzung dessen, was darin eingeschlossen ist.
Ein richtiges Verständnis der Unendlichkeit und ihrer allumfassenden, universalen Aktivität, das zeigt, wie zwecklos ein bloß menschlicher Wille und eine erfolglose menschliche Bemühung ist, zerstört ein falsches Gefühl von Verantwortung und mindert damit den Druck, der auf uns lastet. Es stärkt unseren Mut und unsere Erwartung des Guten. Es vereinfacht den Gehorsam der biblischen Aufforderung und Versicherung: „... denke an ihn in allen deinen Wegen, dann wird er dich recht führen.“ (Spr. 3:6) Entfaltung offenbart die Schlichtheit des reinen Seins und beginnt auf diese Weise damit, die Verworrenheiten und Ängste einer sterblichen Annahme auszuräumen.
In dem Maße, wie man die Tatsache begreift, dass Gott Prinzip ist und dass dieses Prinzip Liebe ist, erkennt man, dass alles, was jetzt stattfindet oder je stattfinden kann, das fortschrittliche Gute ist. Diese Erkenntnis führt dazu, dass Befürchtungen hinsichtlich der Zukunft und der Menschen, die einem am Herzen liegen, merklich abnehmen. Man kann sich sicher sein, dass die geistige Entfaltung, die den Irrtum ans Licht bringt, den Irrtum auch gleichzeitig überstrahlen wird. Man erkennt, dass das, was sichtbar wird, entweder die sich entfaltende Wahrheit ist oder eine Facette des Irrtums, die durch Wahrheit ans Licht gebracht wird, damit die Wahrheit sie auflösen kann. Somit zeichnet sich die menschliche Erfahrung durch eine Zunahme an Gutem und eine Minderung des Bösen aus. Bei der göttlichen Entfaltung entfalten sich Intelligenz, Liebe und Leben. Und wenn man dies als sein eigenes Denken akzeptiert und bekräftigt, zeigt es sich in mehr Gesundheit, Glück und Versorgung.
Es muss eine stetige Überzeugung vom Sein als Entfaltung gewesen sein, durch die Jesus angesichts des drängenden Zeugnisses einer Wirklichkeit des Bösen in der Lage war, furchtlos und treu die Vollkommenheit des Menschen zu verteidigen. Er wandte seine Aufmerksamkeit von falschen Darstellungen des persönlichen Sinnes ab und der Gewissheit harmonischer Fakten und ihrem zunehmenden Erscheinen zu. Indem ein Christlicher Wissenschaftler Jesu Beispiel folgt, ist er in der Lage, unbeeindruckt zu sein von den verschiedenen Phasen, die der Irrtum annimmt, um ihn zu entmutigen – manchmal direkt an der Schwelle zum Sieg –, und mit einer solchen Gewissheit von dem Wesen des unfehlbaren Guten fortzufahren, dass die Demonstration erfolgt. Ja, Mrs. Eddy schreibt in unserem Lehrbuch: „Jesu Demonstrationen trennen die Spreu vom Weizen und entfalten die Einheit und die Wirklichkeit des Guten sowie die Unwirklichkeit, das Nichts, des Bösen“ (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 269). Entmutigung kann sich nicht lange halten, wenn das wahre Wesen des Seins erkannt wird, denn dann erkennt man, dass Fortschritt unweigerlich stattfindet, auch wenn er wie eine tief wurzelnde Pflanze nicht sofort an der Oberfläche sichtbar ist.
Das Verständnis der Entfaltung des Gemüts wirkt wie die Gegenwart und Macht des Gemüts selbst, denn nur das Gemüt kann das Wesen des Gemüts kennen und unter Beweis stellen. Paulus stellt die Frage: „...wer von den Menschen weiß, was im Menschen ist, als nur der Geist des Menschen, der in ihm ist? So weiß auch niemand, was in Gott ist, als nur der Geist Gottes.“(1. Kor. 2:11) Die im Gemüt enthaltenen Wahrheiten sind dem sterblichen Gemüt nicht bekannt, wohl aber dem Denken, das das göttliche Gemüt versteht und ihm nahe kommt.
Göttliche Entfaltung bzw. „unendlicher Fortschritt“ findet nicht außerhalb des Bewusstseins statt. Sie ist das Bewusstsein. Sie ist subjektiv und wird im eigenen Wissen und Sein ausgedrückt. Bis die Wissenschaft im Bewusstsein des Einzelnen offenbart ist, ja bis sie als das Bewusstsein des Einzelnen offenbart ist – und zwar weder als Theorie noch als etwas außerhalb der eigenen Identität –, wird nicht deutlich, dass Güte, Macht und Unsterblichkeit dem Menschen angeboren sind. Nur in dem Maße, wie man seine wahre Identität für sich in Anspruch nimmt, stellt man fest, dass einem selbst – und allen Menschen – diese Eigenschaften bereits gehören.
Erkennt man Entfaltung als die wahre Natur alles Seins, dann lösen sich Widerstand, Opposition, gewohnheitsmäßiger Widerwille, Furcht, Ängstlichkeit und Unsicherheit auf und machen Raum für göttliche Spontaneität im Denken und in den persönlichen Angelegenheiten. Sie ist eine praktische Ermutigung und Hilfe in allen menschlichen Bemühungen. Sie stellt Geschäfte auf eine feste Grundlage, denn nichts kann dem Erfolg einer Unternehmung oder eines Geschäfts im Weg stehen, das wissenschaftlich als im Gemüt verankert erkannt wird – als etwas, was die Entfaltung des Gemüts zum Ausdruck bringt und diesen Ausdruck auch umsetzen darf. Persönliche Meinungen, Druck, Eigenwille, ein menschlich vorgegebenes Verfahren, an dem stur festgehalten wird, haben alle die Tendenz, die harmonische Handlung und Beweise des Gemüts zu verdecken, und müssen aufgegeben werden, damit befriedigender Fortschritt sich im Alltag des Einzelnen unter Beweis stellen kann.
Jesu Speisung von Tausenden zeigt ganz klar, wie natürlich es ist, dass Entfaltung die Ausdrucksweise des Gemüts ist. Er wies das Bild des persönlichen Sinnes zurück, das seine Jünger blendete, und richtete seinen Blick gen Himmel, auf „die Herrschaft des Geistes; Regierung durch das göttliche Prinzip“, wie Himmel in unserem Lehrbuch u. a. wissenschaftlich definiert wird (S. 587). Da er also alles Bestehende als einen Beweis der Unendlichkeit und damit als etwas erkannte, was sich für immer weiter entfaltet, hatte er die große Freude, seine geistige Wahrnehmung als grenzenlose menschliche Versorgung veranschaulicht zu sehen.
Es wäre gut für alle Menschen, alles Gute, alle Versorgung, alles Einkommen und jede Beschäftigung – ob klein oder groß – als einen Beweis der sich entfaltenden Unendlichkeit zu erkennen und sich daran zu erfreuen. Eine solche gedankliche Haltung trägt viel dazu bei, ein gesperrtes Guthaben freizusetzen, ob in Form von Chancen, Geld, Freundschaften, Freiheit oder Gesundheit, und für Gutes offen und empfänglich zu sein. Wenn man daher auf Geschäftsreise geht, jemanden besucht oder eine Besorgung macht, ist es klug, nicht nur einfach ein eng umrissenes Ziel anzustreben, sondern mit Herz und Gemüt offen zu sein für alles Gute, das sich entfalten mag.
Es lohnt sich zu wiederholen, dass die sich entfaltende Unendlichkeit das gesamte Sein umfasst, und das schließt nicht nur das mit ein, was sich gerade jetzt zuträgt, sondern alles, was sich jemals zugetragen hat. Erkennt man das, so kann man die Vergangenheit und die Gegenwart gleichermaßen freisetzen; man kann das Gute der Jahre zurückgewinnen, die voller Fehler gewesen zu sein schienen. Das zeigt uns, dass Chancen immer vorhanden und stets greifbar sind und dass es wissenschaftlich gesehen nichts gibt, das zu sehr verloren ist, als dass es gut sein könnte. Chancen treten nicht nur vorübergehend auf, sondern sind eine sich ständig entfaltende Idee.
Die göttliche Entfaltung ist vollständig gut. Daher hat jeder Mensch das Recht zu erwarten, dass ihm und allen anderen mit dem wahren Verständnis nur Gutes widerfahren kann. Ebenso hat er das Privileg abzustreiten, dass er oder sonst jemand in Wirklichkeit je etwas Böses erlebt hat, und er hat das Recht zu bestätigen und zu beweisen, dass das Gute jetzt und immer das einzige ist und war, was er erlebt hat – die einzige universelle Erfahrung. Auf diese Weise kann das ausgemerzt werden, was als gegenwärtige Störung erscheint, denn das, was die menschliche Annahme als gegenwärtig bezeichnet, ist einfach nur das Ergebnis von etwas, was diese gleiche Annahme eine sich angesammelte Vergangenheit nennt. In dem Maße, wie man das erkennt, wird das eigene Denken einheitlicher gut und unvoreingenommener großzügig, und man wird ein besserer Freund und ein treuerer, aktiverer Mitbürger. Man sieht, dass gutes Denken, oder das Denken von etwas Gutem, die normale mentale Aktivität jedes Menschen ist, dass das Gute die tatsächliche geistige Identität jedes Menschen ausmacht und dass man zunehmend die unendliche Entfaltung des Guten erfährt.
Die göttliche Entfaltung ist die sich entfaltende Wahrheit, das sich entfaltende Gemüt, immer liebevoll, stets segenbringend. Sie ist tätige Liebe, die immer befriedigt. Die Unendlichkeit, das Sein, entfaltet die Unendlichkeit zwangsläufig auf ewig. Das gesamte Sein umfasst unaufhaltsame geistige Entwicklung. Es schließt alle Wirklichkeit, alle Ideen ein, die sich ununterbrochen und ewig gemeinsam entfalten. Alles entfaltet sich als eins, und jede Idee entfaltet sich gemäß einer unfehlbaren, intelligenten Ordnung. Wir als Christliche Wissenschaftler sollten lernen, dieser Entfaltung zu vertrauen und zu erkennen, dass unendliche Entfaltung unvermeidbar und spontan ist; dass sie nach ihrem eigenen Antrieb handelt und dass dies Herrschaft impliziert.
