Nichts ist mit dem Gefühl zu vergleichen, Gottes Gegenwart zu spüren. Man wird von den betäubenden Nebeln der sterblichen Existenz zu einer solch überwältigenden Gewissheit der Tatsächlichkeit und Lebendigkeit des Guten gebracht, dass sie geradezu überfließt. Und je mehr man diese Erfahrung erlebt, desto klarer erkennt man sie in anderen, die ebenfalls damit vertraut sind. Man kann diese Gewissheit in vielen biblischen Heilungsberichten erkennen, und ich fühle sie häufig, wenn ich den Zeugnissen in der Mittwochabendversammlung der Christlichen Wissenschaft zuhöre.
Das einzige, was fast genauso bemerkenswert ist, wie die tiefe Freude über die Erkenntnis der Tatsächlichkeit von Gottes unbegrenzter Liebe, ist der Punkt, dass wir dieses Gefühl verlieren können, wenn wir es nicht wachsam verteidigen. Wenn man bedenkt, wie sehr sich dieser geistige Sinn von der Eintönigkeit und Farblosigkeit des sterblichen Verständnisses der Dinge unterscheidet, dann sollte es undenkbar sein, dass man etwas so greifbar und geistig Wirkliches je aus den Augen verlieren könnte.
Doch nicht lange, nachdem Elia den Sieg über die 450 Propheten des Baal errungen und miterlebt hatte, wie Gott das mit Wasser durchtränkte Brandopfer mit Feuer vernichtete, finden wir ihn unter einem Ginsterstrauch voll Verlangen, zu sterben, überzeugt, nicht besser zu sein als seine Väter (siehe 1. Könige 19:4). Auch sollte man kaum glauben, dass die Jünger, die jeden Tag mit Jesus zusammen gewesen waren und selbst erlebt hatten, wie real die heilende Macht Gottes ist, unmittelbar nach Jesu Kreuzigung zu ihrer Tätigkeit als Fischer zurückkehrten (siehe Johannes 21:1–6). Und viele von uns, die so überzeugende Heilungen hatten, dass sie tagelang mit einem Gefühl von Heiligkeit herumgelaufen sind, wissen auch, dass man in einer Zeugnisversammlung der Christlichen Wissenschaft sitzen und meinen kann, man hätte keine lohnenswerten Heilungen zu berichten.
Die Christlichen Wissenschaftler können es sich einfach nicht leisten, den Beweis von Gottes Gegenwart im Leben aus den Augen zu verlieren, besonders da sie die Mittel haben, das zu verhindern. Eine Mahnung in Form der Satzungsbestimmung der Kirche mit dem Titel „Wachsamkeit gegenüber der Pflicht“ erklärt, was dazu erforderlich ist: „Es ist die Pflicht eines jeden Mitglieds dieser Kirche, sich täglich gegen aggressive mentale Suggestion zu verteidigen und sich nicht dazu verleiten zu lassen, seine Pflicht gegenüber Gott, gegenüber seiner Führerin und gegenüber der Menschheit zu vergessen oder zu vernachlässigen. Nach seinen Werken wird er gerichtet – und zwar gerechtfertigt oder verurteilt“ (Mary Baker Eddy, Kirchenhandbuch, S. 42).
Die meisten Menschen denken bei Begriffen wie „aggressive mentale Suggestion“ an schreckliche Bilder in den Nachrichten, die wir nicht mehr loswerden, an Hypnosedarbietungen oder einflussreiche Werbekampagnen, die uns dazu bringen, bestimmte Produkte zu kaufen. Es ist den Leuten zu einem gewissen Grad bewusst, dass das Denken in eine bestimmte Richtung gelenkt wird. Doch die meisten Menschen glauben auch, gegen eine übermäßige Beeinflussung dieser Suggestionen gefeit zu sein, wenn sie gut genug aufpassen.
Die Christliche Wissenschaft hilft uns zu erkennen, dass die Suggestionen, gegen die wir uns verteidigen sollen, in Wirklichkeit viel aggressiver und tiefgreifender sind und eine viel stärkere Verteidigung erfordern, als die mageren Fähigkeiten des menschlichen Gemüts je bereitstellen könnten. Die wahrhaft aggressive mentale Suggestion bedrängt uns so sehr, dass das, womit wir zu kämpfen haben, sich gar nicht anfühlt wie etwas Mentales oder eine Suggestion, sondern die „feststehende Tatsache“ materieller Wirklichkeit ist.
Wir könnten beispielsweise meinen, dass wir es mit einer mentalen Suggestion zu tun haben, wenn wir hören, dass sich ein ansteckendes Virus verbreitet. Doch wenn die Symptome dieses Virus sich dann am Körper zeigen, können wir geneigt sein zu glauben, nun von einer „wirklichen Sache“ betroffen zu sein, statt einer Suggestion. Wenn das nicht aggressiv ist! Doch wie die Christliche Wissenschaft zeigt, ist und bleibt es eine Suggestion, nicht mehr. Es ist eine Suggestion vom Leben in der Materie, die uns in Form einer feststehenden Tatsache vorgesetzt wird. Doch sie ist falsch und wir können uns dagegen verteidigen – nicht durch persönlichen Einsatz, sondern durch den Christus, die wahre Idee des Seins, vom Leben in und durch Geist.
Anhand des Kinderbuchs Pu der Bär von A. A. Milne können wir sehen, wie diese aggressive mentale Suggestion vorzugehen scheint. In dem Kapitel, „In welchem Pu und Ferkel auf die Jagd gehen und beinahe ein Wuschel fangen“, begleitet Ferkel seinen Freund Pu, der versehentlich einen großen Kreis beschreitet. Pu erklärt Ferkel: „Ich spüre etwas auf.“ Da Pu nicht merkt, dass er im Kreis läuft, versteht er die Spuren falsch, auf die er notwendigerweise stößt, und fragt Ferkel: „Was siehst du da?“
„‚Spuren‘, sagte Ferkel. ‚Pfotenabdrücke.‘ Es quiekte leicht vor Aufregung. ‚Oh, Pu! Glaubst du, es ist ein ... ein ... ein Wuschel?‘“
Die Menge der Spuren und die Ängste der beiden Spurensucher vermehren sich natürlich jedes Mal, wenn sie einen Kreis abschließen, ohne es zu merken. Trotzdem setzen die beiden ihr Abenteuer fort, wenn auch behutsam und ängstlich, falls die Tiere, auf die sie stoßen, am Ende unfreundlich sind. Schließlich kommt es soweit, dass es Pu so heiß wird und er so besorgt ist „wie noch nie in seinem Leben“, und Ferkel fällt plötzlich ein, dass er dringend etwas erledigen muss, und läuft nach Hause, „sehr froh darüber, aller Gefahr entronnen zu sein“.
In diesem Moment klettert ihr Freund Christopher Robin, der die Szene vom Baum aus beobachtet hat, herunter und fragt Pu, was er macht, und erklärt ihm, dass er gesehen hat, wie Pu zweimal um die Baumgruppe herumgelaufen ist, dann noch einmal mit dem Ferkel, und dass er gerade dabei war, ein weiteres Mal herumzulaufen, als Ferkel plötzlich fortlief. Langsam dämmert es Pu, dass er sich im Kreis bewegt und seine eigenen Spuren verfolgt hat. „Er setzte sich hin und dachte, und zwar so nachdenklich, wie er nur denken konnte. Dann stellte er seine Hinterpfote in einen der Pfotenabdrücke ... Und dann kratzte er sich zweimal an der Nase und stand auf.
‚Ja‘, sagte Winnie-der-Pu.
‚Jetzt verstehe ich‘, sagte Winnie-der-Pu.
‚Ich war ein verblendeter Narr.‘“
Pu hatte gedacht, dass da irgendwo vor ihm ein Wuschel gelaufen war. Schließlich gab es unleugbare, klare Beweise: Spuren im Schnee. Doch als Christopher Robin ihm die Sache von seiner höheren Warte im Baum erklären konnte, musste Pu schließlich diese Tatsachen akzeptieren.
Keiner von uns möchte je ein „verblendeter Narr“ sein, doch gemäß der Christlichen Wissenschaft geht es uns in dem Maße, wie wir mit dem Glauben einhergehen, die materielle Welt sei eine legitime und zutreffende Sichtweise der Dinge, nicht anders als Pu und dem Ferkel – wir laufen der Unwissenheit hinterher und werden von Angst verfolgt. Wir brauchen die höhere Sichtweise des Christus, der sich auch von den aggressivsten Suggestionen nicht beeinflussen lässt. Dann können wir die notwendigen nächsten Schritte zu der Erkenntnis tun, dass die Materie keine wahre Substanz hat.
Die Christliche Wissenschaft hilft uns zu erkennen, dass die Suggestionen, gegen die wir uns verteidigen sollen, in Wirklichkeit viel aggressiver und tiefgreifender sind und eine viel stärkere Verteidigung erfordern, als die mageren Fähigkeiten des menschlichen Gemüts je bereitstellen könnten.
Das sterbliche Gemüt hat von jedem von uns eine bestimmte Version auf Lager. Ob wir nun an „Wuscheln“, an chronischen Krankheiten, sündigen Charaktereigenschaften oder sonstigen Problemen leiden, der sterbliche Sinn der jeweiligen Erfahrung gründet sich immer auf den Glauben, dass Leben und Intelligenz in der Materie sind. Wenn wir von der Grundlage einer materiellen Sichtweise unserer Selbst ausgehen – auch wenn es mit der Absicht geschieht, diese Sichtweise durch die Christliche Wissenschaft zu verbessern –, lassen wir das Denken ungeschützt und gefährdet. Wenn wir ein gewisses Maß von der großen Realität erkennen, die Christus Jesus uns offenbart hat, nämlich eine Erkenntnis, dass das wahre Sein des Menschen der ewige Ausdruck des Geistes, von Leben, Wahrheit und Liebe, ist, dann ist unser Bewusstsein mit der Macht und dem Verständnis des Christus, der wahren Idee Gottes, durchtränkt.
Wir dürfen als Christliche Wissenschaftler nicht geneigt sein zu glauben, dass uns aggressive mentale Suggestion deshalb nichts anhaben kann, weil wir uns Christliche Wissenschaftler nennen, oder dass wir unfähig sind, uns dagegen zu schützen, weil wir diese Wissenschaft nicht „gut genug“ leben können. Solche mentalen Neigungen sind ebenfalls aggressive Suggestionen.
Während meiner militärischen Ausbildung unterzog man uns einem beliebten Test, bei dem wir zum Wachdienst eingeteilt wurden und ein hoher Offizier die Aufgabe erhielt, an uns vorbei zu gelangen und dabei unsere Autorität zu ignorieren. Wenn man ein kleiner Gefreiter ist und ein Oberst kommt vorbei und bellt: „Ich habe die Parole vergessen, aber ich muss hier rein. Aus dem Weg!“, dann mag es Mut erfordern, sich der Autorität des Amts bewusst zu sein, das man innehat. Und man muss selbstbewusst sagen können: „Nein, Herr Oberst, ohne Parole dürfen Sie nicht durch.“
In derselben Weise haben wir die Christus-Autorität, um die Suggestionen des endlichen sterblichen Sinnes abzuweisen, egal wie lautstark sie behaupten, in unserem Leben Autorität zu besitzen. Die Christliche Wissenschaft zeigt uns unsere gottgegebene Autorität, allem den Einlass zu verwehren, was unser Recht leugnet, Leben, Wahrheit und Liebe unbegrenzt auszudrücken, denn sie zeigt uns, dass physische Symptome und Irreführungen wie Unehrlichkeit, Hass oder Stress im Kern mental sind, und das bedeutet, dass man sie durch Gebet entlarven, ausmerzen und zerstören kann.
Es ist wichtig zu bedenken, dass diese Pflicht der Selbstverteidigung uns nicht als eine Art Maxime für persönliches geistiges Wachstum aufgetragen wird. Sie ist eine Satzungsbestimmung, ein wesentlicher Bestandteil der Mitgliedschaft in der Kirche. Obwohl sich diese Pflicht an jeden Einzelnen richtet, stehen wir nicht allein vor dieser Aufgabe, denn sie wird von allen Mitgliedern der Mutterkirche erfüllt.
Unser Einsatz, wenn wir uns gegen aggressive mentale Suggestion verteidigen, wirkt sich umfassender aus als dass nur unser eigenes Leben verbessert wird. Er macht uns bewusst, dass wir zu etwas unendlich Großem gehören. Wir arbeiten Seite an Seite mit anderen Metaphysikern daran, die Welt umzuwandeln und das menschliche Bewusstsein von einer materiellen Grundlage des Wirkens auf die geistige Realität des Seins zu lenken. Mit anderen Worten, bei unserer täglichen Verteidung geht es darum, die große Entdeckung zu beweisen, dass „alles ... unendliches Gemüt und seine unendliche Manifestation“ ist (Mary Baker Eddy, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 468).
Die Mitglieder der Mutterkirche verpflichten sich, ein Verständnis der Tatsächlichkeit Gottes zu demonstrieren, die von Mary Baker Eddy gelehrte Christliche Wissenschaft zu fördern und ihre Mitmenschen mit einem christlichen Verständnis ihrer vollkommenen Identität als Kinder Gottes zu lieben.
Wenn wir unser eigenes Bewusstsein täglich gegen die schlechten Auswirkungen aggressiver Suggestionen verteidigen, können wir freudig wissen, was genau unsere Pflicht gegen Gott, unsere Führerin Mary Baker Eddy und die Menschheit an jedem einzelnen Tag umfasst, und wir erfahren, was wir tun müssen, um diese Pflicht zu erfüllen. Dann machen wir uns keine Illusionen, dass es um viel mehr geht als eine theoretische Übung.
Die tägliche Verteidigung unserer geistigen Identität befähigt uns, Gutes zu tun und nicht nur darüber nachzudenken. Deshalb endet die Satzungsbestimmung mit der Warnung: „Nach seinen Werken wird er gerichtet – und zwar gerechtfertigt oder verurteilt.“ Möchten wir nicht alle am Ende des Tages dankbar sein, dass wir unsere Gelegenheiten zum Heilen und Gutestun bestmöglich genutzt haben? Keiner von uns möchte abends seine mentalen Schritte zurückverfolgen und zugeben müssen, „ein verblendeter Narr“ gewesen zu sein.
Es ist hilfreich, gelegentlich innezuhalten und ehrlich zu prüfen, in welchem Zustand sich unser Denken befindet. Wir können uns jederzeit fragen, ob wir mit dem Verständnis handeln, dass die Materie nie mehr ist als eine irrige Suggestion, die wir zunichte machen dürfen, oder ob wir glauben, dass wir in der Materie leben und versuchen, die Dinge mithilfe der Christlichen Wissenschaft zu verbessern. Sich der Notwendigkeit einer besseren Verteidigung zu stellen, ist keine Schwäche, sondern ein Schritt nach vorn.
Als Mary Baker Eddy der Kirche diese Satzungsbestimmung schickte, war aus ihrem Begleitbrief ersichtlich, wie ernst und wichtig die darin enthaltene Warnung ist. Sie schrieb: „Zum Schluss wurde die beigefügte Satzungsbestimmung für die Mutterkirche unerlässlich, und statt Urlaub und Vergnügungen braucht diese Kirche vor allem eine Antwort auf diese Frage im Leben eines jeden Mitglieds: Bin ich dieser Satzungsbestimmung gehorsam?“ (L00226, 12. Juli 1899, Die Mary Baker Eddy Sammlung, Die Mary Baker Eddy Bibliothek).
Es geht weniger darum, ob wir uns durch einen solchen Brief getadelt gefühlt hätten, sondern um die Erkenntnis, dass nichts zwischen uns und die Freude kommen kann, die Gegenwart Gottes zu spüren, wenn wir diese mentale Pflicht erfüllen.
