Als ich Mitte zwanzig war, bekam ich Masern. Ich bat sofort einen Praktiker der Christlichen Wissenschaft um Behandlung durch Gebet, doch trotz größter Bemühungen ging es mit meiner mentalen und körperlichen Funktionsfähigkeit rapide bergab. Meine Familie konnte mich nicht versorgen und brachte mich ins Krankenhaus. Dort stellten die Ärzte eine schwere virale Enzephalitis fest. Eine medizinische Behandlung gab es damals nicht; laut Prognose war eine Schädigung des Gehirns sehr wahrscheinlich, und falls ich überlebte, könnte die Konvaleszenz Jahre dauern.
Es war nicht meine Entscheidung, ärztliche Hilfe zu erhalten, und da ich medizinisch nicht behandelt werden konnte, wurde die Behandlung in der Christlichen Wissenschaft fortgesetzt.
Zuerst empfand ich im Krankenhaus alles als dunkel. Doch es kam mir vor, als könnte ich ein winziges Licht sehen, wie einen fernen Stern, der mich aus der Dunkelheit herausführte. Meine erste Erinnerung im Krankenhaus war ein Christian Science Sentinel auf dem Nachttisch. Es war kurz vor Weihnachten, und auf dem Umschlag war eine wunderschöne Zeichnung vom Stern von Bethlehem abgebildet, die mir Trost brachte.
Doch als ich verstand, wo ich war, fühlte ich mich einsam und voller Furcht. Ich betete so gut ich konnte mit dem 91. Psalm und anderen Stellen aus der Bibel, die ich in der Sonntagsschule gelernt hatte. Eine Freundin, die Christliche Wissenschaftlerin ist, durfte mich nicht im Krankenhaus besuchen, weil nur Angehörige zugelassen wurden und man davon ausging, dass ich sie sowieso nicht erkennen würde. Doch sie kam trotzdem, und als ich sie sah, erkannte ich sie voller Freude.
Sie sagte: „Carolyn, wir sind Schwestern im Geist!“ Eine Krankenschwester fragte, ob wir wirklich Schwestern seien. Wir sagten ja, denn wir fühlten uns so. Als herauskam, dass wir nicht verwandt sind, hatte das Personal bemerkt, wie gut mir der Besuch tat, und meine Freundin wurde gebeten wiederzukommen, was sie jeden Tag tat. Das war Gottes kostbare Versorgung christlicher Liebe für mich – die Hoffnung, die ich damals brauchte.
Doch die Nächte waren besonders düster und schrecklich. Nach ca. zwei Wochen kam eines Nachts eine Krankenschwester ins Zimmer, als ich gerade den Praktiker anrief. Sie riss mir den Hörer aus der Hand. Ich wurde hysterisch. Mehrere weitere Schwestern kamen und banden mich ans Bett. Sie gaben mir ein Beruhigungsmittel, doch das bewirkte nichts, und ich schrie vor Angst und Wut aus voller Kehle.
Dann vernahm ich die stille, sanfte Stimme Gottes, der Liebe (siehe 1. Könige 19:12), die mir inmitten des Aufruhrs sagte, dass ich vergeben müsse. Ich beruhigte mich und begriff, dass ich das konnte. Ich rief mit normaler Stimme nach jemandem und eine neue Krankenschwester kam. Ich erklärte, dass ich einen Praktiker der Christlichen Wissenschaft anrufen wollte, der für mich betete, und dass die späte Stunde für ihn kein Problem war. Die Schwester ging und kam mit der Oberschwester zurück, der ich es noch einmal sagte. Allein das war Fortschritt, denn bis dahin war es mir schwergefallen, zusammenhängende Sätze zu sagen, geschweige denn, dasselbe zweimal. Die Schwester und die Oberschwester banden mich los und erlaubten mir, den Anruf zu tätigen. In jener Nacht rief ich den Praktiker mehrmals an, und am Morgen ging es mir sehr viel besser.
An dem Tag erwirkte mein Mann, dass ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Wiederholte Tests auf Hirnschäden zeigten, dass nichts vorlag. Als ich nach Hause kam, war ich teilweise gelähmt, doch die Behandlung wurde weitergeführt, und nach zwei Tagen konnte ich mich normal bewegen.
Mental ging es mir noch nicht so gut. Ich hatte einfache Dinge wie mich ankleiden vergessen und konnte Worte nicht sequenziell lesen. Außerdem reagierte ich auf Dinge, die es nur in der Einbildung gab. Daher ging ich in ein Pflegeheim der Christlichen Wissenschaft, das psychische Fälle annahm.
Ein Vorfall dort machte einen schönen Eindruck auf mich und beschleunigte die Heilung. Vor nervöser Angst und Frust nahm ich alle Möbel in meinem Zimmer auseinander und warf die Teile gegen die Wände. Mehrere Leute standen vor der Tür, kamen jedoch nicht herein. Dann hörte ich, wie eine liebevolle Stimme sagte: „Ich habe keine Angst vor ihr.“ Eine Pflegerin in der Christlichen Wissenschaft trat ein und ich sank in ihre Arme, dankbar für die Liebe, die sie ausdrückte. Danach benahm ich mich nie wieder so seltsam.
Während meines Aufenthalts in dem Heim ging ich oft in meinem Zimmer auf und ab und sang Lied Nr. 176 aus dem Liederbuch der Christlichen Wissenschaft:
Die Kirche Gottes stehet fest,
trotzt allem Stürmen und Toben;
sicher gebaut auf ew’gen Fels,
hat sie ihr Licht hoch erhoben,
leuchtet, dass jeder mög’ verstehn,
was durch das Gotteswort geschehn:
Chaos und Nacht sind zerstoben.
(Nach dem dänischen Text von Nikolaj F. S. Grundtvig, Adaption und Übersetzung © CSBD)
Diese Botschaft war machtvoll und tröstlich. Ich dachte immer wieder an das Bild des Sterns, der mich aus der Dunkelheit herausführte. Nach und nach schien dieser Stern heller und heller wie „das Sonnenlicht der Wahrheit“ in meinem Bewusstsein (Mary Baker Eddy, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 162).
Nach einem Monat war es mir möglich, zu meinen Eltern zu gehen. Mein Verhalten war weiter unberechenbar, bis ich eines Morgens aufwachte und fand, dass es nun reichte. Ich verstand, dass Gott mir Herrschaft verliehen hat (siehe 1. Mose 1:26). Erst kostete es mich Mühe, keine merkwürdigen Dinge zu sagen oder zu tun, doch es fiel mir jeden Tag leichter, weil ich an der geistigen Tatsache meiner Herrschaft festhielt.
Etwas mehr als vier Monate nach meiner Erkrankung lebte ich wieder zu Hause, arbeitete in Vollzeit und versorgte meine Kinder. Als sie fast erwachsen waren, schloss ich mein Ingenieurstudium sehr erfolgreich ab und ging eine produktive Laufbahn in einem hochangesehenen Unternehmen ein. Ich kann nicht genug Dankbarkeit für Christus Jesus ausdrücken, der bewies, dass Gott Liebe ist; für Mary Baker Eddy, dass sie die Christliche Wissenschaft entdeckt hat, die heute christliches Heilen ermöglicht, und für das geistige Licht der Wahrheit und Liebe, das durch diese Erfahrung zu mir gekommen ist.
Carolyn Muir
Milan, Illinois, Vereinigte Staaten
