Leidenschaftlicher, glühender Hass. Man erkennt ihn sofort – er schürt Kriege und verursacht tiefe politische Spaltungen. Die meisten von uns würden gern Hass zumindest durch Toleranz ersetzen, obwohl das ideale Ziel Liebe wäre. Doch wie gelangen wir dorthin?
Sie denken jetzt vielleicht: „Ich hasse niemanden.“ Oder: „Ich habe nichts mit Hass zu tun.“ Doch beim näheren Hinsehen erkennen wir, dass wir in bestimmten Situationen Abneigung, Feindseligkeit und sogar offene Feindschaft empfinden. Nehmen wir beispielsweise in politischen Dingen eine neutrale Haltung ein? Wir mögen diese Gefühle sogar vor uns selbst rechtfertigen, denn immerhin scheinen sie echte Auslöser zu haben.
Wenn wir entdecken, dass es uns schwerfällt, eine Form von Hass loszulassen, kann eine Erforschung dieses Widerstands ein hilfreicher erster Schritt sein. Näher betrachtet, können wir erkennen, dass Hass vielfach auf der Furcht vor Verlust oder auf einem bereits erlittenen Verlust basiert: Furcht, dass uns etwas Wichtiges genommen werden kann, oder ein Verlustgefühl, da uns diese wichtige Sache bereits entwendet oder vorenthalten wurde. Hass ist vielfach eine unfreiwillige Reaktion auf Umstände, die außerhalb unserer Kontrolle zu sein scheinen.
Hass kann sich auch wie eine schützende Emotion anfühlen – er mag uns sogar ein Gefühl von Stärke verleihen –, während es wie ein Ausdruck von Schwäche aussehen mag, wenn wir mit Liebe darauf reagieren, dass andere uns grausam behandeln, uns Schaden zufügen oder einen Verlust verursachen. Doch Jesus hat ein Denkmodell vorgestellt, das verdeutlicht, dass Liebe wirklich die einzige Macht ist. Er lehrte uns, unsere Feinde zu lieben, statt zu hassen. Und das hat er uns vorgelebt. Während seiner Kreuzigung betete er für die, die ihn ans Kreuz geschlagen hatten: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lukas 23:34). Und am Ende führte seine Fähigkeit, mit Liebe zu reagieren, selbst in diesem Extremfall zum alles überragenden Sieg: seiner Auferstehung drei Tage später.
Jesu Beispiel zeigt uns, dass Gebet uns mit Gott, der die Liebe selbst ist, in Berührung bringt, und das zeigt uns einen Ausweg aus Hass. Wenn wir mit dieser umfassenden göttlichen Liebe kommunizieren, werden wir uns der Gegenwart der Liebe besser bewusst und können eine so große Liebe empfinden, dass Hass durch Vergebung ersetzt wird.
Wenn wir wirklich darum ringen, Hass zu überwinden, kann der erste Schritt hin zu Heilung der Wunsch sein, nicht von Hass jeglicher Form beherrscht zu werden. Dieser Wunsch öffnet unser Herz für die Allgegenwart der Liebe als einer umwandelnden Macht.
Das habe ich selbst erlebt. Ich habe jahrelang meine Mutter gehasst. Sie hat die Familie verlassen, als ich fünf war, und bis in mein Erwachsenenalter habe ich diesen großen Verlust gespürt. Ich glaubte, Hass würde meine Mutter so auf Distanz halten, dass sie mich nie wieder verletzen konnte.
Oft hatte ich den Eindruck, dass Hass mein Denken beherrschte. Ich verschwendete Zeit und Energie damit, diesen Hass zu nähren. Doch als ich kontinuierlich die Christliche Wissenschaft praktizierte, verstand ich nach und nach, dass ich etwas tun musste, um den Hass zu handhaben, statt ihn in meinem Bewusstsein schwelen und mein Denken und Handeln beherrschen zu lassen.
Und schließlich erkannte ich, dass die einzige Möglichkeit, den Hass loszuwerden, darin bestand, meiner Mutter zu vergeben. Das mag auf der Hand liegen, aber Vergebung war mir bis dahin nie in den Sinn gekommen. Und nachdem ich mein Leben lang zugelassen hatte, dass Hass mich zerfraß, wusste ich nicht, wie ich ihr vergeben sollte.
Eines Tages – ausgerechnet am Muttertag – begriff ich, dass der Zeitpunkt gekommen war. An dem Nachmittag nahm ich mir mehrere Stunden Zeit und bat Gott schlicht und einfach, mir zu zeigen, wie ich vergeben könne.
Gott half mir und zeigte mir sanft den Weg. Ich saß still da und öffnete mein Herz vollständig. Es war mir so wichtig, von dieser hässlichen Angewohnheit geheilt zu werden, und so war ich empfänglich für die heilende Tätigkeit der göttlichen Wahrheit.
Plötzlich erkannte ich zum ersten Mal, dass meine Mutter nicht aus freiem Willen weggegangen war; es war einfach das Ergebnis unglücklicher Umstände gewesen. Ich fühlte etwas vollständig Neues: Mitgefühl mit ihr.
Ich lauschte weiter auf Gott und fühlte mich in der göttlichen Liebe geborgen. Das war keine spezielle Liebe zu mir oder meiner Mutter; es war eine Befreiung, sodass ich die Liebe als allumfassende Macht und Gegenwart spüren konnte. Ich ließ meinen hartnäckigen Widerstand los, der mich jahrelang davon abgehalten hatte, die immer-gegenwärtige Liebe zu fühlen. Tränen flossen über mein Gesicht und ich empfand tiefe und reinigende Vergebung.
Und dann verstand ich zu meiner Überraschung, dass ich mir selbst dafür vergeben musste, den Hass genährt zu haben. Das fiel mir schwerer. Doch ich erkannte, dass ich nur versucht hatte, mich vor Verletzung zu schützen, und das schien verzeihbar. Während dieser Augenblicke des Gebets wurde ich vollständig von dem lebenslangen Hass auf meine Mutter und der Enttäuschung über meinen Mangel an Mitgefühl freigesetzt.
Diese Heilung macht mir Mut bei meinem Sehnen, dass Hassausbrüche in der Welt abnehmen mögen. Ich bin zunehmend davon überzeugt, dass augenscheinlich hasserfüllte Menschen und Orte mit heilender Anteilnahme betrachtet werden können, die selbst die schrecklichsten Formen von Hass auflösen kann. Wie die Christliche Wissenschaft erklärt, können wir erkennen, dass jeder Mensch der Liebe wert ist und auch fähig ist zu lieben und alle die Gegenwart der Liebe in ihrem Leben erkennen können, da Gott alle Menschen erschaffen hat.
Unsere Welt setzt sich aus vielen Einzelpersonen zusammen. Wenn wir Freiheit von Hass und allen seinen Auswirkungen erleben möchten, beginnen wir am besten bei uns selbst. Wir können begreifen, dass Hass kein Schutz ist, sondern Fortschritt behindert. Wirksamer als Hass ist die Entdeckung, dass Liebe überwindet, wiederherstellt, erlöst und heilt. Folgende Stelle von der Entdeckerin der Christlichen Wissenschaft, Mary Baker Eddy, schenkt uns Hoffnung: „Die Macht der Christlichen Wissenschaft und der göttlichen Liebe ist allmächtig. Sie ist tatsächlich ausreichend, um den Bann zu brechen und Krankheit, Sünde und Tod zu zerstören“ (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 412).
Jede und jeder von uns als Kind Gottes hat die natürliche Fähigkeit mitzuerleben, wie der Bann des Hasses gebrochen wird, und dann zu vergeben. Vergebung dreht dem Hass die Luft ab. Und was bleibt übrig? Ein umgewandeltes Leben, das die Verheißung von Frieden in der Familie, der Nachbarschaft, den Ländern, Völkern und der ganzen Menschheit mit sich bringt.
