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Die Kirche

Aus der Dezember 1903-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Wo sich auch nur ein bestimmter Begriff von Gott befindet, drückt sich das religiöse Denken in irgend einer äußerlichen Form des Gottesdienstes aus. In ihrer Hilflosigkeit erkennen die Menschen das Bedürfnis, eine höhere Macht anzurufen, und wenn eine Anzahl in einem gewissen Ort in ihrer Vorstellung dieser Macht und in der Weise der Anrufung übereinstimmen, entsteht eine Gemeinde Andächtiger oder eine Kirche. In Erörterung dieses Gedankens würde es scheinen, daß es gerade so viele Kirchen oder Gemeinden geben würde, wie es Gläubige gibt, die einen verschiedenen Begriff über Gott und des Menschen Verwandtschaft mit ihm hegen. Genau so ist es auch, und deshalb haben wir hunderte von Glaubensbekenntnissen, manche gänzlich verschieden, und andere nur durch unbedeutende Abgrenzungen getrennt. Dieses deutet nicht den Glauben an mehr als einen Gott an, sondern es zeigt nur, daß die Menschheit im ganzen noch kein wissenschaftliches oder beweisliches Verständnis von Gott und des Menschen Verwandtschaft mit Ihm gehabt hat, und daß deshalb irgend eines Menschen Ansicht, zu irgend einer Zeit, die Stiftung für ein neues Glaubensbekenntnis werden könnte. Grundsätzlich kann es doch nur einen unendlichen Gott und nur eine Erklärung (Auffassung) von Ihm geben, und deshalb ist es wohl recht zu sagen, daß die vielfältigen religiösen Glauben und die daraus entstehenden Gebräuche, sowohl im Abendland als im Morgenland, beweisen, daß die Menschen nicht wirklich den einzigen Gott angebetet haben, sondern ihren Begriff von Ihm. Wäre dies nicht so, dann wäre der Glaube an Brahminismus, Buddhismus, Mohammedanismus und andere dem Morgenland angehörige, sowohl als Verschiedenheiten in Glaubensbekenntnissen unter sogenannten Christen längst veraltet; es würde nur eine Kirche geben, und diese würde die triumphierende Kirche, die im endlosen Fortschritt, Frieden und Macht fortschreitet, sein.

In uralten Zeiten, sogar unter denen, die für gebildet gehalten wurden, war Vielgötterei gebräuchlich. Die Menschen hatten damals keinen Begriff von Gott als unendliches Prinzip, und folglich wurden gewisse menschliche Attribute in ihren Andachtsversuchen vergöttert. Die Bibel zeigt, wie Moses ein Volk von Vielgötterei zum Glauben an den Einen Gott führte, und durch verschiedene Kirchengebräuche und Feierlichkeiten die Gottheit symbolisch erklärte, und die Natur der großen Wahrheiten in betreff Gottes, des Menschen und des Weltalls andeutete, die später durch den Nazarener erklärt und bewiesen werden sollten. Indem das menschliche Denken Fortschritte machte und einen höheren Begriff von Gott bekam, nahm der äußerliche Gottesdienst einen höheren Sinn an, und dann und wann, indem himmlische Lichtstrahlen das Bewußtsein erleuchteten, folgten Zeichen und Wunder. Propheten deuteten die mögliche Verwirklichung einer verherrlichten Existenz durch getreuen, dem einzigen Gott geleisteten Gehorsam an, und allmählich machte die Menschheit Fortschritte in der Erkenntnis der wahren Anbetung. Unter all diesem ängstlichen Suchen nach der Kenntnis von Gott, lag die innige Hoffnung der Unsterblichkeit; aber niemand, der in das Schattenland hinübergefahren, war jemals zurückgekommen, ein begreifliches Zeugnis der Verwirklichung dieser Hoffnung abzulegen, und den Menschen Einen Gott und die Wirklichkeit der Unsterblichkeit mit der Macht eines Siegers zu verkündigen. Nur ein solcher allein könnte das menschliche Konzept von Gott vereinigen, und hierdurch eine Kirche gründen, die die ganze Menschheit freundlich aufnehmen, und durch ihre Macht jedes menschliche Bedürfnis stillen würde. Denn kein anderer als der, welcher Gott und seine unendlichen Gesetze durch die unzweifelhafte Logik der Wahrheit und Demonstration zu erklären im stande wäre, könnte menschliche Traditionen und Konzepte beseitigen. Bis dieses geschah, gab es weder Logik noch Beweise, die der ganzen Welt zusprechen könnten; also mußten die verschiedenen Glauben der Menschen sich natürlicherweise in verschiedenen Anbetungsformen ausdrücken.

Da aber die Zeit erfüllet ward, erschien die Blume der Hoffnung in voller Pracht. Der Sohn erschien den Vater zu erklären, Unsterblichkeit war geoffenbart und bewiesen, und durch die grenzenlose Liebe und das beispiellose Opfer des Erlösers wurde die allgemeine Kirche auf Erden gegründet. Daß diese Kirche nicht augenscheinlicher bewiesen ist, liegt daran, weil die Menschheit noch nicht das Ideal, worauf Jesus hinwies, angenommen hat. Als Jesus sein irdisches Leben, durch seine triumphierende Himmelfahrt aus dem Fleisch beendete, gab er das höchste Zeugnis von der Wahrheit seiner Lehre, und den Erdbewohnern blieb nicht länger ein gültiger Grund, verschiedenartige Begriffe über Gott und Seine Verwandtschaft mit dem Menschen und dem Weltall zu hegen. Jesus war der größte Schlichter des menschlichen Denkens, den diese Erde je gesehen, weil er die absolute und göttliche Wahrheit erklärte, und in der göttlichen Wahrheit allein, kann die Menschheit zu einer einzigen Folgerung gelangen, Einen Gott richtig würdigen, und in solcher Würdigung die ideale und allgemeine Kirche offenbaren. Jesus erklärte nicht nur die Natur Gottes und des Menschen, sondern er setzte eine der Menschheit unaussprechlich wichtige Wahrheit fest, als er erklärte, daß diejenigen, welche seinen Worten glaubten, und eine aufgeklärte Erkenntnis derselben erhielten, nicht nur jederlei Disharmonie überwältigen würden, so wie er es tat, sondern auch eine gleiche gegenwärtige Verwirklichung des unendlichen Lebens erhalten. Hier also war der Sieger, auf den die Welt gehofft, und von dessen Erscheinen sie geträumt, und bot den Menschen nicht nur ein Rettungsmittel von all den Übeln, die sie bedrängten, sondern zeigte ihnen auch einen Weg, ihre höchsten Hoffnungen zu verwirklichen. Nur verhältnismäßig wenige verstanden Jesum und die Bedingungen, wodurch diese Vollkommenheiten möglich waren, und diese Menschen wurden Christen genannt, und ihre Versammlungen wurden als christliche Kirchen, oder Kirchen Christi bekannt. Die, welche den Lehren des Meisters treu blieben, fanden dieselben praktisch beweislich, und die Geschichte erzählt ausführlich, daß die frühzeitige christliche Kirche jahrelang die Wunder vollbrachte, die Jesus denen verheißen hatte, die seine Jünger wurden. Die Offenbarung hatte stattgefunden; daß dieselbe von Gott kam, war bewiesen, und die Welt brauchte sie nur anzuerkennen und den Segen zu genießen. Daß sie es nicht tat, hatte weder die Offenbarung noch der Offenbarer verschuldet. Die Schuld lag gänzlich an denen, die versuchten, Jesu Lehren nach ihren eigenen persönlichen Begriffen auszulegen, und von einem materialistischen Standpunkt, während Jesus ausführlich erklärte, daß nur die Christus-Tür, die geistige Idee, zum Eingang in das Himmelreich führe. Als Jesus den einzigen Gott offenbarte, erklärte er zugleich, daß es nur einen Weg zu Ihm gäbe. Hinter all seinen wundervollen Worten und Werken lag seine mächtige Erkenntnis der Einheit Gottes und der Brüderschaft der Menschen. Einheit in Liebe und Gehorsam waren damals wie jetzt der Grundton einer erfolgreichen Jüngerschaft, und werden es auch bis ans Ende der Zeit bleiben. Der große Metaphysiker wußte, daß Gott als göttliches Prinzip, Liebe, anerkannt werden müsse, und die Brüderschaft des Menschen realisiert, denn sonst könnte die allgemeine Kirche Christi nicht auf Erden die Oberherrschaft erlangen. Er wußte, daß wenn die Menschen realisierten, daß alle nur einen Geist besitzen, den zärtlichen Vater-Mutter-Gott, dann wäre Brüderschaft nicht mehr ein bedeutungsloses Wort, und die Menschen würden nicht mehr das Selbst zu erheben streben, sondern würden die Entfaltung der Hoffnung und der Freude in der Nächstenliebe suchen. Er wußte ferner, daß die Selbstverleugnung zu geistiger Urteilskraft führen würde, daß sie Spaltungen verhindern, das wahre Ideal erheben und die Kirche in Einigkeit im Bündnis des Friedens erhalten. Hierdurch würde die Entfaltung des geistigen Denkens mächtig voranschreiten, und die Kirche den erdenmüden Wanderern zum Krankheit und Sünde vertilgenden Leuchtturm werden. Einheit in geistiger Liebe war ein so wichtiger Bestandteil der wahren christlichen Kirche, daß deren Gründer dieselbe zu einer der Proben und Zeugnisse der Jüngerschaft machte, indem er sagte: „Dabei wird jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe unter einander habt.“ Ohne diese wäre geistiger Fortschritt in der Kirche langsam oder unmöglich; denn ohne die Demut und Macht der geistigen Liebe, welche ein Schutz gegen angreifende materielle Gesinnung und die Schlauheiten der Sünde ist, gäbe es keinen sicheren Schutz gegen die Einführung von materiellen Konzepten und persönlicher Vergrößerung in die Kirche und den darauf folgenden Verlust der geistigen Urteilsraft, die allein vermag die wahre Erkenntnis der Christus-Offenbarung fortzupflanzen. Die Antwort zu der oft wiederholten Frage: „Weshalb erstarb die geistige Macht der frühzeitigen christlichen Kirche so bald?“ ist hiermit angegeben. Die Apostel wußten, daß persönliche Auslegung der Offenbarung Jesu nur Unheil hervorrufen würde, und Paulus erörtete eine oft wiederholte Warnung, als er sagte: „Auch aus euch selbst werden aufstehen Männer, die da verkehrte Lehren reden, die Jünger an sich ziehen. Darum seid wacker und denket daran, daß ich nicht abgelassen habe drei Jahre, Tag und Nacht einen jeglichen mit Thränen zu ermahnen.“ O weh! daß diese Ermahnung nicht beachtet wurde! Durch teilweise geöffnete Türen des Bewußtseins fanden die mannigfaltigen üblen Einflüsterungen Eingang, und gleich schlechtem Samen fanden sie Herberge in dem Grund persönlicher Ehrbegierde und Selbst-Führerschaft. Diese ruchlosen Begierden bewirkten ein verfinstertes Verständnis, und später, durch Mißdeutung des Wortes, durch scholastische Theologie, so daß die Kirche Christi zuletzt ganz undeutlich in ferner Perspektive lag, und Gemeinden auf Glaubensbekenntnisse und Traditionen gegründet und gänzlich ohne die Kraft der Demonstration dunkel im Vordergrund auftauchten und ihre sich immer verlängernden Schatten die himmlische Kirche und dass makellose Ideal der Offenbarung Christi verdunkelten. Vorübergehende Jahrhunderte sind Zeugen der Geburt von vielen dieser neuen Auslegungen des Meisters Lehren gewesen; aber sogar die Existenz dieser großen Anzahl Glaubensbekenntnisse und dogmatischer Formen des Gottesdienstes beweisen desto deutlicher den Verlust des wahren Ideals, und der Sieg über die Furcht, den Jesus seinen Nachfolgern versprochen hatte, ist eine einfache Tradition, oder ein Traum dessen, das möglich sein könnte, geworden. Jetzt, wie vor der Zeit, als die große Freude verkündigt wurde, erflehen die Menschen von den Kirchen ein vernünftiges Zeugnis ihres Glaubens, und man begegnet ihnen mit dem Geständnis, daß sie keines besitzen.

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