Die letzten Worte, welche beim Dahinscheiden des großen deutschen Dichters Goethe gesprochen wurden, war der Ruf: „Mehr Licht!” Zwei Worte von geringer Wichtigkeit im gewöhnlichen Leben, aber voll tiefster Bedeutung, als sie sich den erbleichenden Lippen des großen Gelehrten entrangen.
Goethe hatte reichlich vom Baume des Wissens (der Erkenntnis) gepflückt, und mit dem Antrieb wahrer Größe gab er der Welt vorbehaltlos von den Früchten seiner Arbeit. Das Zeitalter, in welchem er lebte, erkannte, daß er auf einer höheren Stufe des Denkens (und des Wissens) stand als seine Zeitgenossen, und bis auf unsere Zeit ist er in der ganzen Welt als einer der größten litterarischen Meister angesehen worden, und dennoch, von welchem Nutzen war all sein irdisch erlangtes Wissen, waren seine Kenntnisse und Fähigkeiten, als die Schatten des irdischen Sinnes sich in die Dunkelheit der Nacht hinabsenkten? Dann ging der hungernde Schrei hinaus und verwandelte den Mann mit dem riesenhaften Verstande in wenig mehr als „ein Kind, das rufet in der Nacht, ein Kind, das rufet nach dem Licht.” (Tennysons Worte.)
Dieser beinahe rührende Anblick von der Ohnmacht dessen, was die Welt „Größe” nennt, wird von dem Christian Scientisten noch in einem ganz anderen Lichte angesehen, da er eine gewisse Erhabenheit und Beredsamkeit in diesem Ausrufe entdeckt; und wer kann sagen, daß es nicht das Erwachen des Bewußtseins aus diesem Traum des Lebens in der Materie und dem falschen Begriff von Licht war, zu einem beginnenden Verständnis von der Wirklichkeit des Daseins, worin Gott-Gut das Allerhöchste ist und seine Schöpfung, vom Licht erleuchtet, als vollkommen und unzerstörbar offenbart wird!
Ein Christian Scientist zu sein, heißt, bis zu einem oder dem anderen Grade erwacht zu sein, zu diesem Verständnis, die Notwendigkeit für mehr Licht einzusehen und mit dem Streben darnach zu beginnen, und in dem Augenblick, wo dieser Ruf hinausgeht aus der Fülle des Herzens, beginnt der Prozeß der Heilung. Solch ein Ruf bleibt niemals unerhört oder unbeantwortet von dem „Vater des Lichts, bei welchem ist keine Veränderung noch Wechsel des Lichts und der Finsternis,” sondern die Sündenkranken und Müden auf Erden fangen an, den erneuernden Einfluß des Lichtes zu spüren, das „alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen,” und die Bedeutung des Schriftwortes zu verstehen: „Ihr müßt von neuem geboren werden.” Das Traurige ist nur bei vielen Menschen, daß sie sich, sei es aus Unwissenheit und Trägheit, oder aus Halsstarrigkeit und Weltliebe, abwenden von der geistigen Erleuchtung. Alle diese Zustände sind beklagenswert, indem sie den Menschen der physischen Gesundheit und des wahren Glückes berauben; sie leugnen und kreuzigen den lebendigen Christus ebenso, wie Petrus es that, als der Teufel (der böse Einfluß) ihn durch Verleugnung von seinem Herrn abwandte, und wie die ungläubigen Männer thaten, indem sie ihn so verschmähten, daß sie ihm ins Angesicht spieen und ihn an den Baum hefteten. Ist es nicht augenscheinlich, daß früher oder später das menschliche Bewußtsein besser und geistiger werden muß? Zwei Frangen tauchen auf, wenn wir über diese augenscheinliche Verderbtheit nachdenken: Warum ignorieren (lassen) die Sterblichen Christum (unbeachtet) oder stoßen ihn zurück? Und: Wann werden sie zur Erkenntnis ihrer Thorheit kommen?
Von der heiligen Schrift abgeleitete Antworten scheinen diese Einwürfe völlig zu erklären. Erstens: Weil „das menschliche Herz ein trotzig und verzagtes Ding” ist, wer kann es ergründen? Und zweitens: (Wann werden sie zur Erkenntnis kommen?) Wenn der sterbliche Sinn, — der schlaueste Feind des Menschen, — dem Richter überliefert wird, und der Richter ihn zum Gefängnis verurteilt, so wird er nicht wieder herausgehen, bis „das Sterbliche wird anziehen die Unsterblichkeit,” bis jeder falsche Glaube an die Materie oder an die Abhängigkeit von der Materie aufgegeben ist, oder, wie Matthäus sagt, „er den letzten Heller bezahlet.” So wird es erkannt werden, daß Unwissenheit von Gott und Selbsttäuschung offenbar die Ursachen geistiger Blindheit sind, und dieser traurige Zustand fortdauern wird, bis das hungernde, im Finstern herumtappende Herz seine Verlassenheit einsieht, und aus sich selbst herausgeht in dem Flehen um mehr Licht. Wir wissen, daß es Bewohner des Ozeans gibt, welche vorziehen, in entlegenen, dunklen Höhlen zu vegetieren, wo kein Sonnenstrahl je hineindringt, und da halten sie sich versteckt unter den Schatten, bis der alles beglückende Sinn des Augenlichtes für sie verloren ist, und man in Wahrheit von ihnen sagen kann, „sie haben Augen und sehen nicht.” Diese thörichten Geschöpfe ziehen sich unbewußt eine furchtbare Strafe zu, denn rings um sie her ist eine Welt voll leuchtender Perlen, glänzender Korallen und Grotten, erhellt von Regenbogenfarben und mit einem Teppich von wunderbarem Grün bedeckt. Scheint es möglich, daß irgend ein Geschöpf sich freiwillig von solcher Schönheit abwendet, um blind und elend zu werden? Dennoch ist es genau so hier in der oberen Welt. Zahllose Sterbliche sitzen blind und elend in den finsteren Kammern der Sinne, schließen beharrlich das Sonnenlicht der Wahrheit von sich aus, und nähren quälende Gedanken des Hasses, des Neides, der Furcht, der Unreinheit, der Krankheit und des Todes.
Mein Zweck, diese Gedanken in Worte zu kleiden, ist die sehnsüchtige Hoffnung, daß es irgend jemanden erreichen möchte, der in solch einer finstern Kammer sitzt, umgeben von solchen bösartigen Gästen. Solch einen Menschen möchte ich ernstlich bitten, aufzustehen und die Fenster weit zu öffnen, die Schar der häßlichen Schatten hinauszutreiben, und die Strahlen des Lichtes hereinzulassen, das dich in Wirklichkeit umgibt, ein Prozeß, der nicht schwierig ist, wenn du weißt, daß du nur die Macht des Irrtums und der Finsternis zu leugnen hast, und die Allheit und Allwissenheit Gottes, des Lichtes, zu erklären. Mache diese Verleugnung, lieber Dulder, und laß ihr die wissenschaftliche Erklärung folgen; bemühe dich zu erkennen und zu verwirklichen, daß du im Lichte „lebst und webst und dein Dasein hast,” und dann beobachte die Veränderung deiner Last. Denke einen Augenblick darüber nach, was die Finsternis alle diese Jahre für dich bedeutete, und dann wende den Gedanken hin auf die Verwirklichung des allmächtigen, allgegenwärtigen Lebens. Solch ein Vorgang ist ein ernstes Gebet, ein Ruf zum Vater um mehr Licht, und eine solche Bitte wird nicht leer zu dir zurückkommen. Ist es ein beständiges Gefühl körperlichen Schmerzes, daß dich in scheinbar immer festerer Gewalt hält? Zögere nicht einen Augenblick, das Licht zu suchen, welches diese schreckliche Illusion verscheuchen wird. Du magst wohl im Anfang eine gänzliche Kraftlosigkeit fühlen und nicht wissen, wie du das thun sollst. Selbst Mrs. Eddy, die Botin Gottes, welche uns Christian Science, — die Christus-Heilung — brachte, wußte das nicht; aber in einem so hoffnungslosen und hilflosen Augenblick wandte sie sich mit aller Kraft und Entschiedenheit an den göttlichen Geist und fand Erlösung und Hilfe. Sie bewies, daß die göttliche Methode eine absolute praktische Heilung für jedes Übel ist, und dann, geführt vom Geiste, gab sie der Welt den Schlüssel, den sie gefunden hatte, um die heilige Schrift zu erschließen, damit alle dadurch lernen könnten, wie sie sich dem großen Arzte nahen und geheilt werden können. Versuche diese wissenschaftliche Weise, den Feind zu verklagen und zu besiegen, der dich deiner Kraft und deines Glückes berauben will, und wende dich an Gott, den Geist, um Hilfe. „Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Besserung (engl. Bibel, deine Gesundheit) wird schnell wachsen ... und die Herrlichkeit des Herrn wird dein Lohn sein.” (Engl. Bibel).
Sind es die Aussatzflecken sündiger Gedanken und Wünsche, die dein Leben zur Last machen? Wisse, daß so mancher Aussätzige gereinigt und geheilt wurde durch die göttliche Liebe. Mache dein Herz leer von seiner Unreinheit, wasche, reinige die befleckten Hände, und in der Stunde der Läuterung lies und mache diese Worte Jesu praktisch, die Er zu dem ehebrecherischen Weibe sprach: „So verdamme ich dich auch nicht, gehe hin und sündige nicht mehr ... Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.”
Scheint der Tod dir wirklich und schrecklich, und wirft er seinen finstern Schatten auf deinen Pfad, macht ihn einsam und öde? Gib alle Gedanken der Furcht auf, und ob „Du auch wandelst im finstern Thal, fürchte kein Unglück.” Der Tod wird nur die schattenhafte Unwirklichkeit eines verfolgenden Traumes sein, gänzlich unbekannt für Gott, der nur das machte, was gut ist, und darum keinen Teil am Tode haben kann, den „in Ihm war das Leben, und das Leben ist das Licht der Menschen.”
Haben sich Kummer und Schmerzen verbündet, deine Gestalt zu beugen, deine Tage und Nächte mit nutzlosen Thränen zu erfüllen? Halte ein für einen Augenblick mit deinem Trauern um irdischen Verlust, irdische Prüfung, und trauere vielmehr, daß die Wolken dir so lange die Sonne verfinstern konnten, dann wirst du selig sein, denn Jesus sagte, daß diejenigen, welche in solcher Weise trauern, getröstet werden sollen, und indem du auf diese Verheißung baust, wird Er „dein Trauern in Freude verwandeln,” und „dich trösten und erfreuen nach deiner Betrübnis.” „Du wirst Ihn bitten und Er wird dich hören ... und das Licht wird auf deinem Wege scheinen.”
Dies sind christlich-wissenschaftliche Methoden, um die bösen, unharmonischen Gäste, welche die Sterblichen verfolgen, zurückzuweisen und hinauszutreiben, und es ist ganz gleichgültig, welche Behauptungen der Irrtum macht, um die Wahrheit zu verhindern, ob er in dem schlauen Gewand von Eifersucht, Haß, Niedergeschlagenheit, Eigenliebe, Stolz oder Armut kommt, diese müssen alle überwunden werden und man muß gegen sie das göttliche Gegenmittel anwenden, daß sich auf jeder Seite der heiligen Schrift befindet. Unser Textbuch „Science and Health” erklärt das „Warum” und „Wozu” des geistigen Heilens. Es gibt dem „Suchen in der heiligen Schrift” einen neuen Impuls, neue Inspiration.
Bringt diese vergeistigte Idee deinem Bewußtsein einen schimmernden Strahl der Hoffnung, welcher den Schleier deiner Finsternis aufheben möchte? Sicherlich hast auch du irgendwo ein Licht brennen, sei es auch noch so trübe, und mag es längst unter einem „Scheffel” (von Entmutigung und Verzagtheit) verborgen gewesen sein. Bringe es nur hervor und „schmücke deine Lampe,” und das Licht der Gottesliebe wird es stärken und verherrlichen (heller machen), und wer weiß, ob nicht auch ein anderer, der im Finstern sitzt, gleich dir ein großes Licht siehet!
„Und das ist die Verkündigung, die wir von ihm gehört haben, und euch verkündigen, daß Gott Licht ist, und in ihm ist keine Finsternis ... So wir aber im Lichte wandeln ... haben wir Gemeinschaft unter einander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde.”