Vor fünf Jahren in der Weihnachtszeit hörte ich zum ersten Male die Worte „Christian Science" aussprechen.
Ich besuchte eine Kollegin in ihrer Pension und fand sie in einem sehr traurigen Zustande. Sie erzählte mir, sie habe solche heftige Magenschmerzen, daß sie nicht stehen und gehen könne. Der Arzt habe nach der Untersuchung gesagt, sie dürfe nie wieder feste Kleidung tragen und müsse sich eine Bandage anfertigen lassen, was sie auch gethan hatte.
Sie war nach Dresden gekommen, um sich für die Bühne auszubilden und war natürlich sehr unglücklich, da sie nicht wußte, ob sie jemals wieder würde singen können. Da ich zu der Zeit noch volles Vertrauen in Ärzten hatte, konnte ich ihr auch keinen besonderen Trost geben. Ungefähr acht Tage später traf ich sie auf der Straße; sie kam lächelnd auf mich zu und sagte, „ich bin wieder ganz gesund.” Auf meine Frage, wie das so schnell gekommen sei, antwortete sie, sie sei in der Christian Science behandelt worden, konnte mir aber, da sie als Russin nicht englisch gelernt hatte, keine weitere Auskunft geben, als daß eine Amerikanerin dieses ausübe, so daß ich sie wegen ihrer Leichtgläubigkeit verspottete und sagte, „das mag ein schöner, neuer Humbug sein!” Zu der Zeit war ich auch wieder in ärztlicher Behandlung ohne Erfolg. Ein nervöses Leiden, welches die Folge von Aufregungen war und eine Ohrenentzündung, verbunden mit schwerer Nervenlähmung, die mir seit mehreren Jahren zeitweise das Leben zur Qual gemacht hatte, kehrte allmählig mit voller Macht wieder. Ich war im Studium für mein Gesanglehrerinnenexamen, mußte mich aber von verschiedenen Fächern dispensieren lassen und war schließlich so wiet, daß ich keinen Ton Musik mehr hören könnte. In den Nächten wanderte ich im Zimmer herum mit bloßen Füßen, um niemand zu stören; am Tage war ich wie zerschlagen, mein ganzer Körper schmerzte, dazu war ich immer halsleidend, da ich glaubte, das hiesige Klima nicht vertragen zu können. Ein Spezialarzt für Halsleiden that alles, was er konnte, verordnete Eisenbrunnen und andere Medizin, nichts half.
Das einzige, was mir übrig blieb, war nach meinem damaligen Glauben, mein Studium aufzugeben und still auf dem Lande zu leben; aber ich war darauf angewiesen, einen Beruf zu ergreifen.
In dieser unglücklichen Stimmung hatte ich Tag und Nacht Selbstmordgedanken. Aber die göttliche Liebe hat mich, die ich nicht an Gott hatte glauben wollen und können, wunderbar geführt.
Anfangs März ging ich in dieselbe Pension, in der meine Kollegin wohnte, und nach einigen Tagen machte man mir den Vorschlag, es mit der Christian Science zu versuchen. Mit dem größten Unglauben ging ich zu der Scientistin und muß gestehen, daß ich mich nach der ersten Behandlung gehörig darüber lustig machte. Trotzdem ging ich aber am zweiten Tage wieder zu ihr und befolgte auch gewissenhaft ihre Anweisungen, keine Medizin einzunehmen und auch sonst keine materiellen Mitteln anzuwenden. Wahrlich, was Freiheit ist, lernen nur diejenigen verstehen, denen das Verständnis der Christian Science aufdämmert. Nach einigen Behandlungen wurde ich ruhiger, konnte nachts ruhig liegen, der Schlaf kam auch wieder, und auch alle Leiden verschwanden nach und nach, so daß ich nach mehreren Wochen ein Bild der Gesundheit war, und alle Bekannten fragten, was diesen Wechsel bewirkt habe. An Stelle des Lebensüberdrusses kam eine Lebensfreude über mich, die seitdem immer gewachsen ist; ich war wieder jung geworden. Wie herrlich ist es, zu wissen, daß es nur ein Gesetz gibt, und daß alle grausamen, von Menschen gemachten Gesetze und Theorien keine Gültigkeit haben.
Ich wage nicht auszudenken, was ohne die Christian Science aus mir geworden wäre, und darum ist einer meiner Lieblings-wünsche, eines Tages derjenigen persönlich danken zu können, die uns die wahre Freiheit erkennen gelehrt hat.
Dresden, Deutschland.