Die Bedeutung des Wortes „Verneinen” oder „Leugnen,” wie es in Christian Science gebraucht wird, wird im allgemeinen sehr mißverstanden. Es wird oft dahin ausgelegt, als wolle es eine allgemeine Nichtanerkennung des Bösen bezeichnen, ein nachlässiges beiseite Schieben von allem, was nicht angenehm und erfreulich ist, ein völliges Übersehen alles dessen, was gebessert oder gänzlich ausgerottet werden muß; die Annahme jedoch, daß die Christian Scientisten das Böse als Einbildung behandeln, beruht auf einem Irrtum, Sie wissen sehr wohl, daß das Böse für den sterblichen Geist wirklich, sehr wirklich ist. Sie erkennen, daß der böse Gedanke der bösen Tat vorangeht, sie greifen daher das Böse an der Wurzel an und nicht an den Zweigen, und diese Methode muß die zerstörende Wirkung ihrer Bemühungen notwendigerweise erhöhen. Sie erkennen, daß böse Gedanken „das Unkraut sind, die Kinder der Bosheit. Der Feind, der sie säet, ist der Teufel.” Ihr vernichtendes Verfahren ist geistig und sie zielen auf die Sünde, das Böse oder den Teufel.
Christian Science bietet ein äußerst einfaches, unfehlbares Verfahren für die Vernichtung des Bösen, welches an der Ursache des Bösen, anstatt an seinen Wirkungen arbeitet. In Christian Science sehen wir heute den Höhepunkt der Civilisation, die gründlichste und weiteste Ausbildung des Geistes und des Gemütes. Es wird durch dieselbe eine Klasse Menschen angezogen, welche sich durch Vorwärtsstreben, durch Intelligenz und durch jenen derben sittlichen Mut auszeichnet, welcher für den Pionier jeder neuen Idee unentbehrlich ist. Das Streben, alles Böse auszurotten, Civilisation und Fortschritt zu fördern, und die Menschen körperlich, sittlich und geistig aus einer niedrigen Lebensstufe emporzuheben, steht bei den Christian Scientisten an erster Stelle.
Christian Science bedeutet nicht ein gleichgültiges Nichtanerkennen von Not und Leiden, — eine Weigerung nach dem Heilmittel für das Böse zu suchen, — im Gegenteil; ihre Verneinungen sind mit der Kraft der Sympathie und des Trostes gefüllt. Aus Liebe zur Menschheit, aus Mitleid mit denen, die leiden wie wir einst litten, bestreben wir uns die besten Mittel anzuwenden, um ihnen zu helfen.
Wir wissen, daß der göttliche Geist alle Macht in sich schließt und wir suchen diese Macht zum Heile anderer widerzuspiegeln. Unsere Mittel sind heilsam, weil der Geist wirksam ist. Überall in der Welt sehen wir Beweise menschlicher Hilfsbereitschaft, aber mit Christian Science ist das Zeitalter geistiger Hilfe erschienen. In der Stille der Gedanken reichen wir den Becher kalten Wassers dar in Christi Namen, im Namen oder im Auftrage der geistigen Offenbarungen der Christuswahrheit.
Jesus lehrte uns praktisch zu beten; er lehrte uns wie wir die Erfüllung unserer Gebete erlangen, wie wir Gutes zum Ausdruck bringen können. Er sagte: „Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubet nur, daß ihr’s empfahen werdet, so wird’s euch werden.” Als Christian Scientisten suchen wir das Gute nach der Vorschrift seiner Lehre zu betätigen. Wir glauben, daß wir das allgegenwärtige Gute, Gott, haben. Zuerst suchen wir den geistigen Sinn des Besitzens zu gewinnen, damit uns alles zufällt. Dies war die Art und Weise, auf welche Jesus das Gute zum Ausdruck brachte, und hieraus können wir mit Sicherheit schließen, daß er dasselbe Verfahren anwandte um das Böse zu vernichten, und er hätte ebenso gut sagen können: alles Böse, was ihr nicht haben wollt, leugnet es in eurem Gebet, glaubet, daß ihr es nicht habt in Christi Namen, auf die Autorität der Wahrheit hin, und es soll von euch genommen werden. Das ist die Art und Weise des „Verneinens,” welche die Christian Scientisten üben. Wir unternehmen ein tätiges Nichtglauben an die Wirklichkeit all des Bösen das vernichtet werden soll, damit das Himmelreich auf Erden erscheinen möge. Wir leugnen die Existenz von Sünde, Krankheit und Tod, aber wenn wir den Ausdruck „leugnen” gebrauchen, so meinen wir damit nicht, daß wir in einem Zustande von Gleichgültigkeit gegen das überall uns umgebende Elend der Welt, gegen Sünde, Krankheit und Tod dahin träumen.
Unsere Verneinungen sind Gebete — ein tätiges, zielbewußtes Nichtglauben an die Macht, Tätigkeit oder Gegenwart des Bösen, um dem Gehorsam gegen das erste Gebot näher zu kommen: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben” [an keine anderen glauben]. Wir dürfen nicht vergessen, daß: „Der Buchstabe tötet, aber der Geist machet lebendig.” Unsere Verneinungen dienen dem Zweck, den Irrtum durch Festhalten an der Wahrheit unwirklich zu machen; sie sind eine geistige Übung, nicht ein mechanisches Befolgen des Buchstabens. Wenn unsere Verneinungen nicht geistiger Art sind, ein tätiges Nichtglauben an den Irrtum, sind sie nicht beweisbare Wahrheit, und besitzen daher keine praktische Wirkung. „Glaubet nur, daß ihr’s empfahen werdet, so wird’s euch werden,” was es auch immer sein mag, an das ihr glaubt, ob gut oder böse. Ein Glaube an die Krankheit setzt uns der Möglichkeit aus, ein Opfer derselben zu werden. Wenn wir glauben, daß wir uns in Knechtschaft befinden, so tragen wir selber dazu bei, uns zu binden und das Mittel den Ketten der Sklaverei zu entrinnen besteht darin, nicht zu glauben, daß man gebunden ist, zu wissen, daß man frei ist.
„Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.” Dies ist der Weg, der aus allen Anfechtungen herausführt. Wenn unsere Lage und Umgebung uns beengt und fesselt, so gibt es kein Entrinnen für uns, so lange wir in diesem Bewußtsein von Knechtschaft verharren. Die fesselnden Bande fallen nur dann, wenn das Gefühl, das Bewußtsein des Gefesseltseins durchbrochen wird. Wenn das Wort des Herrn erscheint, wenn der Geist des Meisters, oder die meisternde Wahrheit erscheint, dann ist die Freiheit da, und der Mensch schreitet frei einher, die Freiheit selber verkörpernd. Wenn wir glauben, daß Gott Alles in allem ist, so liegt darin sicherlich das Nichtglauben an alles, was nicht gut ist. Dies ist unsere Art und Weise das Böse zu „verneinen.”
Die Christian Scientisten sind vielen Versuchungen ausgesetzt, an Hindernisse zu glauben, an eine Vielheit von Geistern — Geister, welche dem Fortschritt und der Wahrheit zu widerstehen suchen. Die Worte unseres Meisters: „So ihr nun glaubet, daß ihr es empfangen habt, so wird es euch gegeben werden,” sollten uns nie verlassen. Es tut uns not bei unserem Gebet wachsam zu sein, sorgfältig acht zu geben, daß wir nicht glauben, es stünden uns Hindernisse entgegen, damit unser Denken die Dauer derselben nicht verlängert. Das, woran wir glauben, erhalten wir in seiner Fortdauer. Welche Macht kann ein Mensch über ein Hindernis besitzen, solange er glaubt, daß es ein Hindernis ist? Um einen Irrtum, an den man glaubt, zu entfernen, muß man anfangen, nicht an denselben zu glauben und die Wahrheit zu wissen. Um Hindernisse aus dem Wege zu räumen, müssen wir von der tiefinneren Überzeugung durchdrungen sein, daß der göttliche Geist fest gegründet, beständig, unwandelbar ist „gestern und heute, und derselbe auch in Ewigkeit.” Hartnäckigkeit ist nur eine falsche Nachahmung von Beständigkeit, etwas unwirkliches. Wir müssen wissen, daß in geistiger Wahrnehmung und Erkenntnis alle Macht beruht, und daß unser geistiges Denken allein unwandelbar ist. „Der Christian Scientist hat sich verpflichtet, das Böse, Krankheit und Tod zu verringern; und er überwindet sie dadurch, daß er ihr Wesen als Trug, als Unwirklichkeit und Gott, das Gute, als allein existierend erkennt” (Science and Health, S. 450). Zweck und Ziel seines Lebens besteht darin, den menschlichen Willen aufzugeben, damit er nur den göttlichen Willen und Zweck zum Ausdruck bringt. Der Christian Scientist ist Meister in dem Maße, in welchem er seine geistige Herrschaft, die Herrschaft des Geistes, wahrt. Wo der sterbliche Sinn, oder sterbliches Wirken, abwesend ist, da scheint die Wahrheit durch, in welcher Macht in Macht widergespiegelt wird; wo der Meister offenbar wird, — der Meister, welcher sagte: „Ich bin bei euch (in eurem Innern) alle Tage, bis an der Welt Ende.”
