Die Christen haben zu allen Zeiten mehr oder weniger an die Kraft des Gebetes geglaubt — an die Gewohnheit, unseren Vater im Himmel anzurufen, sowohl um Hilfe in Zeiten der Trübsal, als um Weisheit, Einsicht und das tägliche Brot. Nichtsdestoweniger ist der Glaube vieler wegen Mangels an Wirkungen des Gebets schwankend geworden. Es ist die Mission der Christian Science, den Glauben an Gott wiederherzustellen und die aus älterer Zeit berichteten Wirkungen der Gemeinschaft mit Ihm wieder zu erneuern. Es ist nicht die Absicht dieser Religion, etwas anderes an die Stelle des Urchristentums zu setzen, sondern es praktischer zu machen. Ihre Anhänger beten zu dem „Gott unserer Väter,” „dem Gott Isaaks und Jakobs,” dem Gott der Orthodoxen, — aber mit einer neuen Erkenntnis Seiner. Durch diese Religion wird unser Verständnis Gottes klarer und bestimmter, und wir wissen daher besser, wie wir Ihm zu nahen und wie wir unsere Bitten vorzutragen haben. Wenn wir die Natur und das Wesen der Gottheit verstehen, wissen wir besser, was Er vermag und uns gewähren wird, und wie wir uns zu verhalten haben, damit wir vorbereitet sind, von der göttlichen Quelle zu empfangen.
Im Geschäftsleben wollen wir wissen, mit wem wir es zu tun haben. Selbst einem guten Menschen vertraut man mehr nach gründlicher Bekanntschaft, als solange er noch ein Fremder ist. Wir bedürfen einer tiefen, geistigen Wahrnehmung der Natur und Eigenschaften Gottes, damit unser Vertrauen durch genügende Einsicht in die göttlichen Hilfsquellen unterstützt werde, und damit wir uns die Gaben Gottes zugänglich machen können. Ein klares und umfassendes Verständnis des göttlichen Wesens ist die notwendige Vorbedingung für die Wirksamkeit des Gebetes.
Die Welt hat sich daran gewöhnt, das Leben vom philosophischen Standpunkte zu betrachten. Man verlangt eine vernünftige und logische Erklärung für das tägliche Wohl, darunter auch Lebensunterhalt und Fürsorge, wie für Geburt, Entwicklung, Werden und Vergehen. Die bloße Behauptung, daß die göttliche Hilfe durch Gebet angerufen werden kann, ist nicht ausreichend, um den fragenden Geist zu befriedigen. Auch ist sie nicht praktisch genug. Man möchte wissen, in welcher Hinsicht und auf welche Weise die Gemeinschaft mit Gott wirksam ist. Eine gewöhnliche Frage ist: Können die Sterblichen die göttliche Vernunft durch Überredung veranlassen, eine Handlung zu begehen, die sonst unterbleiben würde; oder ist es notwendig, den Allweisen über unsere Bedürfnisse zu unterrichten oder an Seine Pflichten zu erinnern? Da Gott unveränderlich, allwissend, allmächtig und allgegenwärtig ist, müssen wir zu dem Schluß kommen, daß keine menschliche Bemühung zu dem göttlichen Ratschluß etwas hinzufügen oder davon etwas wegnehmen, oder den Willen Gottes in irgend einer Weise beeinflussen kann. Wir müssen daraus schließen, daß die Wirksamkeit des Gebets eher in der Rückwirkung auf den Menschen als in der Wirkung auf Gott zu suchen ist. Das Werk Gottes ist vollendet, gestern, heute und immerdar. Wenn die Sterblichen lernen, „aufzublicken” anstatt niederzusehen, werden sie nicht vier Monate warten, sondern „die Felder reif für die Ernte schauen.”
Gebet und das rechte Tun bringen den Menschen in Gemeinschaft mit Gott, sie bringen ihm die göttliche Allmacht und Gegenwart zum Bewußtsein. Sie erfüllen so das Gebot des Meisters: „Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes, und nach seiner Gerechtigkeit,” und das Ergebnis, welches er verspricht, kann nicht ausbleiben: „so wird euch solches alles zufallen.” Indem wir die göttliche Gegenwart innerlich erleben, gelangen wir unter Seinen Einfluß, und der Trieb des Göttlichen hilft uns unsere Schwächen überwinden. Diese Erklärung des Gebetes und seiner Erhörung ist annehmbar. Sie steht im Einklang mit göttlicher Offenbarung und befriedigt den denkenden Geist. Das Gebet erscheint auf diese Weise vernünftig, sein Zweck durchsichtig, seine Folgerungen logisch, sein modus operandi (sein Verfahren) wissenschaftlich, und seine Ergebnisse wirkungsvoll.
Die Lehren der Christian Science.
Der erste Lehrsatz dieser Religion, der Schlüssel zum geistigen Verständnis, ist die Definition Gottes, wie sie in der Lehre Jesu zu finden ist: „Gott ist Geist,” in den Worten Johannes: „Gott ist Liebe” und in Pauli Erklärung: „Der Geist ist die Wahrheit.”
Auf diesen grundlegenden Sätzen erhebt sich ein logisches und vollständiges, wissenschaftliches und religiöses System, das seine Entdeckerin, Mrs. Eddy, als „Christian Science” bezeichnet hat. Diese Religion wird in ihrem Hauptwerk: „Science and Health, with Key to the Scriptures,“ folgendermaßen kurz umschrieben: „Der Geist ist Gott, und der Mensch sein Ebenbild; daher ist der Mensch ein geistiges und kein materielles Wesen” (S. 464).
Das obige Eitat ist abstrakt, aber es enthält den Kern der neuen Lehre. Es bedarf jedoch einer Ergänzung durch die ausführlicheren Darlegungen, die das obenerwähnte Textbuch der Christian Science bietet.
Manche behaupten, Christian Science sei lächerlich, weil ihre Lehre gegen das Zeugnis der fünf Sinne verstoße, aber wir dürfen nicht vergessen, daß die Grundlage des Christentums, die Erklärung unseres Herrn, daß „Gott Geist” sei, und seine Lehre von der Allmacht Gottes dem Zeugnis der fünf materiellen Sinne so radikal widerspricht, wie irgend eine Lehre der Christian Science. Die physischen Sinne rufen: „Ich glaube nicht, daß Gott Geist und ‚bei uns‘ sei, denn ich sehe keinen Geist.” Und doch nehmen die Christen diese Aussage unseres Meisters allgemein als wahr an und weisen so das Zeugnis der körperlichen Sinne zurück. Wir bestehen darauf, daß jeder, der die Lehre Jesu: „Gott ist Geist” unterschreibt und ihr anhängt, notwendigerweise jede Behauptung der Christian Science zugeben muß; denn die gesamte Lehre dieser Religion ist die logische Schlußfolgerung aus dem erwähnten Texte. Wenn Gott Geist ist, dann müssen notwendigerweise seine Schöpfung und sein Ebenbild geistig sein. Wenn sie geistig sind, sind sie nicht Materie. Was man als Materie oder materielle Schöpfung bezeichnet, ist nur die menschliche, materielle, irrige Auffassung des geistigen Weltalls.
Es ist hier hervorzuheben, daß die Christian Science nicht die wahre Existenz irgend eines Geschaffenen leugnet, sondern lehrt, daß alles wirklich ist, vom Kleinsten bis zum Größten. Sie leugnet nur die irrige Auffassung des Dinges. Die Behauptung, daß der Mensch keinen Körper habe und daß alles nichts sei, befriedigt den Scientisten so wenig, wie irgend sonst jemanden, und sie ist eine falsche Darstellung der Lehre der Christian Science.
Christian Science beschränkt den Ausdruck: Wirklichkeit auf die ewigen Dinge Gottes und wendet das Wort Unwirklichkeit auf dasjenige an, was zu existieren scheint, aber nicht Gottes ist. Sie schließt sich eng an die Lehre der heiligen Schrift an: „Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut.” Das Böse wird als Nicht-Seiendes erklärt, da es nicht gut und daher nicht Gottes ist. Das Böse ist die Abwesenheit des Guten und Krankheit die Abwesenheit von Gesundheit, wie Dunkelheit die Abwesenheit vom Licht. Es ist zu betonen, daß bei allen wissenschaftlichen Untersuchungen die wichtigste Frage nicht ist, was scheint, sondern was ist.
Die Scientisten nehmen an, daß in unserem gegenwärtigen ungeistigen Zustande unsere Auffassung der Dinge falsch ist; daß unsere Wahrnehmung sich aber vervollkommnen wird in dem Maße, wie wir geistig fortschreiten, bis wir endlich in der Gottgleichheit erwachen werden. Dann werden wir gleich Ihm, Himmel und Erde in all ihrer Schönheit, Vollkommenheit und Vergeistigung schauen, und die unzureichende menschliche Anschauung wird auf immer verschwunden sein. Die Scientisten glauben, daß das Ende der Welt keineswegs das Ende von Gottes Schöpfung ist, sondern das Ende der irrtümlichen Auffassung und des Mißbrauches der Schöpfung, wie in Johannes’ Worten angedeutet wird: „Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde verging.” Wenn die falsche Anschauung (der erste Himmel und die erste Erde) verschwunden sind, wird der wahre Himmel und die wahre Erde zu schauen sein. Wenn wir diese sehen, wie sie sind, wird der falsche Begriff verschwunden sein.
Christian Science lehrt, daß wir durch ein reines und heiliges Leben das Ende der Welt beschleunigen können, — nicht das Ende von Gottes Schöpfung, sondern das Ende von Irrtum, Dunkelheit und Übel. Alles was wider Gott ist, alles was die wahre Auffassung Seiner Schöpfung verdunkelt, wird von der feurigen Hitze der göttlichen Wahrheit verzehrt werden. Wenn wir lernen, Gott und die Schöpfung zu sehen, wie sind, werden wir sie nicht länger sehen, wie sie nicht sind; gleichwie die Dunkelheit verschwindet, wenn das Licht erscheint.
Die Scientisten glauben, daß das Ende des Fleischlichen und Materiellen für jeden Einzelnen kommt, wenn er im Einklang mit wahrer Erkenntnis lebt. In dem Maße, wie sich das Leben des einzelnen nach der Idee des wahrhaft Seienden gestaltet und er aufhört zu sündigen, oder der falschen Auffassung des Seienden zu folgen, — wird die letztere mehr und mehr beseitigt werden, während das Universum selbst — Gottes geistige und vollkommene Schöpfung — auf immer unberührt bleibt. Dann wird das Himmelreich auf Erden erschienen sein.
Mrs. Eddy erklärt: „Es existiert keine Ähnlichkeit zwischen den vagen Hypothesen des Agnosticismus, Pantheismus, Spiritualismus, der Theosophie oder des Chiliasmus und den nachweislichen Wahrheiten der Christian Science; und ich halte den Willen oder die sinnliche Vernunft des Menschengeistes für entgegengesetzt dem göttlichen Geist, der sich in göttlicher Wissenschaft offenbart” (Science and Health, S. 110).
Der Pantheismus (Beseelung des Alls) hat äußerlich zwei Formen, die im wesentlichen aber identisch sind. Die eine Theorie behauptet, daß die Gesamtsumme des materiellen Weltalls Gott ausmacht. Die andere übersetzt das stoffliche All in die geistige Substanz — erklärt das Universum für Geist, und behauptet gleichwohl, daß die Gesamtsumme Gott ausmacht. Ein solcher Zustand würde die Individualität des Menschen zerstören, da es die vollkommene Auflösung in die Gottheit voraussetzt. Christian Science bewahrt die Individualität des Menschen als ewig unberührt — als Ebenbild Gottes, aber nicht als Gott Selbst.
Heilkraft.
Das schnelle Wachstum der Christian-Science-Religion ist zweifellos in der Hauptsache auf ihre Heilungen zurückzuführen. Dieser Glaube hat sich als wohltätig erwiesen, nicht nur, indem er die Übel des Fleisches heilt und die Sünde überwindet, sondern indem er hilft, seine Jünger geistig und seelisch zu erleuchten, die Urteilskraft zu erhöhen und die Wahrnehmung zu schärfen. Er lehrt Ausdauer im Leiden und Handeln, und kommt dem Geschäftsmann, wie allen anderen Klassen der Gesellschaft, zu gute. Wer mit dem Geist dieser Religion erfüllt ist und seine Gedanken auf die bleibenden, ewigen Güter des Lebens richtet, wird von den kleinen Widrigkeiten des Alltags weniger Störung erleiden. Christian Science trägt viel bei zur Beherrschung und Verminderung ansteckender Krankheiten und Epidemien, weil sie danach strebt, die Furcht zu beseitigen. Ein Christian Scientist erträgt die Unbilden der Witterung leichten Mutes. Er ist so erfüllt von der göttlichen Allmacht und Allgegenwart, daß die Elemente ihn nicht besonders aufregen. Das Wetter ändert sich; er selbst bleibt sich gleich. Wir maßen uns jedoch nicht an zu behaupten, daß der Christian Scientist ganz geschützt ist gegen Sorge und Krankheit. Er ist nur im stande, sich über diese Beschwerden zu erheben in dem Maße, wie er die Lehre dieser Religion betätigt, und die fortgeschrittensten Schüler dieser Zeit stehen erst im Anfang ihrer Lebensarbeit; aber wir können mit aufrichtiger Dankbarkeit sagen, daß die Anhänger dieses Glaubens für ihre Mühe beim Studium und bei der Anwendung reich belohnt sind; wenn auch die Mißklänge des Lebens noch längst nicht völlig beseitigt sind, so sind sie doch wesentlich geklärt, und die Verheißung der Zukunft ist unendlich.
Jesus erklärte: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen,” und ferner: „Kann man auch Trauben lesen von den Dornen, oder Feigen von den Disteln?” Da nun Christian Science gute Früchte zeitigt, so haben wir darin den bestmöglichen Beweis, daß diese Religion göttlichen Ursprungs ist.
Christian Science ist das Christentum Christi, wie an den daraus folgenden „Zeichen” zu erkennen, nämlich: Der Heilung von Kranken, der Befreiung von Sünde und der Bewahrung ihrer Anhänger vor Übel und Leiden.
Aus Erfahrung geboren und durch wirkliche Resultate bewiesen, ist die Religion der Christian Science für die sichere Erkenntnis ihrer Gründerin, wie ihrer bescheidenen Nachfolger von größerem Werte, als alle irdischen Güter zusammen. Eine Mutter könnte kein größeres Interesse nehmen an einem Kinde, auf dessen Schultern das Schicksal der Welt ruht, als Mrs. Eddy an Christian Science.
Von ihrem Standpunkte bietet diese Religion den vielgesuchten sicheren Ausweg aus menschlichem Leiden. Von dem Wert ihrer Entdeckung durchdrungen, arbeitet sie voll Begeisterung, Geduld und Ausdauer daran, sie zu befestigen. Dasselbe gilt von allen gereiften Scientisten. Ihnen ist ihre Religion „eine köstliche Perle,” daher sind sie bereit, alles für ihren Besitz hinzugeben. Sie widmen freudig und eifrig Zeit, Tätigkeit und Mittel der Ausbreitung dessen, was sie für sich und die Welt von so großer Wichtigkeit halten. Wenn man sich bewußt ist, eine gute Sache zu fördern, so ist es keine Arbeit, sondern natürlich und ein Genuß, auf das Ziel loszugehen.
Es ist ein Irrtum zu glauben, daß irgendwelche konsequenten Anhänger dieses Glaubens durch bloßen Fanatismus bewegt oder gehalten werden. Sie sind allgemein nicht geneigt, einem Irrlicht zu folgen. Genauere Untersuchung wird jeden überzeugen, daß Christian Science auf Vernunft und Erkenntnis gegründet ist, und dies ist das Geheimnis ihres inneren Gehaltes, und der Tatsache, daß ihre Anhänger von ihrer Begeisterung im Laufe der Jahre nichts einbüßen, sondern eher daran zunehmen.
Die Heilkraft der Christian Science erregt ohne Zweifel viel Aufsehen, aber es ist nicht zu vergessen, daß diese Heilung mehr bedeutet als Befreiung von körperlichen Leiden. Es gibt viele sündenkranke Menschen in der Welt, viele, die infolge irdischer Enttäuschungen, Leiden, Kummer und Entbehrungen krank sind, viele Mühselige und Beladene, die sogar der Welt selbst überdrüssig sind. Allen diesen verspricht und bringt die Christian Science Erleichterung. Man kann nicht umhin, über folgenden Zusammenhang nachzudenken: wenn man einen unangenehmen oder bösen Gedanken los sein möchte, muß man sich von einem besseren beherrschen lassen. Es ist mit Recht bemerkt worden, daß geistige Zerstreuung den Kranken hilft. Christian Science ist eine wissenschaftliche Methode, den geistigen Zustand ihrer Patienten dadurch umzuformen, daß ihnen die wirksamsten Ideen der ewigen Wahrheit zum Bewußtsein gebracht werden: Gott ist die Liebe, allmächtig und allgegenwärtig, in Wirklichkeit die einzige Kraft. Dies Verfahren bestätigt die Worte der heiligen Schrift: „Du erhältst stets Frieden nach gewisser Zusage; denn man verlässet sich auf dich.”
Ausdehnung der Bewegung.
Obgleich das Anwachsen ihrer Gemeinde hauptsächlich erst in den letzten zehn Jahren erfolgt ist, hat sich die Christian-Science-Bewegung schon zu einer der stärksten dieser Periode entwickelt. Nicht-Scientisten, die die außerordentliche Hingabe und Begeisterung der Scientisten bemerken und von derselben leidenschaftlich sprechen und schreiben, brauchen nicht erstaunt zu sein. Dieser religiöse Eifer erklärt sich aus der einfachen Tatsache, daß die Scientisten eine lebendige und praktische Erklärung der Lehre Christi gefunden haben.
Die Erste Kirche Christi, des Scientisten, wurde im Jahre 1879 in Boston, Mass. organisiert mit etwa 26 Mitgliedern. Gegenwärtig zählt diese Kirche 27000 Mitglieder, worunter jedoch nicht nur die Mitglieder der Ortsgemeinde in Boston, sondern auch führende Scientisten in ganz Amerika und sogar einige im Ausland eingeschlossen sind. Es gibt gegenwärtig gegen 769 Gesellschaften und Gemeinden, von denen viele ihre eigene Kirche und kirchliches Vermögen im Werte von mehreren Millionen Dollars besitzen.
Es ließe sich kaum jemand finden, der nicht Verwandte oder Freunde hätte, die durch diesen Glauben geheilt oder gebessert worden sind. Organisationen von Christian Scientisten befinden sich in Australien, Großbritannien, Deutschland, Österreich und Frankreich, und eine blühende Gemeinde in Mexiko. Es gibt Anhänger dieser Religion auf vielen Inseln, in China und anderen Ländern.
Die Entdeckerin und Führerin.
Christian Science wurde von Rev. Mary Baker Eddy im Jahre 1866 entdeckt. Das Leben dieser merkwürdigen Frau war von Kindheit an überreich an Erfahrungen, die dazu führten, sie erst von der Unzulänglichkeit und sodann von der gänzlichen Nichtigkeit des irdischen Daseins zu überzeugen; so ward sie vorbereitet auf die Entdeckung der wahren und geistigen Erkenntnis des Seienden, die Jesus lehrte und bewies. Wenn man auf alle mögliche Weise von geistigen und körperlichen Leiden Erleichterung gesucht und alles Erreichbare versucht hat, so ist nur zu natürlich, daß man sehnsüchtig nach dem Unsichtbaren greift, — solange man nicht willens ist, von der Theorie des unabwendbaren Verhängnisses beiseite geschoben zu werden. Die Hoffnung treibt uns zu fortgesetztem Suchen an, selbst bis zu dem Punkte, wo wir fragen, ob es nicht einen Ausweg aus dem irdischen Trübsal gibt, der noch nicht gefunden ist. Man ist kaum versucht, dem Unbekannten nachzuforschen, solange das Bekannte Erleichterung gewährt; daher die Notwendigkeit einer Erfahrung, die das Fehlbare menschlicher Mittel und Wege lehrt, die den Gedanken treibt, einen anderen Weg einzuschlagen und sich in das Ungeschaute, Geistige zu versenken.
Jeder Sterbliche füllt den Platz im Getriebe des Lebens, für den er geschaffen ist. Mrs. Eddy war nach ihren eigentümlichen Erfahrungen und ihrer Empfänglichkeit für die Wahrheit am besten ausgestattet, den geistigen Kausalnexus zu suchen und zu finden, und sie wurde daher nach der göttlichen Ordnung die Entdeckerin der Christian Science. Die Behauptung ihrer Anhänger, daß Christian Science eine Offenbarung sei, ist nicht in irgend einem mystischen oder übernatürlichen Sinne zu nehmen. Ein begeisteter Schriftgelehrter ist einer, der offenbarte oder entdeckte Wahrheit verkündet. Die Bibel enthält die Lehren der Christian Science, aber sie bedarf einer Erklärung und Auslegung, die über die Heilung von Krankheit und Sünde exakte Regeln aufstellt.
Die wahre Auslegung der heiligen Schrift, die die Erkenntnis Christi klar wiedergibt und die Christen in den Stand setzt, das Übel nach dem Vorbild unseres Herrn zu überwinden, konnte nur von jemandem gefunden werden, der Seele oder Geist als die einzige und erste Ursache erkannte. Inspiration ist wörtlich „göttliches Einhauchen” — das Übertragen göttlicher Gedanken auf den Menschen — im Gegensatze zum materiellen Sinne oder den Eindrücken der fünf Sinne. Paulus sagte: „Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Thorheit und kann es nicht erkernen; denn es muß göttlich gerichtet sein.”
Indem Mrs. Eddy also mit natürlicher Begabung anfing, entdeckte sie Christian Science auf dem Wege der Forschung und des Experimentes, so naturgemäß, wie Edison eine Entdeckung elektrischer Apparate gemacht hat. Beide waren im Einklang mit der göttlichen Ordnung, denn Gott ist es, der den Sterblichen alle Wahrheit enthüllt, und er tut es, sobald sich die Gelegenheit bietet. Der Fortschritt ist unendlich, und die Ideen der Wahrheit enthüllen sich dem menschlichen Bewußtsein, sobald es fähig ist, sie zu begreifen.
Von früher Kindheit an war Mrs. Eddy mit einem hohen Grad von Religiösität begabt, sonst hätte sie nicht das Prinzip des Guten entdecken können. Die Schrift erklärt: „Den Reinen ist alles rein.” Diese Stelle bedeutet, daß die absolute Reinheit und Geistigkeit aller Dinge nur den Reinen erscheint. Reinheit der Anschauung gehört nur denen, die reinen Herzens sind. Vertrautheit mit dem Geistigen führt zur Entdeckung seiner Natur und seines Wesens, gleichwie Jesus erklärte: Die, welche „reines Herzens sind, .. werden Gott schauen.” Mrs. Eddy näherte sich in ihrem Tun und Denken Gott genügend, um die Worte Jesu zu verstehen: „Das ist aber das ewige Leben, daß sie Dich, der Du allein wahrer Gott bist und den Du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen.” Schon im Alter von zwölf Jahren schrieb Mrs. Eddy Sätze, die an die Lehren der Christian Science anklingen. Die folgenden Zeilen sind aus ihrem Gedicht: „The Country Seat,” das in ihrer Jugend geschrieben ist: —
But hope, as the eaglet that spurneth the sod,
May soar above matter, to fasten on God,
And freely adore all His spirit hath made,
Where rapture and radiance and glory ne’er fade.
Ferner aus demselben Gedichte:
But clouds are a presage, — they darken my lay:
This life is a shadow, and hastens away.
Achtung vor allen andern christlichen Sekten.
Mrs. Eddy wurde von frommen orthodoxen Eltern erzogen, und genoß den Vorzug, in ihrer Jugend von hervorragenden Geistlichen unterrichtet zu werden. Sie begann sich früh für praktisches Christentum zu interessieren, und die Liebe zum Guten und Wahren blieb ihr Leitstern für ihr ganzes Leben.
In ihrem Buche „Pulpit and Press“ erklärt sie: „Ich liebe die orthodoxe Kirche, und diese wird im Laufe der Zeit Christian Science lieben lernen.” Diese neue und doch alte Religion hätte in den Kirchen gelehrt werden können, wenn die Zeit darauf vorbereitet wäre. Jesus Christus wurde in einem Stalle geboren, weil in dem Gasthofe, wo die Leute sonst Unterkommen fanden, kein Platz für ihn war. So auch wurde Christian Science außerhalb der Kirche geboren und erzogen, weil sie dort nicht willkommen war. Jesus setzte die Weisen im Tempel im Alter von zwölf Jahren in Erstaunen, und als Mann lehrte er in ihren Synagogen. So muß auch Christian Science zuerst die Ältesten durch ihre Weisheit und Kraft in Erstaunen setzen und auf größere Ausbreitung durch allgemeine Annahme warten, ehe sie in die Kirchen ihren Einzug halten kann. Es ist ganz natürlich, daß die, welche nur eine oberflächliche Kenntnis von dieser Religion haben, ungläubig darauf herabsehen. Sie muß sich selbst und ihren göttlichen Ursprung erweisen, ehe sie allgemeine Annahme beanspruchen kann. Es ist bemerkenswert, daß diese Religion im Herzen des Volkes Anerkennung findet, in genau dem Maße, als ihre Anhänger durch ihren wohltätigen Einfluß zu besseren Menschen werden.
Die Christian Scientisten nehmen in ihrer Praxis denselben Grundsatz zu ihrer Richtschnur, wie andere Christen: z. B. die Lehren Jesu Christi. Wenn sie durch beständige Anwendung des Studiums dieser Lehren und das beharrliche Bestreben, diese in der Praxis anzuwenden, einen größeren Anteil an Gesundheit und Glück zu erhalten scheinen, als ihre Nachbarn, sollte man sich dann nicht lieber bestreben, das Geheimnis ihres Erfolges auszufinden, als sie der Kritik zu unterziehen? Der Christian Scientist wünscht von ganzem Herzen, daß die ganze Welt gleichen Anteil an dem Guten nehmen möge, das er täglich empfängt und den Wert dessen, Gott recht zu suchen. —
Copyright, 1904, by Mary Baker G. Eddy.
