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Wie ich geheilt wurde.

Aus der November 1908-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Ein Herr, der im Westen wohnt, schrieb Folgendes an mich, nachdem er meinen in der Februarnummer des „Christian Science Journal“ veröffentlichten Brief gelesen hatte.

„Ich habe alle Heilmittel ohne Erfolg angewandt und bin von vielen Scientisten, deren Namen im ‚Christian Science Journal‘ zu finden sind, behandelt worden. Den Buchstaben der Christian Science begreife ich vollständig, kann aber die Erinnerung an Vergnügen und Schmerz in der Materie nicht überwinden. Ich bitte Sie daher, mir gütigst einen genauen Bericht über Ihre Erfahrungen zu geben. Sie können mir vielleicht Erleichterung verschaffen.”

New York, 27. März 1893.

Geehrter Herr:

Im Besitz Ihres Briefes vom 14. d. M. beeile ich mich, Ihnen zu antworten.

Ihr Fall scheint mir klar zu sein. Ich glaube ich verstehe, welche Fortschritte Sie im Verständnis der Christian Science gemacht haben und kann mir vorstellen, was Sie am ferneren Fortschritt hindert. Ich will Ihnen nun meinen eigenen Fall erzählen und Ihnen meinen Rat geben, um den Sie mich gebeten haben.

Meine Gicht machte sich im Frühsommer des Jahres 1857 zum ersten Male bemerkbar, und von da an verschlimmerte sie sich stetig bis zum 4. Januar 1892 (35 Jahre). Während der ersten zehn Jahre war ich noch im Stande, meinen Geschäften nachzugehen, aber gegen 1867 wurden die jährlichen Anfälle so schlimm, daß ich gezwungen war, mich ins Privatleben zurückzuziehen. Inzwischen hatte ich die bedeutendsten Ärzte konsultiert und die stärksten Arzneien gebraucht. Ich fühlte nur zeitweilig Linderung. Um diese Zeit begannen sich in meinen Kniegelenken Gichtsteine zu bilden, was sie steif und äußerst schmerzhaft machte, so daß mir das Gehen mühsam und qualvoll wurde. Ich versuchte Elektrizität, Aderlässe, Massage, kalte und warme Bäder sowie Schlamm- und Schwefelbäder. Die Linderung war nur vorübergehend. So litt ich weiter bis gegen 1886, als mir der Gedanke kam, zu reisen, denn früher hatte ich einmal die Beobachtung gemacht, daß ich mich immer wohler fühlte, sobald ich mir meine Krankheit aus dem Sinne schlug.

So unternahm ich denn am 1. November 1886 allein, mit steifen Gelenken und fast anhaltenden Schmerzen, eine Reise nach Japan und China, über Panama und San Francisko. Diese Reise brachte mir große Erleichterung, da mein Geist beständig neue Bilder orientalischen Lebens in sich aufnahm. Jedoch auch diese Besserung erwies sich wiederum als eine nur zeitweilige. Nach meiner Rückkehr befiel mich das alte Leiden in seiner ganzen Stärke, wenn nicht gar noch verschlimmert. Ich machte mich im folgenden Jahre wieder auf den Weg und unternahm dieses Mal eine Reise um die Welt. Ich besuchte alle interessanten Punkte: den europäischen Kontinent, den Nil, Indien, Ceylon, die Philippinen, China und Japan. Diese Reise machte ich nun mit geringen Abweichungen alljährlich bis gegen Ende des Jahres 1891. Jedes Frühjahr kehrte ich nach Hause zurück und fühlte mich bedeutend wohler; nach ein oder zwei Wochen verfiel ich jedoch immer wieder in den alten Zustand, der jedes Jahr schlimmer als je auftrat. Während meiner Reise war es mir unmöglich, größere Strecken zu gehen oder meine Glieder ohne Schmerzen zu gebrauchen. Selbstredend hatte ich bei allen Gelegenheiten und in allen Ländern einen Diener bei mir.

Auf meiner letzten Reise blieb ich ungefähr sieben Monate in der Stadt Colombo auf der Insel Ceylon, mit der Absicht, mindestens zwei Jahre da zu verweilen. Während meines dortigen Aufenthalts war ich verhältnismäßig frei von Schmerzen und fühlte mich etwas mehr zufrieden; aber ein gewisses Etwas, ein Impuls, ein unbewußter Gedanke, ein Einfluß, gleichsam eine höhere Macht sagte mir: „Gehe nach Hause!” Dieser Befehl kam mir zu Zeiten sehr deutlich und mit großem Nachdruck. In dieser Jahreszeit nach Hause zurückzukehren stand in direktem Widerspruch mit dem Rat meiner Freunde und mit dem, was mir meine eigene Vernunft sagte: Aber dieser stumme, entschiedene Bote befahl mir: „Gehe nach Hause!” So reiste ich denn im August 1891 der Heimat zu, dem Unvermeidlichen entgegen, wie ich damals glaubte. Ich kam durch die entsetzliche Glut des Roten Meeres, erreichte Neapel am 29. August und blieb dort bis zum 11. September, völlig überzeugt, daß meine Weiterreise nach New York einen Rückfall zur Folge haben würde. Ich beschloß deshalb zu bleiben, zum dritten Male den Nil hinaufzufahren und den Winter in Ägypten zu verbringen. Aber der stumme Bote flüsterte mir zu: „Gehe nicht nach Ägypten; gehe nach Hause!” Ich gehorchte und kam am 4. Oktober 1891 in New York an.

Eine Woche nach meiner Heimkehr trat das Leiden so schlimm wie nur je zuvor wieder auf und am 21. Dezember war ich gezwungen, das Bett zu hüten. Von da an wurde mein Zustand immer schlimmer, bis ich gänzlich hilflos war und Tag und Nacht die heftigsten Schmerzen hatte. Die Arznei, auf die ich mich so viele Jahre verlassen hatte, versagte nun ihre Hilfe ganz und gar und ich gab jede Hoffnung auf Besserung auf. Dies ging so fort bis zum 4. Januar des nächsten Jahres, als meine Tochter, die eine Christian Scientistin ist, mich bewog, mich in ihre Behandlung zu geben. Ich hatte die größten Erwartungen, denn es war meine letzte Hoffnung. An demselben Tage vernichtete sie alle meine Arzneien und damit trat eine neue Wendung in meinem Leben ein. Ich überließ mich ihrer Behandlung ohne jeden geistigen Vorbehalt. Eine Woche nach Beginn ihrer Behandlung konnte ich ein Buch in der Hand halten, und dieses Buch war Science and Health with Key to the Scriptures“ Von Rev. Mary Baker G. Eddy. Ich las und studierte es fast beständig. Nach einer Woche konnte ich aufrecht im Stuhl sitzen. Eine Woche später durchschritt ich mein Zimmer und am ersten Februar machte ich eine Spazierfahrt durch den „Central Park.“ Während des Februars trat ein sichtlicher Rückfall ein, von den Christian Scientisten „Gährungsprozeß” genannt. Der Schmerz kehrte mit ganzer Stärke wieder und währte mit Zwischenpausen ungefähr bis zum 1. März. Bei ein oder zwei Gelegenheiten brachte ich es fertig, mit sehr großer Anstrengung aufzustehen und nach unten zu gehen. Das sterbliche Denken schien wieder volle Gewalt über mich gewonnen zu haben und ich gab fast die Hoffnung auf. Ich sah ein, daß meine Tochter bei meiner Behandlung mit ganz besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, da sie seit ihrer Kindheit von mir erzogen worden war, unter meinem Einfluß gestanden hatte und daher persönlich jede Erscheinung meiner Krankheit kannte. Sie hatte jede Form des Irrtums nicht nur in meinem Bewußtsein, sondern auch in ihrem eigenen zu bekämpfen; deshalb schien mein Fall ein so schwieriger zu sein. Sie erkannte die Schwierigkeiten und deshalb schlug sie vor, daß ich mich in die Behandlung des Mr. N. begeben sollte — eines anderen Christian Scientisten in New York, den sie mir empfahl. Er übernahm meinen Fall am 28. Februar, und unter seiner Behandlung ging es mir allmählich besser, bis zum 15. März. Während der Monate März und April fuhr ich mehrerer Male spazieren; aber am 9. April trat der „Gährungsprozeß” wieder ein und somit wandte ich mich aufs Neue an Mr. N., der mich von da an wieder täglich behandelte. Ich fuhr fort, „Science and Health“ zu lesen und zu studieren, bis ich meinte, den Buchstaben gründlich zu verstehen; meine Gedanken schienen jedoch nur auf die Heilung meiner Krankheit gerichtet zu sein. Ich wurde besser, ich wurde schlimmer. Zeitenweise war ich sehr entmutigt und mein Glaube wurde so schwach, daß ich nahe daran war, die Behandlung aufzugeben. Ich teilte dies Mr. N. mit. Und nun, geehrter Herr, sind Sie meiner Meinung nach in Ihrer Erfahrung gerade bis zu diesem Punkt gelangt. Als Mr. N. den Zustand, in dem ich mich befand, klar erkannte, sagte er zu mir: „Sie halten sich zu sehr an dem Buchstaben. Sie müssen sich mehr auf den Geist verlassen. Sie müssen die Wissenschaft des Seins studieren. Denken Sie nicht an die Heilung der Krankheit, sondern an die Heilung der Sünde.” Ich begriff sofort, was er meinte. Ich erkannte, daß ich in verkehrter Richtung gearbeitet hatte, indem ich mehr an das Physische als an das Geistige gedacht hatte. Mein Hauptzweck, ja mein einziger Zweck schien der zu sein, von der sogenannten Gicht geheilt zu werden. Ich hatte die geistige Behandlung gebraucht, als ob sie eine Arznei sei. Ich dachte nur an meine Befreiung von Schmerz und Lähmung, erwartete augenblicklich geheilt zu werden und wunderte mich die ganze Zeit darüber, daß ich nicht aufstehen und wie ein vollkommen geheilter Mann umhergehen konnte. Zu meiner Überraschung erkannte ich, daß der Buchstabe nur ein menschliches Hilfsmittel war, um mich auf das Verstehen des Geistigen vorzubereiten — gleichsam als Stufe zur Vergeistigung —, und daß ich nie dauernd geheilt werden könnte, wenn ich bei diesem Punkt des Fortschritts stehen bliebe. Der Buchstabe allein kann nicht heilen. Mir waren die Augen geöffnet! Ich wurde mir klar bewußt, daß Furcht, Sünde und sterbliche Vorstellungen der Schwierigkeit zu Grunde lagen. War erst die Sünde zerstört, so würde ich frei von aller Krankheit sein.

Dann entstand die Frage in mir: Inwiefern sündige ich? Ich bestrebe mich doch, gegen alle Menschen und bei allen Gelegenheiten rechtlich zu handeln! Ich glaube nicht, daß ich ein so großer Sünder bin. Schlechte Gewohnheiten habe ich nicht. Ich betrinke mich nicht, ich bin nicht unmäßig, auch gebrauche ich keine bösen Redensarten. Ich bin sicherlich besser als die meisten Menschen! Ich versuche die goldnen Lebensregel zu befolgen. Wie kommt es nun, daß ich mich so viele Jahre mit diesem Elend herumschleppen muß. Hege ich den geringsten Groll gegen irgend einen Menschen? Ich konnte hierauf nicht nein sagen! Nähre ich Gefühle der Rachsucht gegen jemand und ist es meine Absicht, es dem, der mir scheinbar Unrecht zugefügt hat, eines Tages heimzuzahlen? Ich konnte auch hierauf kein ehrliches Nein sagen. Beneide ich irgend jemand? Ja! Liebe ich alle Menschen? Ein entschiedenes Nein! Würde mich das Gefühl der Rache zum Mörder machen können? Sicher nicht! Aber ich möchte doch dem, der mich beleidigt hat, eine gehörige Tracht Prügel geben! Versuche ich, meine Begierden und Leidenschaften zu beherrschen? Sie beherrschen mich häufiger als ich sie beherrsche. Habe ich einen anderen Lebenszweck als „essen und trinken; denn morgen sind wir tot?” Wenn wir den Tatsachen genau auf den Grund gehen und das bißchen Flitterwerk, das unser sterbliches Leben schmückt, abstreifen, so beschreibt Obiges ungefähr die Lebensweise der meisten Leute, meine Person mit eingeschlossen.

Ich fuhr fort, mich selbst zu prüfen, bis ich einsah, daß ich bei weitem nicht der gute Mensch war, für den ich mich gehalten hatte und daß ich dem Gesetze Gottes jeden Tag meines Lebens ungehorsam gewesen war. Ich hatte noch nicht über das Physische hinausgeblickt. Wer bin ich? Was bin ich? Ist der wahre Mensch sterblich oder unsterblich? Er muß entweder eins oder das andre sein. Ich wußte, daß beide Eigenschaften nicht wirklich sein können. Was ist wirklich: der scheinbar sterbliche Mensch, der Mensch, welcher der sterblichen Vorstellung nach aus Materie erschaffen ist, der einen Anfang hatte und ein Ende haben wird, oder der unsterbliche Mensch, die Idee Gottes, ohne Anfang und ohne Ende? Wenn der materielle Körper ohne die sterblichen Sinne nicht denken, sprechen, sich bewegen oder Schmerz empfinden kann, so müssen es die sterblichen Sinne allein sein und nicht der Körper, in welchen Sünde, Krankheit, Schmerz und Tod ihren Ursprung haben. Die Materie kann es nicht sein, denn Materie ist nichts ohne die sterblichen Sinne. Was ist Sünde? Irrtum, Übel, das Gegenteil vom Wahren oder Guten. In dem Maße wie man die Sünde im sterblichen Bewußtsein zerstört, verliert die Wahrheit ihren scheinbaren Gegensatz, bis zuletzt nur das Wahre als wirklich erscheint und es keine Sünde, keine Krankheit, keinen Schmerz oder Tod mehr gibt. Wie können wir die Sünde zerstören? Dadurch, daß wir bestimmt behaupten und es uns klar bewußt werden, daß Gott allein wirklich ist; daß es in Gott keine Sterblichkeit gibt; daß Er allmächtig, allgegenwärtig und allwissend ist; daß Er Alles in allem ist und daß es außer Ihm, außer Seiner Idee und Seinen ewigen Wahrheiten nichts geben kann. Alles andere ist Sinnentäuschung, eine Lüge.

Nun höre ich Sie aber dieselbe Frage stellen, die ich stellte: Was versteht man unter Unwirklichkeit? Kann irgend ein Mensch behaupten, er habe keinen Schmerz, der Schmerz sei eine Unwirklichkeit, eine Lüge, wenn er doch in demselben Augenblick allem Anschein nach die größte Qual erduldet? Ich antworte ja. Der sterbliche Geist kann in ein und demselben Augenblick nur einen Gedanken fassen. Schmerz ist nur eine Vorstellung. Wenn man diese Vorstellung und das Gefühl des Schmerzes durch Verneinung aus den Gedanken entfernt, so ist während der Dauer dieses Gedankens kein Schmerz vorhanden. Halten Sie also fortwährend an diesem verneinenden Gedanken fest und werden Sie sich der Tatsache bewußt, daß Sterblichkeit ein Irrtum ist. Denken Sie immer an Geist, denn Gott ist Geist. Werden Sie sich klar bewußt, daß der wahre Mensch geistig ist. Berufen Sie sich unaufhörlich auf Geist, indem Sie Geist im Gedanken behalten; dann werden Sie während der Dauer dieses Gedankens keinen Schmerz haben. Der geistige Gedanke wird die sterbliche Annahme verdrängen, daß Sünde, Krankheit und Tod wirklich sind. In dem Verhältnis, in dem der geistige Gedanke in uns einströmt und unser Bewußtsein erfüllt, wird der sterbliche Gedanke vernichtet. Sünde und Krankheit werden verschwinden und wir werden immer mehr vergeistigt werden, bis wir schließlich einen Zustand vollkommener Harmonie erreichen, welcher der Himmel ist. Oft mag es dem Anfänger in der Christian Science schwer erscheinen, diesen geistigen Gedanken zu erfassen, stets an demselben festzuhalten und jenen sofortigen Wechsel vom Unwirklichen zum Wirklichen in der Erfahrung kennen zu lernen. Dies kann nur durch anhaltendes geistiges Verlangen erreicht werden. Andauerndes Verneinen mit Worten ohne den geistigen Gedanken wird nichts ausrichten.

Als mir klar geworden war, daß mein Zweck bei der Behandlung durch die Christian Science einzig und allein der war, von der Gicht geheilt zu werden und daß ich die Behandlung wie eine von einem Arzt verordnete Medizin angesehen hatte, beschloß ich, die wirkliche Ursache meines Leidens zu erforschen. Nachdem ich sie gefunden hatte, war ich ein neuer Mensch. Die Wissenschaft des Seins — d. h. das Erkennen meines wahren Seins als das eines geistigen, nicht eines materiellen oder sterblichen Menschen — nahm nun den ersten Platz in meinem Denken ein. Die Furcht wurde vernichtet, der „Gährungsprozeß” hörte auf und ich war von geistigen Gedanken erfüllt. Die Krankheit verschwand und von dem Augenblick an wurde Gott mit all seinen Wirklichkeiten mein Alles. Die Gicht ist jetzt vollständig überwunden. Das wird auch Ihre Erfahrung sein, wenn Sie den Gedanken aufgeben, nur von Schmerz und Lähmung geheilt zu werden. Eine gründliche Heilung kann nicht ohne Kampf erreicht werden, denn der alte sterbliche Gedanke wird seine Ansprüche täglich zu tausend Malen und in tausenderlei Formen geltend machen wollen. Seien Sie immer gegen denselben gewappnet! Seien Sie stets bereit, in Gedanken die Wirklichkeit der Sünde und der Krankheit zu verneinen. Leugnen Sie die Wirklichkeit des sterblichen Daseins. Erklären Sie in Gedanken, daß der Mensch unsterblich ist, daß es ihm unmöglich ist, Sünde, Krankheit und Tod an sich zu erfahren, denn der wahre, geistige Mensch ist ewig und kann nie die Qualen der Sterblichkeit erleiden. Seien Sie immer von diesen Gedanken erfüllt, dann werden Sie in der Vergeistigung Fortschritte machen.

Auf eine Bemerkung in Ihrem Brief möchte ich noch kurz eingehen. Sie sagen, Sie seien unfähig, die Erinnerung an Vergnügen zu vernichten. Ich verstehe nicht, warum Sie die Erinnerung an Vergnügen — an wirkliches, gottwohlgefälliges Vergnügen — vernichten wollen. Ich wüßte nicht, daß dies in der Heiligen Schrift oder in unserem Lehrbuch, „Science and Health,“ gelehrt würde. Sündiges sogenanntes Vergnügen ist immer unrecht. Ich habe während der kurzen Zeit meines neuen Lebens die Erfahrung gemacht, daß ich keine Freude daran finde, etwas Unrechtes oder Sündiges zu tun. Ich habe auf ganz natürliche, mir fast unbewußte Weise mein Verlangen nach den verschiedenartigen Genüssen der fleischlichen Sinne verloren. Wenn ich die Lust verspüre, bei geeigneter Gelegenheit zu scherzen, zu lachen oder zu tanzen, so tue ich es. Wenn ich an irgend einer Belustigung teilnehmen möchte, die ich für gut, respektabel, bildend, erhebend oder amüsant halte, so entsage ich mich derselben nicht. Ich habe mich durchaus nicht von allen meinen Freunden und Bekannten zurückgezogen, denn dort ist mein Feld der Demonstration, falls man sich an mich wendet. Ich habe allerdings aufgehört, an den leichtfertigen, falschen sogenannten Vergnügen teilzunehmen, die mit dem neuen, von mir erwählten Lebenswandel im Widerspruch stehen.

Ich war früher ein ganzer Lebemann, bereit, mich an jeder Art scheinbaren Vergnügens zu beteiligen, sei es gut oder schlecht. Seit ich ein Anhänger der Christian Science bin, habe ich jedoch nicht das geringste Opfer gebracht. Unrechte Handlungen, die mir früher Spaß machten, bereiten mir kein Vergnügen mehr und infolgedessen habe ich weder etwas zu bedauern noch etwas zu opfern. Wenn die Wahrheit Fuß gefaßt hat, ändert sich unbewußt unser Begriff von weltlichen Vergnügungen. Die Genüsse und Freuden des materiellen sogenannten Lebens sind nur falsche Vorstellungen. In der Christian Science beantworten sich Fragen in Bezug auf das Vergnügen ganz von selbst. Was dem einen unrecht und gehaltlos erscheint, mag dem anderen nicht so sein. Ein wahrer Christian Scientist, der auf dem Felsen der Wahrheit fußt und von da aus sein Problem ausarbeitet, wird den Unterschied zwischen göttlicher und ungöttlicher Freude leicht erkennen.

In Erwiderung auf Ihre Bemerkung, daß Sie umhergehen und Ihre Gelenke brauchen, selbst wenn sich die Schmerzen verdoppeln, möchte ich sagen, daß ich das nie getan habe. Allerdings tat ich alles, was in meiner Macht stand, um das Gesetz der Untätigkeit zu überwinden; ich trieb dies aber nie so weit, daß ich meine Glieder oder Gelenke auf Kosten verdoppelter Schmerzen gebrauchte, obgleich ich wußte, daß das Leiden nur eine sterbliche Vorstellung ist. Wenn ich ein bösartiges Geschwür an der Fußsohle hätte, würde ich es sicherlich nicht für notwendig halten, aufzustehen und mit dem Fuß auf den Boden zu stampfen, nur um mich zu überzeugen, daß es kein solches Geschwür gibt oder daß Schmerz eine Täuschung ist. Ich halte es für richtig, wenn man sich unter solchen Umständen ruhig verhält und so wenig wie möglich an Schmerz und Krankheit denkt. Je weniger man an die scheinbare Wirklichkeit des Schmerzes erinnert wird, desto eher wird man vergessen, daß man ihn durchgemacht hat.

Ich bin fest überzeugt, daß Sie nach und nach alles verstehen werden. Es erfordert eben Zeit. Schmerzhafte Lähmungen, Blindheit und Taubheit sind falsche Vorstellungen, welche wegen unserer jetzigen mangelhaften Erkenntnis und Erfahrung oft sehr langsam weichen.

Ich möchte Ihnen noch folgenden Rat geben: Vermeiden Sie jede Unterhaltung oder Erörterung mit denen, die sich der Christian Science beharrlich widersetzen. Mit denen aber, die es ehrlich meinen und die den Wunsch aussprechen, mehr über diese Religion zu erfahren, können Sie rückhaltlos sprechen. Seien Sie geduldig, ernst und lernbegierig; sehen Sie immer auf die gute und lichte Seite aller Dinge und lassen Sie sich durch Enttäuschungen und Verdruß nicht entmutigen. Lesen und studieren Sie jeden Tag fleißig die Bibel und „Science and Health.“ Wenn die falschen Vorstellungen von Schmerz oder Lähmung Ihr Bewußtsein erfüllen wollen, dann leugnen Sie sein Vorhandensein sofort und halten Sie beharrlich fest an dem Gedanken, daß die Materie an und für sich keine Empfindung hat; daß der göttliche Geist Alles ist; daß der wahre, geistige Mensch keine materiellen Sinne hat und deshalb weder Schmerz noch Krankheit empfinden kann. Denken Sie an Geist, Gott, Wahrheit, Leben, Liebe, Seele. Solange Gott und die Synonyme, welche Sein Wesen bezeichnen, Ihre Gedanken erfüllen, ist es Ihnen unmöglich, an das Gegenteil zu denken. Erklären Sie, daß Gott Ihr Leben ist; daß Gott Ihre Gesundheit, ja daß Er Ihr Alles ist.

Ich schließe diesen Brief mit der Erklärung, daß es in medizinischen Büchern oder in der Geschichte der Arzneikunst auch nicht einen zuverlässigen Bericht gibt über eine Operation, durch welche sogenannte Kalkansätze in gichtischen Gelenken beseitigt oder ohne verhängnisvolle Folgen und dauernde Schädigung aufgelöst worden wären. Ich stelle diese Behauptung auf ohne Widerspruch zu befürchten. In meinem Fall sind die Kalkbildungen ohne Medizin, Umschläge, Chloroform, Äther oder chirurgische Instrumente verschwunden und meine früher steifen, entzündeten und immer schmerzenden Gelenke sind so gesund und gelenkig, wie bei der Geburt — allein durch die Macht des göttlichen Geistes. Ist irgend ein Grund vorhanden, warum Sie nicht durch dieselbe Macht geheilt werden können? Ich bin nun über siebzig Jahre alt und fühle mich so jung und so kräftig wie mit vierzig Jahren. Ich halte mich für vollkommen von meinen physischen Leiden geheilt.

Ich bin
Ihr ergebener


Der Weg zur Ruhe geht nur durch das Gebiet der allumfassenden Tätigkeit.

Copyright, 1908, by Mary Baker G. Eddy.
Verlagsrecht 1908, von Mary Baker G. Eddy.

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