Seit die Entdeckerin und Gründerin der Christian Science sich vor beinahe einem halben Jahrhundert „den Weg zu absoluten Beweisen” errang („Science and Health“) und der Welt das Resultat ihrer Forschungen in dem Lehrbuche der Christian Science überlieferte, haben hervorragende Naturforscher ihre Ansichten über die Materie sehr geändert. Der dunkle Schatten materialistischer Anschauungen, welcher eine Zeitlang den geistigen Blick im menschlichen Bewußtsein gänzlich zu verdunkeln drohte, ist so weit gewichen, daß nur noch ein Halbschatten übrig ist.
Die Verteidigung des Materialismus ist sehr wurmstichig geworden, und es findet daher die Annahme, daß das Leben in der Materie zu suchen sei, immer weniger Anhänger. So vollständig haben sich die Ansichten geändert, daß die Materie in den heutigen wissenschaftlichen Systemen kein Gegenstand der Hochachtung mehr ist, sondern daß man sie kaum für mehr ansieht als ein beschreibendes Symbol, welches der Bequemlichkeit wegen angewandt wird, um einen geistigen Begriff objektiv zu bezeichnen; einen Begriff, welcher scheinbar die Summe gewisser unsichtbarer und unerklärter Kräfte und Tätigkeiten repräsentiert.
Durch den Fortschritt in den wissenschaftlichen Forschungen sind die der Materie scheinbar innewohnenden Eigenschaften mehr und mehr von derselben getrennt worden, so daß heutigestages kaum mehr ein Anhaltspunkt für einen klaren Begriff von materieller Substanz übrig bleibt. Eine genaue Untersuchung der Tatsachen liefert den unwiderleglichen Beweis, daß in der richtigen Auffassung die Welt gar nicht so existiert, wie wir sie durch die Sinne wahrnehmen.
Die meisten berühmten Denker geben zu, daß die Welt der echten Wirklichkeiten — in welcher Form sie nun auch bestehen möge — unserem Wahrnehmungsvermögen unsichtbar ist. Fürwahr: „Die Dinge sind nicht wie sie [dem materiellen Bewußtsein] erscheinen.”
Carlyle erklärt: „Alle sichtbaren Dinge sind Sinnbilder. Was man sieht, hat keinen Selbstbestand. Im wahren Sinn hat es gar keinen Bestand; es besteht nur geistig, repräsentiert eine Idee und verkörpert dieselbe.”
Professor Royce drückt sich folgendermaßen aus: „Diese Sterne ...., diese Moleküle, welche sich einander immer mehr genähert haben; diese Entwicklung, welche von jeher in der einen Richtung vor sich ging, ohne bis jetzt ihr Ziel erreicht zu haben: alle diese Dinge können nur einen Schein der Wirklichkeit haben. Die Substanz, die Seele von allem liegt weiter in der Ferne. Die wahre Entwicklung des Weltalls kann deshalb nicht ihrem Wesen nach widersprechend, unvollendet und von Grund aus vernunftwidrig sein. ... Wir sehen sie nur deshalb in ihrer zerissenen und unverständlichen Form, weil wir in unseren Lebenserfahrungen bloß mit den ‚Kieselsteinen am Strande‘ spielen. Weiter hinaus liegt der Ozean der endgültigen Wirklichkeit und Wahrheit.” Die mangelhaften atomischen Theorien früherer Zeiten weichen immer mehr den vorgeschrittenen Ansichten, so daß jetzt die Physiker behaupten, die einzelnen Atome — die vermeintlichen Bestandteile der Materie — seien nicht, wie man früher annahm, unteilbare, unzerstörbare Körper mit physischen Eigenschaften der Ausdehnung und des Beharrungsvermögens, sondern sie seien verwandte Gruppen äußerst aktiver Elektrone.
Hier entsteht nun die Frage: Wer will entscheiden, wo dieser Prozeß der „Vervielfältigung und Selbstzerteilung menschlicher Gedanken” („Science and Health,“ S. 263) enden wird? So lange man materielle Naturerscheinungen verfolgt, ist da nicht mit Recht zu erwarten, daß auf den objektiven Vorstellungen, aus welchen unsere materielle Welt besteht, immer der Schatten fortschrittlicher menschlicher Meinungen ruhen wird? Je mehr wir uns den geistigen Tatsachen nähern, desto flüchtiger und verfänglicher werden jene Schatten erscheinen, bis wir zuletzt den Punkt erreicht haben, wo alle materiellen Begriffe verschwinden.
Die Wahrheit des Obenerwähnten wird immer klarer bewiesen. Unsere Theorien in Bezug auf die Bestandteile der Materie haben sich mehr und mehr entwickelt, so daß jetzt selbst Lord Kelvins „vortex ring“ Hypothese veraltet ist. Ein gewisser Schriftsteller sagt, man könne sich die Atome als „bloße Löcher im Äther” denken. Mit anderen Worten: die Gelehrten sehen immer mehr ein, daß die Materie in keiner Weise eine Substanz, sondern bloß eine Verneinung der Substanz ist, und diese Ansicht stimmt genau mit den Lehren der Christian Science überein. Professor Poincaré erklärt: „Es wird ein Tag kommen, da man den Äther als nutzlos ansehen wird.” Das unausbleibliche Resultat solcher Ansichten und Folgerungen liegt klar auf der Hand. Die Forschungen eines Lord Kelvin, eines Sir Oliver Lodge, eines Professor Elmer Gates sowie vieler anderer hervorragender Gelehrten unterstützen die Ansicht, daß das, was man als Materie bezeichnet, in letzter Instanz weiter nichts ist als Kundgebungen einer speziellen Kraft, welche nach ihrer eigenen bestimmten Art und Weise wirkt.
Professor Dolbear erklärt: „Die Atome der Materie scheinen fabrizierte Artikel zu sein, und sie haben deshalb eine Unterlage. Da sie Kraft besitzen, so muß diese Kraft bestanden haben, ehe es das erste Atom gab. Nun lehrt aber die heutige Physik, daß nicht ein einziges Atom durch mechanische Wirkung hervorgebracht werden kann, und wir werden daher zu der Ansicht gezwungen, daß die Kraft, welche der Materie vorausging, keine mechanische Kraft war.”
Herbert Spencer sagt: „Die Kraft oder Energie einer mechanischen Theorie kann unmöglich der Urgrund aller Dinge sein.”
In der entgegengesetzten Richtung, auf dem Gebiete der Physik des Sonnensystems finden wir, daß wohlbekannte Forscher wie Alfred Russell Wallace und Professor See Theorien aufgestellt haben, die alles bisher Gelehrte total umstoßen, und aus denen die Ungewißheit unserer heutigen Übergangsperiode ersichtlich ist.
Die fortschrittliche Wissenschaft der Neuzeit beweist, daß alle materiellen Kundgebungen auf ein und derselben Grundlage beruhen; daß die Materie und das materielle Bewußtsein nicht zweierlei Elemente oder Bestandteile der Dinge sind, sondern daß sie nur verschiedene Methoden der Auffassung bezeichnen, je nachdem wir bei der Sache zu Werke gehen. Indem so die moderne fortschrittliche Wissenschaft die Erscheinungen der Sinneswelt zu geistigen Begriffen reduziert, nähert sie sich, langsam aber sicher, den Grundsätzen der Christian Science. Sie findet eine gemeinsame Bezeichnung für die beiden Arten von Erscheinungen, welche bisher als materiell und als geistig bezeichnet wurden. Professor Oswald sagt hierüber: „Die Materie ist das Produkt unseres Denkens, welches wir uns sehr mangelhaft konstruiert haben, um das zu bezeichnen, was im Wechsel der Phänomene unverändert bleibt.”
Durch diese indirekte Methode der Entwickelung und Neubildung der Ansichten nähern sich die anerkannten Anführer unter den Denkern immer mehr dem Standpunkte, den unsere Führerin schon vor Jahren einnahm als sie sagte: „Was man Naturwissenschaft und Naturgesetze nennt bezeichnet den objektiven Zustand des sterblichen Bewußtseins.” „Die göttliche Science erhebt sich über physische Theorien, schließt die Materie aus, erklärt, daß Dinge Gedanken sind und ersetzt die Gegenstände der materiellen Sinne durch geistige Ideen” („Science and Health,“ S. 484 u. 123).
Auch anderweitig scheint die wachsende Neigung zur Anwendung neuer Methoden und bei der Erforschung physischer Erscheinungen darauf hinzuweisen, daß das menschliche Bewußtsein mehr für die feineren und scharfsinnigeren Eigenschaften und Formen materieller Kundgebungen bereit ist. Wir erinnern an die Verwandlung fester Körper in Flüssigkeiten, und der Flüssigkeiten in Gase.
Der Hypnotismus beweist, daß sich das materielle Bewußtsein unter gewissen abnormen Umständen leicht eine Welt materieller Gegenstände herstellen kann, welche von diesem Gesichtspunkte aus so objektiv wirklich und handgreiflich erscheinen als die beharrlicheren und dauerhafteren Gegenstände der Sinne, von denen sich die Menschen im gewöhnlichen Leben umringt glauben. Unter anderem hat auch die Photographie zur Bestätigung der in der Christian Science erreichten Folgerung, daß die Materie bloß eine bildliche Vorstellung des materiellen Wahrnehmungsvermögens ist, beigetragen indem sie gezeigt hat, daß die scheinbar wunderbaren Kunststücke gewisser Gaukler nichts weiter waren als Illusionen, welche in der Einbildung der Zuschauer mit der objektiven Klarheit wirklicher Begebenheiten bewirkt wurden. Wie kann man mit Bestimmtheit behaupten, daß der allgemein anerkannte und dauerhaftere Kreislauf eines sterblichen Daseins ganz der Wirklichkeit angehört und in der Wahrheit begründet ist, da doch die außergewöhnlichen und weniger bekannten Erscheinungen auf dem Gebiete der Hellseherei, der Hypnose und anderer abnormer Zustände allgemein als Unwirklichkeiten und Täuschungen angesehen werden?
In noch einer anderen Richtung finden wir eine neue Schule von Geometern, die durch Induktionsschlüsse die philosophische Basis des Materialismus dadurch zu untergraben sucht, daß sie die euklidische Raumlehre herausfordert und gewisse Grundsätze, welche auf den materiellen Gehalt dieser Raumlehre Bezug haben, und welche bisher als unumstößlich galten, mit der größten Heftigkeit angreift. Professor Dolbear sagt diesbezüglich: „Die neue Geometrie ... droht die Philosophie ebenso zu modifizieren, wie die Evolutionslehre die früheren Ansichten über die Natur modifiziert hat.”
Solche Erklärungen sind Grashalme, welche den Beweis liefern, daß der Strom der wissenschaftlichen Ansichten im Allgemeinen immer mehr in die von den Lehren der Christian Science bezeichneten Bahnen fließt; Lehren, die sehr oft mißdeutet werden, weil sie einen Standpunkt erfordern, welcher dem sterblichen Bewußtsein fremd ist.
Mrs. Eddy erklärt: „Im Lichte des geistigen Verständnisses verschwinden die zeitlichen und sinnlichen Gegenstände.” „In dem Maße wie die Sterblichen bessere Begriffe von dem Wesen Gottes und des Menschen bekommen, werden zahlreiche und bis jetzt unsichtbare Geschöpfe sichtbar werden. ... Der Geist und Seine Formationen sind die einzigen Wirklichkeiten des Daseins” („Science and Health,“ S. 584 u. 264).
Aus solchen Citaten ist klar ersichtlich, daß die Grundsätze der Christian Science weder mit dem subjektiven Idealismus eines Berkeley, noch mit anderen spekulativen Systemen, welche sich aus den vergänglichen und wesenlosen Begriffen des sterblichen Bewußtseins entwickelt haben, irgendwie in Gemeinschaft stehen. Die Christian Science fängt da an, wo diese Systeme aufhören.
Die neueren Forschungen beweisen, daß sich die Triebkraft der sogenannten materiellen Weltordnung immer mehr erschöpft. Es ist deshalb die logische Folgerung die, daß diese „Reihenfolge des Ablaufens,” wie sich Professor Royce ausdrückt, zuletzt ihr Ende erreichen und der Vergessenheit anheimfallen muß. Notwendigerweise bedeutet ein solches Ereignis zugleich die Vernichtung des Bewußtseins, welches im physischen Weltall zum Ausdruck kommt; denn nur so lange wie die subjektiven und objektiven Faktoren beibehalten werden, kann sich der Schein der materiellen Wirklichkeit aufrechterhalten. Weil nun selbst nach den Berechnungen der physischen Wissenschaft alle materiellen Kundgebungen dem völligen Untergang anheimfallen werden, hat da die Behauptung der Christian Science, daß die Materie nie wahres Wesen hatte, keine Berechtigung?
Es ist selbstverständlich, daß das Weltall nur dem sogenannten materiellen Bewußtsein in Form und Eigenschaften als materiell erscheinen kann Deshalb führt das umgekehrte Verfahren zu dem Schluß, daß dieses Bewußtsein den Grund seines Bestehens verlieren und sich als nutzlos erweisen wird, sobald der Glaube an dessen objektive Äußerungen gänzlich verschwunden ist; denn die objektiven und subjektiven Faktoren in dem Prozeß der Sinneswahrnehmung finden ihre Nahrung in ein und derselben Täuschung. Die Demonstrationen der Christian Science weisen auf diese Tatsachen hin, wenn auch das menschliche Bewußtsein dieselben bis jetzt nur teilweise verstehen kann.
Das wahre Wesen aller materiellen Kundgebungen, den Ursprung und die Grundlage aller materiellen Erscheinungen finden wir in der falschen Annahme oder in dem falschen Bewußtsein — objektiv oder subjektiv ausgedrückt,— daß eine Teilung und Trennung stattfinden kann; daß es unabhängige Geister, Kräfte, Persönlichkeiten, Willensäußerungen und Mittelpunkte der Tätigkeit gibt. Je mehr nun diese falsche Vorstellung von einer vermeintlichen Tätigkeit außerhalb des einen Geistes abstirbt, desto mehr verlieren wir den Beweis einer materiellen Welt, desto mehr verschwindet das Wahrnehmungsvermögen, welches zur Erkenntnis einer solchen Welt nötig war. Deshalb ist die Ermahnung so wichtig: „Höre, Israel, der Herr unser Gott ist ein einiger Herr.” „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.”
In dem Gewebe der verschiedenartigen und einander scheinbar widersprechenden Systemen, auf welche wir hingewiesen haben, finden wir, daß sich alle Fäden in der zentralen Wahrheit, wie sie die Christian Science lehrt, vereinigen.
Vermöge ihres außergewöhnlichen geistigen Scharfblickes drang Mrs. Eddy bis auf den Kern des Materialismus hindurch, während sich andere Denker und Forscher entweder mit Nebensachen beschäftigten, oder sich verleiten ließen, die Trugbilder einer halb materialistischen Auffassung des Weltalls zu verfolgen. Von dem Standpunkte aus, welchen sie durch geistige Erleuchtung erreicht hatte, war es ihr nicht nur möglich die wichtigsten Wahrheiten, welchen die fortschrittlichen Denker unserer Zeit immer näher kommen, vorauszusehen, sondern sie ging noch einen Schritt weiter: sie demonstrierte durch den Sieg über Sünde, Krankheit und alle Arten falscher Kundgebungen den praktischen Wert ihrer Kenntnisse.
Obwohl eine negative Berichtigung abstrakter falscher Begriffe wertvoll ist, so ist doch ein beweisbares Verständnis der Wahrheit von unvergleichbar höherer Bedeutung. Menschliche Hypothesen mögen zwar theoretisch die falsche, materielle Welt wegerklären; aber sie geben keine Andeutung bezüglich der „wahren Weltordnung,” welche „jenseits der Kiesel am Strande liegt.” Diese unbefriedigenden und unbestimmten Mutmaßungen spekulativer Systeme, welche in der menschlichen Vernunft ihren Ursprung haben, stehen in auffallendem Kontrast mit der übersichtlichen und klaren Erläuterung der Sache, wie wir sie auf Seite 293 unseres Lehrbuches „Science and Health“ finden. Paulus sagte zu den gelehrten Athenern: „Nun verkündige ich euch denselbigen, dem ihr unwissend Gottesdienst thut.”
In Mrs. Eddys „Miscellaneous Writings“ lesen wir: „Wenn alle Formationen und Eigenschaften des Übels aus den menschlichen Gedanken verschwinden, so daß Molluske und Strahltier geistige Begriffe sind, welche das Dasein des einen Schöpfers bezeugen: dann ist die Erde voll Seiner Herrlichkeit; dann hat die Christian Science alle menschlichen, philosophischen Systeme verdunkelt; dann steht das Dasein in überraschendem Widerspruch mit menschlichen Hypothesen, und Sokrates, Plato, Kant, Locke, Berkeley, Tyndall, Darwin und Spencer sitzen zu den Füßen Jesu.”
Die veränderlichen und irreführenden Normen des irdischen Lebenstraumes wurden bisher als die Basis menschlicher Begriffe angenommen, einfach, weil sich der menschliche Verstand nicht zum Verständnis des Wahren und Ewigen emporgeschwungen hatte.
Von dem Standpunkte menschlicher Theorien aus betrachtet, war die Wahrheit von jeher unerklärlich und unerreichbar. Die Christian Science hingegen unterstützt die Bemühungen des menschlichen Bewußtseins, erleuchtet den Pfad, auf welchem die Sterblichen aufwärts steigen, Schritt für Schritt, durch praktische Demonstrationen; welcher sie herausführt aus den Regionen des Problematischen und Paradoxen, bis sie endlich durch geistiges Verständnis, innere Erleuchtung und klare Beweise die höheren Regionen axiomatischer Gewißheit erreicht haben. Im Lichte der neueren Entwicklungen gewinnt die Ermahnung Petri eine besondere Bedeutung: „So nun das alles soll zergehen, wie sollt ihr denn geschickt sein mit heiligem Wandel und gottseligem Wesen?”
