Viele, die sich wegen Heilung an Christian Science wenden, denken, die erwartete Harmonie werde sich in Übereinstimmung mit ihrem gegenwärtigen Begriff von Gesundheit äußern. Sie verstehen nicht, daß man Gesundheit und Harmonie nur dann erreichen kann, wenn man das Bewußtsein erlangt hat, daß Harmonie bereits durch das Wort Gottes festgestellt worden ist, und nicht nach einer Methode, welche die Menschen erfunden haben. Wahre Gesundheit ist das Resultat des fortschreitenden geistigen Verständnisses; sie kann nicht dadurch erlangt werden, daß man den Körper beobachtet, um zu sehen, ob er gewisse organische oder funktionelle Zustände kundgebe, welche die sterbliche Vernunft als zur Gesundheit notwendig betrachtet.
Seit vielen Jahren hat sich des Menschen Begriff von Gesundheit vermittelst des Zeugnisses der materiellen Sinne gebildet. Die diesbezüglichen Annahmen haben sich so fest eingewurzelt, daß wir uns fürchten, sobald der Körper nicht das kundgibt, was die materiellen Sinne als Gesundheitszustand bezeichnen, und gerade diese Furcht trägt dazu bei, den unharmonischen Zustand zu verschlimmern. Es ist soweit gekommen, daß wir in demselben Grad die Sklaven unsrer Annahmen in Bezug auf Gesundheit wie unsrer Annahmen in Bezug auf Krankheit geworden sind. Jesus erklärte: „Sorget nicht für euer Leben,” und Mrs. Eddy sagt („Science and Health,“ S. 261): „Wendet den Blick ab vom Körper und richtet ihn auf Wahrheit und Liebe, das Prinzip aller Glückseligkeit, Harmonie und Unsterblichkeit.” Da wir nun vom Körper wegsehen sollen, so laßt uns näher betrachten, wie Jesus die Kranken heilte. Es wird uns nirgends erzählt, daß er Krankheitserscheinungen studierte, daß er mit den Heilmitteln seiner Zeit bekannt war, oder daß er den bestehenden Gesundheitsregeln irgendwelche Zugeständnisse machte. Ehe er seine Heiltätigkeit begann, ging er in die Wüste, überwand dort die Versuchungen des Teufels (des Übels) und wurde dadurch befähigt, in des Geistes Kraft nach Galiläa zurückzukehren.
Wir lesen im Neuen Testament, daß Jesus nach dieser Rückkehr überall die Gedanken auf Geist, Gott lenkte. In des Geistes Kraft legte er die Hände auf die Kranken, und sie wurden gesund; die Stummen redeten, die Lahmen gingen und die Toten wurden lebendig. Jesus Christus erschien, um das Zeugnis des materiellen Sinnes zu widerlegen. Er kam in der Kraft des geistigen Sinnes, und Mrs. Eddy definiert geistigen Sinn als „eine bewußte, beständige Fähigkeit, Gott zu verstehen” („Science and Health,“ S. 209). Andrerseits sagt sie: „Der materielle Sinn berichtet nur einen sterblichen, vorübergehenden Begriff von den Dingen” (Ibid, S. 298). Wenn also der materielle Sinn den Körper als gesund bezeichnet, so ist das bloß ein zeitweiliger Begriff von den Dingen, eine sterbliche Auffassung von Gesundheit, die auf dem Zeugnis der materiellen Sinne beruht und deshalb dem Wechsel unterworfen ist, je nachdem sich des Menschen Annahme in Bezug auf sich selbst verändert.
Wie findet man wahre Gesundheit und Harmonie? Es muß in der Weise geschehen, die Gott bestimmt hat; mit andern Worten: wir müssen durch die Wüste menschlicher Mutmaßungen und Gesundheitsannahmen hindurchgehen und diese Irrtümer überwinden, bis wir in dem höheren Verständnis, welches uns dann zuteil wird, den wahren, von Gott erschaffenen Menschen erkennen und einsehen, daß derselbe weder krank noch sündhaft sein kann; daß er keinen materiellen Gesundheits- und Krankheitsgesetzen unterworfen ist, sondern über denselben steht. Dann haben wir die wahre Idee von Gesundheit gefunden, und es gibt für uns keinen Rückfall in die Dunkelheit sterblicher Disharmonie.
Obige Gedanken drängten sich mir ganz besonders auf, als ich eine Zeitlang im Hause eines Arztes verweilte, der zahlreiche Behauptungen zugunsten materieller Gesundheitsregeln aufstellte. Die beständige Wiederholung dieser Behauptungen über den Körper beeinflußten mich derart, daß ich anfing, mich zu beobachten, um zu sehen, ob ich das, was die sterbliche Vernunft Gesundheit nennt, zum Ausdruck brächte. Vor diesem Zeitpunkt hatte ich mich einer sehr guten Gesundheit erfreut; jetzt aber, da ich meinem Körper diese Aufmerksamkeit schenkte, um festzustellen, ob gewisse Funktionen mit dem materiellen Begriff von Harmonie übereinstimmten, stellten sich verschiedene Leiden ein, und zuletzt konnte ich kaum mehr meine tägliche Arbeit verrichten. Erst als es mir klar geworden war, daß das Normalmaß der Gesundheit, welches die sterbliche Vernunft aufstellt, ebenso trügerisch ist wie ihr Begriff von Krankheit, verstand ich die wahre Idee von Gesundheit, welche dann auch dem Zeugnis des menschlichen Sinnes gemäß als gesunder Körper zum Ausdruck kam. Ich sah ein, daß das, was der menschliche Sinn über den Körper berichtet, ein vorübergehender Begriff der Dinge ist — ein falsches Urteil über Harmonie und die Ursache menschlicher Disharmonie; daß Gesundheit nicht durch Beobachtung des Körpers erlangt wird, sondern durch die Erkenntnis, daß der Mensch Gottes Idee ist und von Gott regiert wird.
