Man kann sich die Macht der göttlichen Wahrheit als in der Vergangenheit demonstriert oder als in der Zukunft demonstrierbar denken, kann von ganzem Herzen an diese vergangenen und zukünftigen Möglichkeiten glauben, ohne jedoch geistige Dinge so erfaßt zu haben, daß sie anwendbar werden. Die Wahrheit dient eben einem jeden in dem „Jetzt” des Bewußtseins zur Erlösung. Hier allein ist die wirkende Kraft der Wahrheit zu finden, hier allein kann man Erlösung erlangen. Paulus erklärt deshalb: „Sehet, jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils.”
Der christliche Glaube hat stets einen Fehler begangen, indem er sich große Wahrheiten hartnäckig in der falschen Zeitform dachte und den Glauben an die Anwendbarkeit dieser Wahrheiten fast gänzlich auf diese Zeitformen beschränkte. Man nehme z. B. die Lehre in Bezug auf das göttliche Wesen und die göttliche Verordnung. Die Theologie hat stets versucht klar zu machen, daß Gott in der Vergangenheit gerecht und gut war und daß Er es in der Zukunft sein wird. Daß Er aber in allen Seinen Kundgebungen gerecht und gut ist und daß deshalb keine Ungerechtigkeit und kein Übel von Ihm kommt — dies hat die herkömmliche Theologie im Wesentlichen verneint, indem sie die Schrecken der Erdbeben und dergl., sowie das Leiden der Unschuldigen durch ererbte Krankheiten dem „Walten einer unerforschlichen göttlichen Vorsehung” zuschrieb.
Ferner hat die Kirche in Bezug auf die schöpferische Tätigkeit Gottes gelehrt, daß Er am Anfang alle Dinge „sehr gut” erschuf, und daß in der Zukunft einmal alle Dinge wiederum der harmonische Ausdruck des göttlichen Gesetzes und der göttlichen Ordnung sein werden. Daß aber alles Sein, alle Wirklichkeit die Kundgebung der Tätigkeit des allgegenwärtigen göttlichen Geistes ist und deshalb ideal sein muß— dies ist der christlichen Lehre fremd gewesen. Im christlichen Glauben wie auch in der allgemeinen Annahme haben untergeordnete Ursachen Gott im Wesentlichen aus dem heutigen Weltall verdrängt.
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