In Nr. 139 des „Berliner Lokal-Anzeigers” veröffentlichte Herr Pfarrer Ernst Klein einen Artikel, „Ein Kapitel vom Gesundbeten,” in welchem er aus dem Lehrbuch der Christian Science, „Science and Health with Key to the Scriptures“ von Mary Baker Eddy, einige Sätze zur Charakteristik von Christian Science willkürlich aus dem Zusammenhang herausgreift. In demselben Lehrbuch („Science and Health,“ S. 341:1) sagt nun Mrs. Eddy wörtlich: „Die Zensuren über mein Lehrbuch möchten diese Wahrheit, die Tausende aus Hilflosigkeit zu Kraft erweckt, und sie aus einem theoretischen zu einem praktischen Christentum erhebt, der Vergessenheit anheim geben. Diese Kritiken stützen sich auf abgerissene Sätze, oder aus ihrem Zusammenhang losgelöste Abschnitte. Sogar die Heilige Schrift, die in Schönheit und Übereinstimmung aus einer großen Wurzel herauswächst, erscheint widersprechend, wenn solcher Behandlung unterworfen.” Und an einer andern Stelle (S. 354:30): „Die Gegner der Christian Science müssen liebevoll sein, wenn sie Christen sein wollen. Wenn der Buchstabe der Christian Science widersprechend erscheint, sollten sie dessen geistige Bedeutung gewinnen, alsdann wird der Doppelsinn schwinden.” Ferner schreibt Mrs. Eddy ihren Schülern vor (S. 444:13): „Die Autorin rät ihren Schülern, nachsichtsvoll and liebevoll gesinnt zu sein, und zwar nicht nur gegen abweichende Formen der Religion oder Medizin, sondern auch gegen die Personen, welche jene abweichenden Ansichten haben.” Die Anhänger der Christian Science können aber wenigstens von ihren Gegnern verlangen, daß diese ein „gerechtes Gericht” richten. Was würde man sagen, wenn jemand die streng wissenschaftlichen und erkenntnis-theoretischen Ausführungen eines Kant einem Publikum von Nichtphilosophen gegenüber in der Weise kritisieren wollte, daß er ein paar abgerissene Sätze anführt, ohne zugleich die Erklärung zu geben, wie Kant diese Sätze verstanden wissen wollte und wie er sie begründet hat? Es wäre doch tatsächlich leicht, auf diese Weise die Kantsche Philosophie als recht paradox hinzustellen. Für jeden Kenner der Kantschen Philosophie und der modernen Philosophie überhaupt ist übrigens die Verneinung der Materie nichts Neues; Herr Pfarrer Klein sucht aber diesen Teil der Lehre der Christian Science lächerlich zu machen. Herr Pfarrer Klein ist im Irrtum, wenn er meint, daß die Erste Kirche Christi des Scientisten, Berlin, sich in die Verborgenheit verkrochen hat; ihre Gottesdienste, Versammlungen und ihr Lesezimmer sind jedermann zugänglich; in jedem Gottesdienst und in jeder Versammlung wird das Lesezimmer gezeigt, wo die autorisierte Literatur der Christian Science gelesen und gekauft werden kann, so daß es tatsächlich keine Schwierigkeiten macht, sich das Lehrbuch zu beschaffen. Falsch ist ferner die Ansicht, daß Christian Science kein Christentum sei. Durch etwas eingehenderes Studium des Lehrbuches hätte sich Herr Pfarrer Klein davon überzeugen können, daß Christian Science das Dasein eines allmächtigen Gottes behauptet, neben dessen Macht sie logischerweise keine andre Macht anerkennt; daß ferner ihre Anhänger das Leben Christi als ihr Lebensideal betrachten, dem sie in werktätiger Liebe gegen ihre Nächsten durch praktisches Christentum immer näher zu kommen trachten. (Mark. 12: 29–33.)
Keinem Christian Scientisten fällt es ein, Essen und Trinken als für die heutige Zeit unnötig und sündlich zu betrachten. Selbst Jesus hat Speise und Trank zu sich genommen, und über dieses ihr Lebensideal hinaus streben die Christian Scientisten nicht. Sie haben es nicht verlernt, sondern gerade erst recht gelernt, Gott „im Geist und in der Wahrheit” anzubeten.
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