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Mitgefühl

Aus der Dezember 1910-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Diejenigen, welche sich den Lehren der Christian Science widersetzen, behaupten oft, es fehle deren Schülern an Mitgefühl. Was die Sterblichen im allgemeinen Mitgefühl nennen, ist oft wenig mehr als Gefühlserregung angesichts einer Kundgebung oder eines Ausdrucks des Irrtums. Es ist scheinbar eine schwierige Aufgabe, einer außerhalb der Christian Science stehenden Person zu erklären, daß dieses unrichtige Mitgefühl, welches unserm Bruder nur noch mehr Elend aufbürdet, anstatt ihm zu helfen, dem wahren Mitgefühl Raum geben muß, welches ihn über seine Empfindung des Kummers und der Disharmonie emporhebt und ihm zeigt, daß Gesundheit und Glückseligkeit zum rechtmäßigen Erbteil des geistigen Kindes Gottes gehört. Als unserm Meister Kranke und Bekümmerte gebracht wurden, bewies er sein wahres Mitgefühl dadurch, daß er sie heilte und ihnen somit die Unwirklichkeit ihrer Leiden bewies. Im Evangelium Matthäus lesen wir: „Und Jesus ging hervor, und sah das große Volk; und es jammerte ihn derselbigen, und heilete ihre Kranken.”

Während wir danach trachten, unser Verständnis von der Christian Science in die Praxis umzusetzen, dürfen wir nicht vergessen, daß wahres Mitgefühl die göttliche Liebe widerspiegelt, und daß göttliche Liebe voll Geduld und Erbarmen ist. Der wahrhaft mitfühlende Mensch erkennt sofort die Bedürfnisse andrer. Er wird nun und nimmer den unheilvollen Fehler begehen, einem mit Schmerz und Kummer erfüllten Menschen, der zaghaft Auskunft über die Christian Science sucht, mit der Erklärung entgegenzutreten: „Ihnen fehlt gar nichts; alle ihre Leiden sind bloß Lügen!” Nein, er wird vor allem seinen Begriff von Schmerz und Disharmonie heilen und ihm dadurch die Nichtigkeit des Irrtums und die Allheit Gottes demonstrieren. Wenn der Geheilte auf diese Weise den praktischen Beweis von der Macht der unendlichen Liebe erhalten hat, so ist er für die Erklärung bereit, daß aller Glaube an das Übel eine Unwirklichkeit, ein falscher Zustand des Bewußtseins ist. Wir, die Schüler der Christian Science, müssen sehr auf der Hut sein, daß nicht der Irrtum in der Gestalt von Ungeduld über unsres Mitmenschen scheinbar langsames Erfassen der Wahrheit in unser Bewußtsein eindringe. Zweifel und Schwierigkeiten, aus welchen wir uns mit Gottes Hilfe herausgearbeitet haben, sind für ihn noch sehr wirklich. Wir müssen äußerst sanft und liebevoll mit ihm verfahren — müssen ihm mit freundlichen und liebevollen Worten über die rauhen Stellen hinweghelfen, bis auch er in der „herrlichen Freiheit der Kinder Gottes” frohlocken kann. In unserm Textbuch „Science and Health“ (S. 514) lesen wir: „Zärtlichkeit begleitet alle Macht, welche Geist verleiht.” Der stärkste Gedanke ist daher derjenige, der am meisten Zärtlichkeit und Erbarmen kundtut.

Unsre Führerin hat uns in allen ihren Schriften auf die Notwendigkeit eines allumfassenden Mitgefühls und Wohlwollens hingewiesen, da diese Eigenschaften allein uns in den Stand setzen, die Bedürfnisse andrer zu erkennen. So erklärt sie z. B.: „Der Arzt, der kein Mitgefühl für seine Mitmenschen hat, ermangelt der Menschenliebe, und wir sind berechtigt mit dem Apostel zu fragen: ‚Wer seinen Bruder nicht liebet, den er siehet, wie kann er Gott lieben, den er nicht siehet?‘” (Ibid., S. 366). Wir müssen die Dinge sowohl von unsres Bruders Standpunkt als von unserm eignen aus sehen können. Ein rücksichtsloses Aburteilen über seine ihm so teuren Ansichten und Vorstellungen wird ihm nun und nimmer helfen, sich von denselben zu trennen. Höflichkeit ist ein wichtiger Bestandteil des Mitgefühls; wir müssen also vorsichtig sein, damit wir unsres Mitbruders Gefühl nicht durch wegwerfende Bemerkungen über seinen bisherigen Glauben verletzen.

Obgleich wir uns freuen über die in den Lehren der Christian Science enthaltene Wahrheit sowie über das in unserm eignen Bewußtsein erwachte klarere Verständnis von Gott und dem Menschen, so sollten wir dabei doch nie vergessen, daß diejenigen, welche uns nicht beistimmen, ebenfalls an die Wahrheit ihrer Religion glauben und vielleicht sehr an derselben hängen, weil sie mit gar manchen zarten Erinnerungen und lehrreichen Erfahrungen verknüpft ist. Es mag ihnen manchen Kampf und große Besorgnis verursachen, sich von dem allem loszusagen und etwas zu ergreifen, was ihnen schwer verständlich erscheint. Wir sollten im Umgang mit ihnen stets an die weise Ermahnung des Petrus denken: „Seid ... barmherzig, freundlich”— sollten sie in Geduld und Sanftmut auf den höheren Begriff von Gott hinweisen. Durch unser praktisches Mitgefühl werden wir ihr und unser eignes Denken erheben und ihnen den Beweis geben, daß die Christian Science mehr ist als eine Religionstheorie.

Dieses vollkommene Mitgefühl muß in allen unsern Gedanken, Worten und Taten zum Ausdruck kommen. Es muß mehr Licht, Glück und Harmonie in unser eignes Heim bringen. Während sich uns das Verständnis der Erhabenheit und Schönheit der Christian Science erschließt, sind wir leicht geneigt, uns so sehr in das Studium des Buchstabens zu vertiefen, daß wir alles andre darüber versäumen. Wir vergessen dann die naheliegenden alltäglichen Pflichten — die Pflichten, bei deren Ausübung die Christian Science stets anwendbar ist. Zarte, liebevolle Sorgfalt gegen andre, Rücksicht auf ihr Wohlbefinden und ihre Rechte, verständnisvolles Interesse für ihre Berufsarbeit, treues und freudiges Erfüllen der eignen Pflichten — dies alles trägt mehr dazu bei, den scheinbaren Gegnern der Christian Science zu beweisen, daß unsre Religion das von Jesu gelehrte und ausgeübte praktische Christentum ist, als alles Darlegen von Theorien oder Wiederholen der Gedanken eines andern, mögen dieselben auch noch so schön sein.

Nur durch das größte Mitgefühl und durch selbstlose Liebe können wir das volle Vertrauen des Kranken und des Sünders gewinnen. Unsres Meisters grenzenloses Mitleid und seine unendliche Liebe überzeugte Maria Magdalena von der Hohlheit und Unwirklichkeit ihres sündhaften Lebens und offenbarte ihr den wahren Begriff von Liebe. Auch unsre Aufgabe ist es, das erlangte Verständnis von Gott so in die Tat umzusetzen, daß wir selbst den geringfügigsten Beschwerden und den größten Sünden, wegen deren man sich um Hilfe und Heilung an uns wenden mag, gerne unsre Aufmerksamkeit schenken. Wenn wir das Christus-Ideal in unsern eignen Herzen hochhalten, so wird man uns nie mit Recht des Mangels an Verständnis und Mitgefühl zeihen können.

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