Wenn wir in dem Handbuch der Mutterkirche lesen (S. 17), daß „eine kleine Schar ernster Wahrheitssucher” vor einunddreißig Jahren zusammentrat, um sich über die Gründung einer Kirche zu beraten, welche „die Kirche Christi, des Scientisten” heißen sollte; wenn uns da gesagt wird, daß diese Kirche anfangs nur sechsundzwanzig Mitglieder zählte, daß sie durch tiefe Wasser hindurch mußte, aber dennoch beständig zunahm, und wenn wir diesem kleinen Anfang die großen Scharen derer gegenüberstellen, die sich heute zu dieser Kirche bekennen, so sehen wir, daß der Zuwachs der Christian Science Kirche an Mitgliedern geradezu phänomenal gewesen ist. Solche Tatsachen veranschaulichen jedoch keineswegs das wahre Wachstum dieser Bewegung, noch ihren Wert für die Menschheit. Sie muß vielmehr nach dem Leben derer beurteilt werden, die jetzt dieser Kirche angehören, oder die ihr später angehören werden. Die Zahl kommt hier nicht in Betracht, sondern die Qualität. Nicht sowohl mehr Christian Scientisten, als bessere Christian Scientisten sind nötig; nicht sowohl Versicherungen der Anhänglichkeit und Treue, als ein christliches Leben, demutsvolle Hingabe und Liebeswerke.
Auf Seite 192 von „Science and Health“ sagt uns Mrs. Eddy in folgenden Worten sehr genau, wie ein Christian Scientist beschaffen sein muß: „Wir sind nur insofern Christian Scientisten, als wir unser Vertrauen auf das Falsche ablegen und das Wahre ergreifen. Wir sind keine Christian Scientisten, solange wir nicht alles um Christi willen darangegeben haben.” Dem sterblichen, menschlichen Begriff erscheint dies als eine Behauptung, der man sehr leicht mit Worten beistimmen kann, die sich aber nur schwer in die Tat übersetzen läßt. Daran ist aber nicht die dieser Behauptung zugrunde liegende Wahrheit schuld, sondern die Tatsache, daß der Mensch nur sehr ungern die nötigen Bedingungen erfüllt; denn in dem Maße, wie wir das Zeugnis der materiellen Sinne glauben und uns auf dasselbe verlassen, verwerfen wir den Glauben an die Herrschaft des Geistes und verneinen wir die Möglichkeit eines geistigen Sinnes.
Die Bereitwilligkeit, alles um Christi willen zu verlassen, wird nicht durch schwärmerische Sehnsucht bewirkt, sondern durch einen klaren, nüchternen Begriff von der Allheit Gottes, des Geistes und der entsprechenden Unzuverlässigkeit und Unwirklichkeit alles dessen, was Ihm ungleich ist. Der oben angeführten Stelle gemäß können wir nur dann Christian Scieneisten werden, wenn wir uns ernstlich bemühen, Eigenwillen, Selbstgerechtigkeit, Selbstrechtfertigung sowie alle andern Irrtümer abzulegen, die uns von dem Christus fernhalten, der da ist „die göttliche Kundgebung Gottes, die Fleisch ward, um den Fleisch gewordenen Irrtum zu zerstreuen” („Science and Health“, S. 583).
Von dem Punkte aus, den wir bis jetzt auf unserm Weg nach dem Himmel erreicht haben, mag es uns allerdings schwierig oder gar unmöglich erscheinen, in allen Fällen den Anforderungen des Geistes gerecht zu werden. Nichtsdestoweniger besteht die Tatsache, daß diese Anforderungen an uns gestellt sind, und man sollte dabei nicht vergessen, daß Gott nichts von uns verlangt, ohne uns auch die zur Ausführung nötige Kraft zu verleihen. Man lese die göttlichen Verheißungen an Seine Diener, Seine Auserwählten: „Fürchte dich nicht, Ich bin mit dir; weiche nicht, denn Ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.” Als Christian Scientisten haben wir ein Recht, die Erfüllung dieser Verheißung zu beanspruchen; wir dürfen erwarten, „einen Sieg nach dem andern” zu erhalten. Dabei ist es aber unsre Pflicht, unsern Glauben nicht nur durch unsern Namen kundzutun, sondern ihn auch durch die Tat zu beweisen — mehr Liebe an den Tag zu legen, mehr christusähnlich zu werden und uns mehr dem Wahren und Guten zu weihen. Wir müssen der Ermahnung unsrer Führerin gemäß „durch unsern Lebenswandel sowohl als durch Heilen und Lehren” beweisen, „daß das Christus- Verfahren das einzige Versahren ist, vermittelst dessen die Sterblichen gründlich von Sünde und Krankheit erlöst werden können” (Ibid., S. 458).