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Das Gebet und dessen Wirkungen

Aus der Juli 1910-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Eine der ungerechten Beschuldigungen, die gegen die Christian Scientisten erhoben werden, ist die, daß sie nicht beten. In den Augen der meisten orthodoxen Christen ist das Gebet nichts weiter als eine an Gott gerichtete Bitte, etwas Bestimmtes zu tun. Wenn das Gebet nur diese Bedeutung hätte, so würde es wenig oder gar keinen erneuernden Einfluß auf den Menschen ausüben. Ein solcher Begriff vom Gebet läßt die wichtigste Tatsache außer Acht, daß nur der Mensch sich verändern kann, nie aber Gott.

Das wirksame Gebet bringt nicht Gott näher zum Menschen, sondern den Menschen näher zu Gott, näher zur unveränderlichen Harmonie des Seins, welche Sünde, Krankheit und Leiden jeder Art zerstört. Es gibt ein allwaltendes Prinzip, nach welchem sich der Mensch richten muß, um völlig harmonisch zu sein. Wenn das Gebet wirksam sein soll, so muß es den Menschen dem Verständnis dieses Prinzips näher bringen und ihm dazu verhelfen, sich demselben in all seinem Denken und Tun anzupassen. Das Gebet ist also in dem Maße wirksam, wie es den Menschen zu einem höheren Begriff, einem besseren Verständnis von Gott emporhebt und ihn willens macht, sein Leben nach dem Gesetz Gottes einzurichten. Ohne diesen erneuernden Einfluß auf den sterblichen Menschen ist das Gebet ohne Kraft und ohne Wirkung.

Gerade in diesem Punkt liegt der große Unterschied zwischen dem Gebet der Christen im allgemeinen und dem Gebet, wie die Christian Science es uns lehrt. Das erstere ist meistens eine an Gott gerichtete flehentliche Bitte, etwas Bestimmtes zum Wohle der ganzen Menschheit oder eines einzelnen Menschen zu tun. Das letztere ist im Wesentlichen ein Erklärung, daß Gott bereits alles für die Menschen getan hat, was getan werden kann, alles, was sie nötig haben, um Befreiung von Sünde, Krankheit, Kummer und andern Übeln zu erlangen. Es hat den Zweck, die Menschen zur Erkenntnis dieser großen Tatsache zu bringen und sie zu veranlassen, so zu denken, zu handeln und zu leben, daß sie das empfangen können, was ihnen Gott bereitet hat. Es stützt sich auf die grundlegende Tatsache, daß Gott alles gut und harmonisch erschaffen hat und daß die falschen Begriffe des sterblichen Menschen in Bezug auf Leben und Existenz an all seinem Kummer und Elend schuld sind. Das wahre Gebet soll daher diese falschen Begriffe und des Menschen Neigung, diesen Begriffen entsprechend zu handeln, berichtigen.

Man mag erwidern, Gebet irgendwelcher Art sei eine Anerkennung der Allmacht Gottes und des Menschen Abhängigkeit von Ihm, und müsse daher zum Heil und zur Erhebung der Menschheit dienen. Dies mag in gewissem Sinne wahr sein, nur ist die allgemein übliche Art der Anerkennung Gottes eine irrige; denn obgleich sie Seine Allmacht zugibt, so gründet sie sich doch auf der falschen Auffassung, daß Er veränderlich sei, daß man Ihn überreden könne anders zu handeln, als Er sonst gehandelt hätte. Eine solche Anerkennung läßt die wichtigste Tatsache außer Acht, nämlich, daß bloß der menschliche Begriff geändert werden muß, um das Begehrte zu erlangen. Sie beruht auf der Ansicht, daß dem Menschen etwas vorenthalten werde, was er durch ein inständiges Bittgebet erlangen könne. Das Gebet der Christian Science hingegen beruht auf dem Glauben und dem Verständnis, daß Gott den Menschen mit allem Nötigen versehen hat und daß Er Seinen Kindern nichts Gutes vorenthält. Die Menschheit ist an ihrem eignen Elend und Mangel schuld, weil sie nicht das richtige Verständnis hat und nicht gewillt ist das anzunehmen, was Gott darreicht. Das Gute steht immer bereit, sei es Freiheit von Sünde und Krankheit oder irgendeine andre Art des Guten. Um das Gute zu besitzen, haben wir bloß zu lernen es zu empfangen. Angesichts dieser Tatsache ist offenbar der Zweck des Gebetes, den Menschen in den Stand zu setzen, den für ihn bereitliegenden Vorrat des Guten entgegenzunehmen. Wer dies nicht einsieht und demgemäß handelt, betet umsonst.

Diese neue Auffassung vom Gebet sollte keine Verwirrung, keine Furcht, keine Besorgnis hervorrufen. Das Gebet ist nicht bloß eine Zusammenstellung von Worten. Das einfache Stammeln eines Kindes, das durch gutes Betragen und Frömmigkeit nach der Erkenntnis Gottes trachtet, mag weit wirksamer sein als die beredten, schönen, inbrünstigen Worte eines gelehrten Theologen. Es kommt auf den geistigen Zustand des Suchers an. Gute Absichten, Aufrichtigkeit und die Bereitwilligkeit, der Sünde zu entsagen und Gutes zu tun, bringen uns Vergebung und Hilfe in Zeiten der Not.

Der Apostel Jakobus sagte: „Ihr bittet und nehmet nicht, darum daß ihr übel bittet, nämlich dahin, daß ihr’s mit euren Wollüsten verzehret.” Er wollte damit sagen, daß ihren Bitten die reine Selbstsucht zugrunde liege und daß sie nicht das echte Verlangen hätten, welches allein wirksam ist. Mrs. Eddy macht dies in unserm Textbuch in dem Kapitel über das Gebet so klar, daß wir uns jetzt wundern, wie wir je eine andre Auffassung von dem Wesen des Gebetes haben konnten. Ihre Behandlung dieses Gegenstandes ist sehr belehrend und macht einen tiefen Eindruck. Sie weist immer und immer wieder auf die wichtige Tatsache hin, daß ernstes Verlangen der rechten Art wirksames Gebet ist. Der ganze Gegenstand ist in faßlicher Weise in dem ersten Satz des ersten Kapitels dargelegt. Es heißt da: „Das Gebet, welches den Sünder bekehrt und den Kranken heilt, ist der absolute Glaube, daß bei Gott alle Dinge möglich sind — ein geistiges Verständnis von Ihm, eine selbstlose Liebe” („Science and Health“, S. 1).

Ich werde mir nicht anmaßen, diese klaren, leicht verständlichen Worte näher zu erklären. Es dürfte jedoch angebracht sein, auf die drei wesentlichen Punkte hinzuweisen, die Mrs. Eddy so klar darlegt, nämlich: Glauben an Gott, geistiges Verständnis von Ihm, eine selbstlose Liebe. Wenn unserm Gebet diese Bestandteile fehlen, oder wenn auch nur einer fehlt, so beten wir „übel”, und unser Gebet kann nicht die volle Wirkung haben. Die von unsrer Führerin so oft betonte Tatsache, daß unser Denken und unser Gemütszustand sehr viel mit der Wirksamkeit des Gebetes zu tun hat, wird — wie jeder Christian Scientist weiß— in vielen andern Teilen von „Science and Health“ weiter auseinandergesetzt und klar gemacht. So lesen wir z. B. auf Seite 9: „Konsequentes Gebet ist das ernste Verlangen, recht zu tun.” Ferner wird uns zum Verständnis gebracht, daß es nicht genügt, unser Verlangen mit Worten auszudrücken, sondern es muß dies vielmehr durch „Geduld, Demut, Liebe und gute Werke” geschehen (Ibid., S. 4). Außerdem hat uns Mrs. Eddy klar und deutlich gezeigt, daß ein Gebet, das nichts weiter ist als ein an Gott gerichtetes flehentliches Gesuch, keine Wirkung hat. (Siehe SS. 2, 11, 12.)

Das wirksame Gebet ist also ein Gebet, das die Menschen bessert und sie Gott näher bringt. Die göttlichen Gesetze bleiben stets dieselben. Der Maßstab des Guten ist bestimmt und unveränderlich. Wir müssen uns nach diesem Maßstab richten, wenn anders wir das Gebot Jesu befolgen wollen: „Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist.” Das wahrste und wirksamste Gebet ist das ernste Verlangen, diesen Maßstab klar zu erkennen und nach demselben zu leben. Jeder gute Gedanke, jedes ernste Verlangen nach Besserung, jede gute und aufrichtige Tat ist ein Gebet, das den Menschen bessert und ihn Gott näher bringt — das ihm das dereinstige Erreichen des absoluten, göttlichen Maßstabs des Guten immer mehr zur Gewißheit macht. Beim Beten handelt es sich um individuelle Wiedergeburt, individuellen Fortschritt. Das wahre Gebet umfaßt Glauben, geistiges Verständnis sowie rechtes Tun und Wollen, in welcher Weise es auch zum Ausdruck kommen möge. Es kommt beim Gebet auf das Vertrauen zu Gott und auf den Glauben an Ihn an; ferner muß man ernstlich und redlich danach trachten, Ihn so kennen zu lernen, wie Er ist. Das Verlangen nach Besserung muß durch richtiges Denken, Reden und Handeln zum Ausdruck kommen.

Eines der wichtigsten Resultate von Mrs. Eddys Entdeckung ist das bessere Verständnis bezüglich des Wesens Gottes, das sie unzähligen Leuten gebracht hat. Viele derselben hatten nicht an Gott geglaubt, eine weit größere Anzahl hatte kein klares Verständnis, keinen richtigen Begriff von Ihm. Tausende von Leuten, die durch die Wirksamkeit der Christian Science ihre Gesundheit und ihren Seelenfrieden wiedererlangt haben, bezeugen freudigen Herzens die stattgefunden Umwandlung und Erneuerung in ihrem Denken und in ihrem Verständnis. Dies ist nur eines der vielen herrlichen Resultate, welche die Begründerin und Führerin der Christian Science Bewegung durch ihr fortwährendes wirksames Gebet erzielt hat. Ihr Leben bietet uns ein leuchtendes Beispiel des wahren, wirksamen Gebetes.

Nun mag aber der eine oder der andre denken, diese Art des Gebetes stelle den Menschen als den Handelnden hin und lasse Gott unbeachtet. Darauf ist zu erwidern, daß der göttliche Geist (Mind) sich stets durch Tätigkeit ausdrückt. Gott ist das stets gegenwärtige, stets tätige Gute. Die Gegenwart des Guten ermahnt die Menschheit, das Übel zurückzuweisen und der Gerechtigkeit nachzujagen. Das Gute bildet die Haupttriebfeder des rechten Verlangens, das sich in unsern Gebeten äußert, und ist andrerseits die Belohnung für Buße und Bekehrung. Wir nennen es gewöhnlich Gewissen, aber in Wirklichkeit ist es der Sinn für das Gute, der die Oberhand über den Sinn für das Übel im menschlichen Bewußtsein zu erlangen sucht. Es ist die fortwährende Gegenwart Gottes, die alles Übel vernichten muß und wird. Unsre Fähigkeit, das von uns gewünschte Gute zu verwirklichen, ist daher ganz und gar von Gott abhängig — dem Geber alles Guten. Wenn wir die Wohltaten des bestehenden Guten nicht verwirklichen oder empfangen, so kommt es nicht daher, weil das Gute etwa untätig ist, denn Gott ist das Gute; deshalb ist das Gute die Wirklichkeit, und Sünde, Übel, Disharmonie sind die Unwirklichkeiten.

Der Glaube an das Übel beeinflußt die Menschen nur in dem Grade, wie sie ihm in ihrem eignen Bewußtsein Raum geben. Das Gute steht ihnen allezeit zur Verfügung, ist stets bereit, die Stelle des Übels in ihrem Bewußtsein einzunehmen. Das wirksame Gebet ist daher das Gebet, welches dem Guten Einlaß gewährt und das Übel aus dem Denken vertreibt. Damit dies geschehen könne, müssen wir die Allheit Gottes und die Unwirklichkeit des Übels verstehen. Je näher wir durch das Gebet des rechten Verlangens und durch das Überwinden des falschen Verlangens Gott näher kommen, desto inniger ist unsre Gemeinschaft mit Ihm, desto tiefer ist unser Verständnis und desto reiner unser Leben. In dieser Weise bewirkt das Gebet unsre Wiedergeburt.

Aus der Bibel ist ersichtlich, daß Jesus den Glauben für sehr nötig hielt, um das Erbetene zu erhalten. Er erklärte: „Alles, was ihr bittet im Gebet, so ihr glaubet, werdet ihr’s empfahen.” Ferner: „Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubet nur, daß ihr’s empfahen werdet, so wird’s euch werden.” Außerdem ermahnte er seine Zuhörer, sie sollten vergeben, wenn sie beteten, damit der Vater ihnen ihre eignen Schulden vergeben möge. Dies ist der Geist des Gebetes des Herrn: „Und vergib uns unsre Schulden, wie wir unsern Schuldigern vergeben.” Ein Gebet kann nicht wirksam sein, wenn es aus einem mit Haß und Neid erfüllten Herzen kommt. An Stelle dieser Regungen muß das reumütige Verlangen nach Befreiung von denselben treten. Die Hilfe kommt nicht dadurch, daß man zu Gott fleht, sondern dadurch, daß man ernstlich danach strebt, Haß und Neid durch den Geist der Liebe zu überwinden.

Nichts ist besser geeignet, diese unglückseligen mentalen Zustände zu überwinden, als das von unsrer Führerin angeordnete tägliche Gebet: „‚Dein Reich komme‘; laß die Herrschaft der göttlichen Wahrheit, des göttlichen Lebens und der göttlichen Liebe in mir errichtet werden, mich leiten und alle Sünde aus mir vertreiben. Und möge Dein Wort die liebevolle Gesinnung der ganzen Menschheit bereichern und die Menschen regieren!” („Manual“, S. 41). Es gibt kein wirksameres Gebet als dieses, wenn der Betende in seinen Absichten ehrlich und aufrichtig ist, wenn er an Gott glaubt und das Verlangen hat, von der Sünde befreit zu werden. Wenn man es aber ohne Glauben und rechtes Verlangen anwendet, so heißt das einfach „viele Worte machen” und „plappern wie die Heiden.” Der Glaube, welcher heilt und erlöst, ist „kein strauchelnder und blinder Glaube, sondern die Erkenntnis geistiger Wahrheit” („Science and Health“, S. 582). Besonders eine Person, die andern im Sinne der Christian Science beisteht, hat nicht nur Glauben nötig, sondern auch ein Verständnis von der Macht Gottes und der Unwirklichkeit des Übels.

Wenn man bedenkt, wie wirkungslos die Gebete gewesen sind, die in all den vergangenen Jahrhunderten aus dem Munde zahlloser ernster und aufrichtiger Sucher nach Gerechtigkeit emporgestiegen sind, so ist es nicht zu verwundern, daß die Welt ihren Glauben an die Wirksamkeit des Gebetes verloren hat und in die Finsternis des Unglaubens geraten ist. Denjenigen, die wohl einen blinden Glauben, aber nicht das richtige Verständnis von Gott hatten, die in Zeiten der Not mit Gott rangen, ohne ihr Gebet erhört zu sehen — diesen bleibt nichts andres übrig als aus gequältem Herzen zu rufen: „Dein Wille geschehe.” Wer da glaubt, es sei der Wille Gottes, daß der Mensch krank sei und sterbe, wer annimmt, Gott weigere sich aus diesem Grunde, Gebete zu erhören, befindet sich wahrlich in einem traurigen mentalen Zustand. Welch ein Trost ist es doch zu wissen und zu verstehen, daß Gott nicht unser Leiden will und daß alle wahren Gebete erhört werden.

Das Gebet des Herrn ist seinem Wesen nach keine flehentliche Bitte, daß Gott etwas für uns tun möge, sondern es drückt das ernste Verlangen aus, Seinem Gesetz gemäß zu leben. Mit den Worten „Dein Reich komme” äußern wir das Verlangen, daß das Reich Gottes, welches stets gegenwärtig ist, im Herzen und im Bewußtsein der Menschen herrsche. Es ist der Ausdruck des ernstlichen Verlangens seitens des Bittenden, durch ein dem Guten geweihtes Leben ein Bewohner dieses Reiches zu werden. Ebenso verhält es sich mit der Bitte „Dein Wille geschehe”. Sie drückt den Wunsch aus, daß der individuelle Mensch wiedergeboren werde, und dies ist das Kommen des Reiches Gottes. Die Bitte „Unser täglich Brot gib uns heute” äußert das Verlangen nach dem Brot des Lebens — nach der Wahrheit, die von Sünde, Krankheit und Tod befreit. Die nächste Bitte „vergib uns unsre Schulden wie wir unsern Schuldigern vergeben” bedeutet nach Jesu eigner Auslegung, daß Gott uns nur dann vergeben wird, wenn wir andern Menschen ihre Fehler vergeben; mit andern Worten: wir müssen vergeben, um Vergebung zu erlangen. Es drückt diese Bitte im Wesentlichen den Wunsch aus, andern vergeben zu können, und dies ist wiederum ein richtiges Verlangen. In der Bitte „Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel” wird das Verlangen geäußert, daß in unsern Lebenserfahrungen das Gute über das Böse siege.

So ist also das ganze Gebet des Herrn eine Bitte, daß die Menschen durch ihren Gehorsam gegen das Gesetz des Guten — das Gesetz Gottes — besser werden und durch Rechtschaffenheit ihrerseits in das Reich Gottes kommen mögen. Gott wird in den folgenden Worten als die Macht anerkannt, die dies zustande bringt: „Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.” In diesem Gebet kommt „der absolute Glaube” zum Ausdruck, „daß bei Gott alle Dinge möglich sind — ein geistiges Verständnis von Ihm, eine selbstlose Liebe” („Science and Health“, S. 1).

Wenn das in dem Gebet ausgedrückte Verlangen verwirklicht worden ist, und zwar durch die Wiedergeburt der Menschheit, durch die Vernichtung der Annahme, daß der Mensch materiell sei, durch die Offenbarung, daß er geistig und vollkommen ist und durch die Erkenntnis der Wirklichkeit des Guten und der Unwirklichkeit des Übels — dann wird das Gebet seine letzte, endgültige Wirkung erreicht haben, da ja alles richtige Verlangen erfüllt ist. Wir werden durch unser geistiges Verständnis von Gott in den Besitz unsres Kindesrechtes gelangt sein und so „gesinnet” sein, „wie Jesus Christus auch war.”

Wahres Gebet ist das ernste, aufrichtige Verlangen, die Dunkelheit der falschen materiellen Annahmen zu verlassen und in das Licht des geistigen Verständnisses einzutreten. Die Frucht dieses richtigen Verlangens ist die durch rechtschaffenes Denken und Handeln zum Ausdruck kommende Reue und Besserung. Gott ist die stets gegenwärtige Triebkraft und Inspiration, das Licht, welches die Menschen aus der Finsternis führt, die Wahrheit, welche das richtige Verlangen anregt, die Liebe, welche Sünde vergibt (zerstört) und das Gute belohnt, das Leben, welches geistig und unsterblich ist. Gott ist das Leben des wahren Menschen, des Bildnisses und Gleichnisses Gottes. Wahres Gebet ist das Überwinden der falschen Annahme, daß des Menschen Leben materiell und sterblich sei. Es setzt uns in den Stand, das Verständnis von der Wahrheit des Seins zu erlangen. Wenn uns unser Gebet nicht dem geistigen Verständnis näher bringt, so ist das ein Zeichen, daß wir umsonst gebetet haben.

Der Glaube an die Allheit und Gutheit Gottes ist die Grundlage alles wahren Gebetes. Wie erhaben, wie unbegrenzt und unbedingt war doch der Glaube Jesu! Am Grabe des Lazarus sagte er: „Vater, ... Ich weiß, daß du mich allezeit hörest”. Als seine Jünger jenen Knaben nicht heilen konnten, rief er aus: „O du ungläubige und verkehrte Art, wie lange soll ich bei euch sein?” Auf ihre Frage, warum ihnen die Heilung nicht gelungen war, sagte er: „Um eures Unglaubens willen. Denn ich sage euch wahrlich: So ihr Glauben habt als ein Senfkorn, so möget ihr sagen zu diesem Berge: Heb dich von hinnen dorthin! so wird er sich heben; und euch wird nichts unmöglich sein.” In vielen Fällen sagte er zu denen, die geheilt worden waren: „Dein Glaube hat dir geholfen.”

Jesus lehrte uns, wie man beten soll; und zwar tat er dies nicht allein durch Worte, sondern auch durch sein unbedingtes Vertrauen auf Gott, seinen unerschütterlichen Glauben an Ihn sowie durch seinen Wandel und sein Vorbild. Sein Befehl: „Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhöret, wenn sie viel Worte machen” sollte besser beachtet und befolgt werden. Unser Textbuch sagt uns: „Das gewohnheitsmäßige Streben immer gut zu sein ist Gebet ohne Unterlaß.” In den Fußtapfen Jesu wandeln und seine Gebote halten ist wirksames Beten. Er sagte zu seinen Jüngern: „Liebet ihr mich, so haltet meine Gebote”. Ferner: „So ihr meine Gebote haltet, so bleibet ihr in meiner Liebe, gleich wie Ich meines Vaters Gebote halte, und bleibe in seiner Liebe.” Jesus machte also das Halten seiner Gebote zum Prüfstein unsrer Liebe zu ihm und zu Gott. Das rechte Gebet besteht in dem aufrichtigen Verlangen und dem gewissenhaften, ernsten Streben, seine Gebote zu halten und dem Gesetz Gottes gemäß zu leben.

Copyright, 1910, by Mary Baker Eddy.
Verlagsrecht 1910, von Mary Baker Eddy.

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