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Das Gesetz der Liebe

Aus der November 1911-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Das Gesetz ist eine Notwendigkeit, keine Alternative. Es ist die Wahrheit, welche die Ordnung, die Harmonie und die Beständigkeit des Daseins aufrechterhält. Wenn die Sterblichen es wagen, das Gesetz zu übertreten, führt es den Verlust der obengenannten Hauptbedingungen zur Freiheit und Glückseligkeit herbei. Jesus faßte in seiner Antwort an die Schriftgelehrten alle Gesetze kurz zusammen, indem er sie als hingebende Liebe zu Gott und zu seinem Nächsten bezeichnete. An andern Stellen in seinen Lehren zeigte er, daß diese Nächstenliebe nicht auf unsre Freunde beschränkt werden darf, sondern sich auch auf diejenigen erstrecken muß, welche unfreundlich und abstoßend sind oder uns gar zu schaden suchen. Die Sterblichen haben den Sinn dieses Gesetzes zu umgehen versucht; sie legten es negativ aus; sie erklärten, es sei hinreichend, wenn sie niemand einen äußerlichen Schaden zufügten, und glaubten sich berechtigt, zu den Christen gezählt zu werden, wenn sie sich jeder offenen Vergeltung enthielten, obgleich vielleicht ihr Herz den Haß nährte oder sich im Geheimen über den Mißerfolg oder das Unglück andrer freute.

Der Meister lehrte nicht also. Seiner Lehre entsprechend wird Gottes Gesetz durch sündige Gedanken oder Begierden übertreten; auch ist es nicht erforderlich, jemanden körperlich niederzustrecken, um seines Mordes schuldig zu werden. Haß und Neid, wie überhaupt alle Arten von Sünden, wurzeln im sterblichen Gedanken, und gerade in diesem Gedanken muß das Gesetz der Liebe erkannt werden, gerade da muß man demselben gehorchen. Wir müssen den Vater im Verborgenen anbeten und Gottes Gesetz in unsern Herzen erfüllen, wofern wir öffentlich belohnt sein wollen. Wenn wir andrer nicht in Liebe gedenken, wenn wir in unsern Gedanken nicht liebreich, sanft, duldsam und rücksichtsvoll gegen sie sind, dann lieben wir sie gar nicht. Sogar Gleichgültigkeit übertritt dieses göttliche Gesetz, denn sie ist eine Form von Verachtung und nährt den Keim des Hasses. Alle, die unsre geistige Schwelle überschreiten, alle, die unsre Aufmerksamkeit fordern, sollten freundlich und liebevoll beachtet werden; dies wird auch ohne besondere Bemühung geschehen, wenn wir Liebe als die natürliche, frei wirkende Kraft, die Gott als unser Leben anerkennt, unpersönlich widerspiegeln. Das Bewußtsein ist kein negativer Zustand, sondern schließt unaufhörliche Tätigkeit in sich ein. Wenn die Liebe darin nicht ein bestimmender und beständiger Faktor ist, wird der Haß sicherlich in irgendeiner seiner vielen Gestalten seinen schlechten Einfluß geltend machen.

Die Christian Scientisten sollten die liebreichsten und liebevollsten Menschen auf Erden sein, denn sie wissen, daß Gott Liebe, das göttliche und alleinige Prinzip des menschlichen Daseins ist. Auf diese Wahrheit und ihre praktische Anwendung auf ihre Beziehungen zu einander und zur ganzen Menschheit werden die Scientisten fortwährend hingewiesen. In ihrem Gebet erklären sie ernstlich: „Liebe wird durch Liebe widergespiegelt” („Science and Health“, S. 17). Als Kirchenmitglieder haben sie das heilige Versprechen unterzeichnet, „andern so zu tun, wie wir wollen, daß uns getan werde” (Ibid., S. 497). Wir dürfen daher des Herrn Gebot, uns untereinander zu lieben, nicht aus den Augen verlieren, denn der Nächste muß sehen, daß unsre Religion mehr als ein Name ist, ehe er von deren Lebenskraft und Macht überzeugt werden kann. Wir schulden es Gott, unsrer Sache und denen, die unser Beispiel und unsre Hilfe brauchen, daß diese brüderliche Liebe „ohne Heuchelei” sei, denn die Versicherung der Liebe ohne ihre Betätigung wirkt vernichtend auf das Christentum. Wenn jemand trotz seiner überfließenden Reden über die Christian Science seine eignen Brüder, die mit ihm in dieser großen Bewegung wirken, nicht aufrichtig liebt, dann besitzt er nichts, womit er denen Liebe widerstrahlen kann, die außerhalb seiner Kirchengemeinde stehen. Die Liebe muß im Heim beginnen; wenn dort die Quelle versiegt, kommen unsre dürstenden Nachbarn vergebens, um zu schöpfen.

Das Gebot der Liebe duldet keine Ausnahmen. Wenn wir in einem einzigen Falle hassen, übertreten wir es und verhelfen dadurch dem Glauben an das Böse zur Herrschaft. In dem Augenblick, in dem das Licht aufhört zu leuchten, herrscht Finsternis, und in dem Augenblick, in dem wir aufhören zu lieben, befindet sich das Herz in der Dunkelheit von Gottes scheinbarer Abwesenheit. Obgleich die meisten von uns vor überlegter Bosheit in Gedanken oder in der Rede zurückschrecken würden, so können wir doch gedankenlos der heimlicheren Formen dieses Übels schuldig werden, wenn wir nicht die Liebe zum beständigen Wächter über unsre geistigen Handlungen machen. Mrs. Eddy warnt uns, unsre Zunge zu hüten, wenn wir in Gesellschaft sind (siehe „Miscellaneous Writings“, S. 126). Wo zwei oder drei versammelt sind, geht alles gut, solange die Liebe in ihrer Mitte ist; weicht jedoch die Liebe, was bleibt dann, um das Herz und die Zunge vor dem Bösen zu bewahren? Wenn die Allmacht des Guten im geselligen Verkehr vergessen wird, herrscht die Gefahr, daß sich lieblose Gedanken unter dem Mantel von scheinbar unschuldiger Unterhaltung einschleichen, denn es ist nun einmal die Neigung der Sterblichen, über ihre Nächsten zu reden. Diese gesellschaftliche Unterhaltung geht gar leicht in Klatsch über. Wenn sich der Schüler streng an die Gebote der Christian Science hält, wenn er bereit ist, die ganze Menschheit zu segnen und wenn er sich hütet, niemand auch nur durch einen falschen Gedanken zu schaden, dann arbeitet er das Gesetz der Treue gegen die göttliche Idee aus. Wer sich aber falschen Einflüsterungen hingibt, wer das äußert, was weder geglaubt noch ausgesprochen werden sollte, der wird eher zum Unheilstifter als zum Helfer. Das Böse kann nicht für sich selbst sprechen; daher sollten die, welche versichern, daß das Böse keine Intelligenz noch Wirklichkeit habe, nicht zu dessen Gunsten reden.

Die Christian Scientisten sollten genügend von der Kraft und der Wirkung des Denkens wissen, um sich nicht zu liebloser Beurteilung andrer verleiten zu lassen, denn dieser nur zu allgemeine Zeitvertreib wird niemals durch die Liebe angeregt. Wir brauchen all unsre Zeit, um unsre eigne Befreiung vom Bösen auszuarbeiten, und unser Interesse für unsern Nächsten sollte sich nur dadurch äußern, daß wir ihn von Herzen lieben und ihm bei jeder Gelegenheit helfen. Es ziemt sich nicht für den Schüler der Christian Science, deren Prinzip Liebe ist, verächtlich von andern zu reden, ihre Arbeit herabzusetzen, die Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was er für ihre Fehler hält, oder sie zu verdächtigen. Sind wir reiner in Gedanken oder christlicher im Betragen, als derjenige, über den wir aburteilen? Selbstsucht und Selbstgerechtigkeit sind der Beweggrund der Kritik, und diese Irrtümer nehmen ab, wenn wir die Wahrheit in Bezug auf das Dasein des Menschen erkennen. Jeder Schritt zur Gutheit macht uns in demselben Grade zum Bösen unfähig; folglich sind wir unsre eignen Richter. Wenn uns das Böse nicht immer weniger persönlich wird, so ist das ein Beweis von Stillstand. Wir werden barmherziger, liebevoller und nachsichtiger, wenn wir dem Herrn immer eifriger nachfolgen. Nur diese Annäherung an den Christusgeist befähigt uns, unsres Nächsten Arbeit zu beurteilen, wenn dies überhaupt notwendig ist.

Unsre Führerin rät ihren Schülern in all ihren Schriften, lieber zu schweigen als zu tadeln. Dies sollte die unumstößliche Regel sein, wenn die betreffende Person nicht anwesend ist. Paulus warnte die Kirche in Korinth vor „Afterreden, Ohrenblasen” usw. Selbst menschliche Gesetze verbieten, jemand hinterrücks anzugreifen. Wenn es nötig ist, einen andern persönlich zurechtzuweisen, so müssen wir es in liebevoller und wohlwollender Weise tun. Ehe wir uns jedoch das Recht anmaßen, einem Bruder etwas vorzuhalten, sollten wir völlig überzeugt sein, daß wir unter den selben Umständen besser gehandelt hätten. Wir wissen nicht, was der andre zu überwinden hat, noch wissen wir, was er vollbringt. Wir können nicht beurteilen, ob er nicht ebenso getreu wie wir auf eigne Weise seine Erlösung ausarbeitet, andern gutes tut und seinen Nächsten liebt. Wir müssen uns unsrer eignen Mängel und Schwächen bewußt werden und dann den Finger auf die Lippen legen, ehe wir es wagen, das Werk des andern herabzusetzen, denn Jesus erklärte: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein”. Unser eigner Sinn für das Gute wird wachsen, wenn wir eifrig nach dem Guten, anstatt nach dem Bösen in unserm Nächsten suchen. Wenn wir jedoch in unsern Herzen Böses gegen andre hegen, mit welcher Gesinnung legen wir dann unsre Gabe auf den Altar der Liebe?

Wir sollten nie vergessen, daß Unrecht leiden viel besser ist als Unrecht tun. Der Bruder, der unser Mißfallen erregt, wird sich von der verdoppelten Last unsrer lieblosen Gedanken frei arbeiten und wird durch diese Arbeit gewinnen. Der unrechte Denker und Täter kann nichts andres erwarten, als die durch seinen Irrtum herbeigeführten Folgen. Unsre bösen Gedanken werden sicherlich auf uns zurückfallen, und was für einen Schutz haben wir dann gegen dieselben, wenn wir Gottes Gebote nicht erfüllt und durch dieses Versäumnis den einzig möglichen Schutz vor dem Bösen verscherzt haben? Warum sollten wir dem andern die Arbeit, die ihm angewiesen wurde, um das Geringste erschweren wollen? Die Christian Science hat uns gelehrt, wie wir das Böse in jeglicher Gestalt verneinen sollen, wie wir lieben sollen und weshalb. So laßt uns denn Schulter an Schulter vorangehen, dem gemeinsamen Feind entgegen. Laßt uns die gleichen Interessen, das gleiche Ziel haben und von Herzen jene brüderliche Liebe ausüben, die für alle Zeitalter die goldene Lebensregel war.

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