Ein Mensch mag an die Heilkraft der Christian Science glauben, mag einen Vertreter dieses Glaubens dem Arzt vorziehen, mag die Gottesdienste regelmäßig besuchen und großen Gefallen an denselben finden, ohne deshalb ein Christian Scientist zu sein. Es hat jemand sehr treffend gesagt: „Als ich mich für die Christian Science zu interessieren begann, war mir nur daran gelegen, so viel Nutzen als möglich für meine Person aus ihr zu ziehen; jetzt trachte ich danach, so viel Irrtum als möglich loszuwerden. Es ist mir nun klar, daß ein Mensch, der geistig emporstrebt und sich zugleich an die Irrtümer der sterblichen Vernunft anklammert, wie ein Luftballon ist, der zuviel Ballast mit sich führt.”
Ein wahrer Christian Scientist ist stets bestrebt, den Irrtum in seinem eignen Denken zu vernichten und sich durch Selbstopferung täglich zu einem heiligeren, geistigeren Bewußtsein zu erheben. Sein Wunsch, seine Dankbarkeit für die durch die Christian Science erlangten Segnungen zu beweisen, findet am besten in dem fortwährenden Bestreben Ausdruck, dem Mitmenschen zu helfen und seiner nächsten Umgebung dienlich zu sein. Bei den Gottesdiensten sollte der Gedanke, so viel als möglich zu empfangen, in den Hintergrund treten und es sollte unser Hauptwunsch sein, unsern Nebenmenschen Gutes mitzuteilen.
Der wahre Erfolg unsrer Versammlungen beruht nicht allein auf gutem Lesen, guter Musik und gutem Reden. Durch harmonisches Denken der Gemeinde kann der wohltuende Einfluß dieser Mittel sehr erhöht werden. Nur wenige können als Leser oder Musiker mitwirken, und nicht alle fühlen sich befähigt, öffentlich zu reden; aber ein jeder kann sein Denken dermaßen mit Liebe erfüllt halten, daß viel unpersönliches Heilen stattfindet. Auf diese Art ist es jedem Mitglied der Gemeinde möglich, in wirksamer Weise an den Versammlungen teilzunehmen, denn die Christian Science Gottesdienste sind in dem Maße erfolgreich, wie sie helfend und heilend wirken.
Mrs. Eddy sagt in ihrem Werk „Messages to The Mother Church“ (S. 21): „Der rechte Denker und Arbeiter tut sein Möglichstes; er denkt für die kommenden Zeitalter. Es gibt keine Hand, die nicht seine Hilfe, kein Herz, das nicht seinen Trost verspürt.” In jeder Versammlung gibt es Leute, die des Trostes und der Hilfe bedürftig sind. Man kann sehr viel zum Erfolg unsrer Sache beitragen, wenn man das helfende, liebevolle Denken Pflegt, welches dazu beiträgt, der Menschheit ihre Bürde abzunehmen. Im Gegensatz hierzu zeigt sich oft die Neigung zur Tadelsucht, namentlich in Bezug auf die Handlungen derjenigen, welche die Leitung der kirchlichen Angelegenheiten in Händen haben. Wenn diese Neigung nicht unterdrückt wird, so wächst sie immer mehr. Man muß zu der Einsicht gelangen, daß Tadelsucht oft ein äußeres Anzeichen eines tiefer liegenden Übels ist, welches uns von unserm Mitmenschen trennen, die Einheit des Denkens und Handelns vernichten und denjenigen, welche unsrer Sache in der einen oder andern Weise dienen, unsre moralische Unterstützung entziehen möchte, um dadurch die Auflösung unsrer verschiedenen Organisationen herbeizuführen. Das Denken, welches mit Tadel erfüllt ist, vermag weder andern zu helfen noch das Gute zu empfangen, das die göttliche Liebe darbietet.
Wir können unsre Dankbarkeit gegen unsre Führerin und unsre Achtung vor ihr auf keine bessere Art beweisen, als dadurch, daß wir uns untereinander, daß wir die ganze Menschheit lieben. Wer in andern nach Unvollkommenheiten sucht, findet sie; wer in ihnen das Gute sucht und das Gute erwartet, findet das Gute. Wir sind nur in dem Maße Christian Scientisten, wie wir Liebe widerspiegeln; nicht die Liebe, welche für das Gegebene etwas Gleichwertiges erwartet, nicht die Liebe, welche sagt: „Ich will dich lieben, wenn du mich liebst”, sondern die Liebe, welche eine Widerspiegelung des Göttlichen ist — die Liebe, welche das Böse nicht zurechnet (1. Korinther 13:5), die Liebe, welche sich nicht zurückgesetzt oder beleidigt fühlt, welche keinen Groll hegt, welche nicht tadelt und verdammt, sondern welche, wie die Liebe des Vaters, „gütig” ist „über die Undankbaren und Boshaftigen.” Ein jeder untersuche sein Bewußtsein und „grabe jeden Samen aus, den der Irrtum gesät hat” („Science and Health“, S. 79). Jesus sagte: „Und so dich dein Auge ärgert, reiß es aus, und wirf’s von dir.”
Mrs. Eddy schreibt in „Miscellaneous Writings“ (S. 276): „In dunklen Stunden stehen kluge Christian Scientisten fester als je in der Treue gegen Gott.” Wir sollten jetzt fester zusammenstehen als je zuvor und nichts in unser Bewußtsein eindringen lassen, was uns von einander trennen könnte. Wenn wir Schulter an Schulter stehen, werden wir dem Übel eine undurchdringliche Kampflinie bieten. Nichts kann dem erneuernden, heiligenden, die Herzen erweichenden Einfluß der selbstlosen Liebe widerstehen. Wenn wir von dieser Liebe erfüllt sind, werden die Kranken geheilt, die Sünder bekehrt, die Traurigen getröstet werden und unser Kirchenbesuch wird stets wachsen.
Willst du glücklich sein im Leben,
Trage bei zu andrer Glück,
Denn die Freude, die wir geben,
Kehrt ins eigne Herz zurück.
 
    
