Jesus sagte einstmals zu seinen Zuhörern: „Sorget nicht für euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht für euern Leib, was ihr anziehen werdet”, und wies dann darauf hin, daß Gott den Menschen ebensowohl kleiden und speisen kann, wie Er die Lilien und die Vögel speist und kleidet. Ein solcher Begriff von der Macht Gottes ist weit entfernt von dem heute vorherrschenden Begriff, und selbst die Bibel erklärt, der über Adam ausgesprochene Fluch bestehe darin, daß er sein Brot im Schweiße seines Angesichts essen müsse. Die Lehren Jesu und sein Beispiel weisen jedoch darauf hin, daß in Wirklichkeit Gott und nicht des Menschen eigne Anstrengung die Bedürfnisse des täglichen Lebens befriedigt.
Wie läßt sich nun die ideale Anschauung, daß Gott fähig und willens ist, Seinen Kindern alles Nötige mitzuteilen, mit der Tatsache vereinbaren, daß die Erfordernisse des täglichen Lebens oft nicht befriedigt sind? Die Christliche Wissenschaft erfüllt die Aufgabe, den scheinbaren Widerspruch zwischen den Anforderungen des göttlichen Idealismus und dem Materialismus des Alltagslebens zu beseitigen. Sie lehrt uns vor allem, daß nicht die äußeren Zustände, sondern unser eignes Denken uns regiert. Äußere Dinge reflektieren mehr oder weniger bestimmt unsre Denkgewohnheit sowie die tiefgewurzelten Überzeugungen des sterblichen Gemüts, welche, wie es den Sterblichen erscheint, das Erbteil der ganzen Menschheit sind. Glauben wir an Überfluß, so sehen wir um uns her Überfluß, d.h. wenn unser Glaube an Überfluß die rechte Grundlage hat. Stützt sich der Glaube an Überfluß auf eine materielle Auffassung von den Dingen, dann schlägt er sehr leicht ins Gegenteil über, so daß Armut herrscht, wo vorher Reichtum zu sehen war. Sind wir hingegen tiefinnig überzeugt, daß Gott die eine unendliche schöpferische Macht, der unerschöpfliche Quell alles Guten ist, dann werden wir sicherlich in unsern äußeren Umständen Überfluß sehen. Das menschliche Empfinden des Mangels, wie es heutzutage allenthalben in der Klage über den hohen Preis der Nahrungsmittel und andrer Lebensbedürfnisse zum Ausdruck kommt, muß als ein Irrtum im Denken erkannt und als solcher berichtigt werden, ehe der Überfluß des Guten, auf den Jesus hinwies, offenbar werden kann.
Der Verfasser erinnert sich hier einer Erfahrung zur Zeit des großen Kohlenmangels vor einigen Jahren. Es hatte jemand so laut gerufen: „Der Wolf kommt”, hatte mit solcher Bestimmtheit einen allgemeinen Mangel an Lebensbedürfnissen prophezeit, daß die Furcht in das Bewußtsein des Verfassers eindrang und er dem Gedanken Raum gab, sein Lebensunterhalt würde ihm in der darauffolgenden Jahreszeit abgeschnitten werden, weil seine Geschäftsfreunde und Kunden wegen der scheinbar schlechten finanziellen Aussichten in einem Zustand der Bestürzung waren. Das Ergebnis dieser Furcht war, daß sich das Befürchtete sofort einstellte. Eine nahezu völlige Geschäftsstockung trat ein.
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