Nach der Leserwahl in einer Zweigkirche steht die Gemeinde vor einer Probezeit. Das erste Jahr nach Einsetzung der neuen Leser wird gewöhnlich als eine Zeit angesehen, in der ihre Fähigkeiten für dieses Amt auf die Probe gestellt werden. Genauer betrachtet ist jedoch dieses Jahr auch für die Gemeinde eine Probezeit. Beim Nachdenken hierüber kam der Verfasserin eine Erfahrung der Kinder Israel in den Sinn, aus welcher wohl der eine oder der andre eine nützliche Lehre ziehen kann. Diese Erfahrung begann zur Zeit, als Moses, von Gott geleitet, den Felsen mit dem Stabe schlug, so daß Wasser in Strömen zur Labung der durstigen Scharen Israels herausfloß. Wir können ihre Dankbarkeit und ihr verstärktes Vertrauen zu „so einem mächtigen Gott” wohl begreifen — zu einem Gott, der ihre Bedürfnisse in dieser höchsten Notlage, mitten in der Wüste, wo es kein Wasser gab, zu befriedigen vermochte. Nach einem derartigen Beweis empfanden sie jedenfalls, daß sie sich auf Seine Fürsorge in jeder Not verlassen konnten.
Sie wurden jedoch bald in einer ganz andern Weise auf die Probe gestellt. Es erfolgte ein Angriff von seiten der Amalekiter, eines Volksstamms, der sie wiederholt bekriegt hatte, in der beharrlichen Absicht, ihren Einzug in das Gelobte Land zu verhindern. Diesen Angreifern begegnen wir immer wieder, von der Zeit Mose an bis zur Herrschaft des Saul. Die Israeliten scheinen an den Amalekitern einen stets regen und streitlustigen Feind gehabt zu haben. Bei diesem besonderen Angriff war Josua der erwählte Führer der Heerscharen Israels. Er sollte die Amalekiter zurückschlagen. Der Schauplatz des Kampfes war ein Tal, und Moses stand, dem Bericht zufolge, in Begleitung Arons und Hurs auf der Spitze eines Hügels, von wo aus er das Gefecht beobachten konnte. Wenn nun Moses mit himmelwärts erhobenen Händen stand, hatten die Israeliten die Oberhand; sobald aber seine Arme müde und schwer wurden und herabhingen, schien sich der Kampf sofort zu wenden, und die Amalekiter siegten über die Israeliten. „Aron aber und Hur”, so lesen wir, „unterhielten ihm seine Hände, auf jeglicher Seiten einer. Also blieben seine Hände fest, bis die Sonne unterging.” So siegte Josua als Anführer der Heerschar Israels und schlug die Amalekiter in die Flucht.
Wie viel Ähnliches weist doch unsre Erfahrung auf! Wir haben von dem Wasser getrunken, der aus dem geistigen Felsen — Christus, der Wahrheit — fließt. Wir sind voller Freuden gewesen, weil wir in der Wüste verlorener Hoffnungen, der Zweifel und Befürchtungen Beweise von der beschützenden Macht der Wahrheit erhalten haben. Wir fühlen, daß Wahrheit der größten Aufgabe gewachsen ist, und wünschen sehnlichst, die Welt möge an unsrer inneren Freude teilnehmen. Noch haben wir aber nicht erkannt, daß unser Feind, nachdem er vertrieben worden, sich gar oft in einer listigeren Weise heranschleicht. Die Amalekiter sind immer noch im Lande, und aus der Geschichte ersehen wir, daß sie ein beharrlicher, streitsüchtiger und stets wiederkehrender Feind waren, der die Israeliten auf ihrem ganzen Wege von Ägypten nach Kanaan fortwährend zur Fehde zwang. An dem obengenannten Punkt unsrer Erfahrung in Kirchenangelegenheiten angelangt, sollten wir nicht verfehlen, über die Art des feindlichen Angriffs einen klaren Begriff zu erlangen.
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