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„Gebt, so wird euch gegeben”

Aus der Dezember 1912-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Trotz all der Freude, die die Weihnachtstage mit sich bringen, kommen die meisten aufmerksamen Menschen früher oder später zu der Einsicht, daß das in dieser Zeit übliche Geschenkegeben in der Regel nicht rechter Art ist. Nur zu oft gleichen die Gaben einer Blume ohne Duft, einem Sonnenuntergang, dem die herrlichen Farbentöne fehlen. Die Form ist gefällig, aber sie hat kein warm pulsierendes Herz. Der Grund liegt darin, daß selbstsüchtige Berechnung vielfach der Anlaß zum Geben ist. Dem Geben fehlt der selbsttätige Trieb. Es mag Wohlwollen zum Ausdruck bringen, ist aber nicht frei und natürlich. Wenn hingegen eine Gabe ein liebevolles und vielleicht aufopferndes Bemühen, dem Bedürfnis eines andern entgegenzukommen, zum Ausdruck bringt, so wird die gute Absicht erkannt und macht einen unauslöschlichen Eindruck. Geben wir aber nur, weil es der 25. Dezember ist und an diesem Tage Geschenke von uns erwartet werden, oder weil wir glauben, uns durch Geschenke einer Verpflichtung gegen andre entledigen zu müssen, so ist das Geben ohne Wärme und Leben. Unsre Feier trägt dann mehr einen heidnischen als einen christlichen Charakter.

Der Geist des wahren Christfestes ist der Geist der Liebe, und Liebe besteht ewig. Von dem Altar ihres reinen Herzens steigt der Weihrauch immerwährend empor. Wir können nicht umhin, die Zeit eines menschlichen Ereignisses anzugeben; aber die höhere Art der Weihnachtsfeier besteht darin, daß man des Erscheinens der göttlichen Wahrheit gedenkt, deren Strahlenglanz jeden Morgen und jeden Abend des Jahres erleuchtet. Anstatt sich den bestehenden Sitten und Bräuchen blindlings unterzuordnen, sollte es einem zur Gewohnheit werden, bei jeder Gelegenheit das Richtige zu reden und zu tun — andern Gutes mitzuteilen, wo es erforderlich ist.

Wenn wir zu Weihnachten ein Geschenk erhalten, so sagen wir wohl: „Das war recht schön von ihm”, möge uns auch der Geschmack des Gebers sehr sonderbar vorkommen. Gibt uns hingegen im Laufe einer mühe- und sorgenvollen Woche jemand einen Beweis seiner Anerkennung unsrer Bemühung, unsre schwere Last mutig zu tragen, dann sagen wir: „Wie lieb war das doch von ihm”, und durch die Tränen der Dankbarkeit hindurch erscheint uns der Himmel auf Tage hinaus viel klarer.

Der menschliche Sinn ist sehr geneigt, ideale Dinge da und dorthin zu verlegen. Er heftet sie an Personen, Orte und Jahreszeiten, während der geistige Sinn sie als schrankenlos erkennt und ihnen die Freiheit der Kinder Gottes gibt. Für den geistig Gesinnten sammelt der Sonntag alle übrigen Wochentage unter seine Flügel, und die Weihnachtsgaben werden zum täglichen Opfer auf dem Altar der Brüderschaft. Das ist es, was der Christliche Wissenschafter vor Augen hat und worauf er hinarbeitet. Sein Sinn ist in jeder Richtung erweitert worden und beginnt all sein Denken und Tun zu beherrschen. Güte ist nun ein Brunnen in ihm, der in das ewige Leben quillt. Er findet stets die richtige Zeit zum Geben sowie die richtige Gabe; er weiß, daß er allezeit einen hilfreichen Gedanken ausdrücken, eine helfende Hand darreichen kann. Den mancherlei Beziehungen zum Mitmenschen gibt er eine höhere Bedeutung, und alle seine Gedanken sind mit Perlen der Liebe geschmückt. Der einfache Händedruck eines Menschen ist oft eine ganze Predigt wert, wenn dieser die Bedeutung der Worte erfaßt hat: „Also hat Gott die Welt geliebet”.

Und das beste dabei ist, daß dieses wahre Geben den Quell der Liebe in dem Leben andrer öffnet. Wenn wir in Neuengland durch die Felder gehen, begegnen wir manchen herrlichen Blättern und Blüten; aber der Duft der Lorbeere und der Süßdolde erschließt sich uns erst nach warmem Händedruck. Ähnlich ergeht es uns unter Menschen. Auf unserm Weg durch die steinigen Felder der menschlichen Erfahrung können wir nicht nur für uns selber den Reichtum des Guten finden, sondern können ihn auch andern mitteilen, wenn wir uns nur der wahren Bedeutung des Christfestes, des Christus-Erscheinens bewußt werden, wenn wir anfangen, die Liebe Gottes in allen Dingen, zu allen Zeiten und gegen alle Menschen widerzuspiegeln. Unser Bekenntnis fordert dies von uns, und auch die Welt hat ein Recht es von uns zu fordern. Nur durch eine solche Haltung kann unser Leben den Mitmenschen zum Segen gereichen.

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