Es ist unvernünftig, über die radikale Haltung der Christian Science zu klagen. Die Christian Science muß eine solche Haltung annehmen, Menschengeschlecht kann nicht durch Vergleiche mit dem Übel von dem Übel erlöst werden. Das Übel enthält nichts, was wir zu fürchten brauchten, und wenn man es fürchtet, so sollte man sich um so weniger auf einen Vergleich mit demselben einlassen. Wenn ein Mensch mit einem Feind, der ihm Furcht einflößt, einen Kompromiß schließt, so gewinnt er dadurch nichts.
Unser einziger Feind ein Irrtum
Die Christian Science lehrt, daß der einzige Feind, den wir haben, eine falsche Vorstellung von den Dingen ist. Was als Feind bezeichnet wird, hat keinen Anspruch auf Wahrheit. Dies tritt überall in der Bibel klar hervor, besonders in den Psalmen und im Propheten Jesaja, wie auch im Neuen Testament. Die Christian Science stellt sich nun die Aufgabe, diese Tatsachen so darzulegen, daß die Menschheit sie verstehen kann, ja nicht umhin kann sie zu verstehen. Der wunderbare erzieherische Wert der Christian Science besteht darin, daß sie den Menschen nicht nur von der Wahrheit überzeugt, sondern die Wahrheit auch in einem so hellen Lichte darstellt, daß sie nie wieder in Dunkel gehüllt werden oder verloren gehen kann.
Zweifellos sind im Lichte reiner Vernunft Krankheit und Sünde keine natürlichen Erfahrungen. Sie gehören nicht zu einer Schöpfung, die ewig und in ihrer Eigenschaft als Gottesschöpfung naturgemäß gesegnet und durchaus befriedigend sein muß. Die Erkenntnis dieser Tatsache bringt Besserung der Gesundheit mit sich; auch ist das zu dieser Besserung führende Verfahren in jeder Beziehung christlich. Es besteht weder in der Ausübung menschlicher Willenskraft, noch in dem Bestreben seitens eines Sterblichen, einen andern Sterblichen auf mentalem Wege zu beeinflussen. Eine solche Ausübung ist höchst bedenklich, denn ein Sterblicher kann aus Mangel an moralischem Gleichgewicht und gesundem Urteil Böses herbeiwünschen und es dabei noch für gut halten; auch kann er danach trachten, durch mentale Behandlung Unheil anzurichten. Jede sogenannte Behandlung durch Suggestion oder jede Ausübung des menschlichen Willens ist durchaus verwerflich. Die Christian Science offenbart das wahre Wesen Gottes als Geist (Mind) und erklärt, daß es nur einen unendlichen Gott und darum nur einen unendlichen Geist gibt. Wahre mentale Beeinflussung muß daher stets geheiligt und segensreich sein. In dem Maße, wie man den einen Geist (Mind) erkennt, sieht man, daß es außer der von dem einen Geist (Mind), Gott, ausgehenden Beeinflussung keine andre wahre Beeinflussung geben kann. Gott ist die einzige Ursache, und die einzige Wirkung muß der einzigen Ursache entsprechen. Wir können die Wahrheit behaupten, aber die Wirkung können wir uns nicht vorstellen oder mental veranschaulichen. Wer dies versucht, maßt sich das Vorrecht Gottes an.
Die Ausübung der Christian Science ist ihrem Wesen nach wahrhaft und lauter. Wir werden dies besser erkennen, wenn wir bedenken, daß wir Gott durch Gedanken verstehen, die Sein Wesen offenbaren. In der ganzen Bibel ist kein erhabenerer Ausspruch zu finden, als der des Johannes: „Gott ist Liebe.” Das Wundervolle dieser Erklärung haben die Menschen anerkannt; ehe aber die Christian Science ihre Bedeutung ans Licht brachte, erkannten nur wenige, daß sie praktisch anwendbar ist. Und doch muß sie es sein, denn sie ist eine Idee, eine unendliche Idee, eine ewige Idee. Obwohl Johannes diese Idee erkannte, und obwohl er geistig gesinnt gewesen sein muß, um sie zu erkennen, so können wir sie ihm doch nicht zuschreiben. Sie entstand nicht in Johannes, sondern in Gott; sie hat die Macht und Gegenwart Gottes. In dem Maße, wie sich das Verständnis dieser Tatsache erschließt, kommt, menschlich gesprochen, Gottes Macht und Gegenwart zum Ausdruck. Man beachte das Wesen dieser göttlichen und unendlichen Idee. Sie hat keinen Anfang, ihre Dauer kann nicht unterbrochen werden, und sie ist weder der Sünde, dem Leiden, der Furcht noch dem Tod unterworfen. Sie ist eins mit Gott. Man beachte ferner, daß eine derartige Idee in unserm Denken leicht Aufnahme finden kann. In der Offenbarung lesen wir: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. So jemand meine Stimme hören wird, und die Tür auftun, zu dem werde ich eingehen, und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.”
Hier sehen wir wiederum das wahre Wesen unsres göttlichen Erbteils. Angenommen wir würden nur solche Ideen in unser Denken aufnehmen, die Gott offenbaren angenommen unser ganzer sogenannter Geist (mind) würde sich ausschließlich dem Verstehen des göttlichen Wesens hingeben; angenommen die göttlichen Gedanken, die Gott offenbaren und in Gott ihren Ursprung haben müssen, bildeten unser ganzes Bewußtsein: wäre in dem Augenblick nicht Unsterblichkeit erreicht, und ist dies nicht, was Paulus meint, wenn er sagt, daß wir die Sterblichkeit ablegen und Unsterblichkeit anziehen müssen? Können wir denn Unsterblichkeit auf irgendeine andre Weise anziehen?
Die Macht der Wahrheit
Man wird vielleicht die Macht solcher Ideen bezweifeln und verwundert fragen, welche Wirkung sie aus den Körper haben können. Dieser Zweifel erklärt sich aus der Annahme, daß der Körper etwas sei, was von geistiger Wahrheit unberührt bleibe. Was wir unsre Erziehung nennen, hat dazu beigetragen, die unzutreffende Theorie zu befestigen, daß materielle Mittel allein den sogenannten materiellen Körper heilen können. Aber selbst die materielle Wissenschaft hat angefangen diese Illusion zu vernichten. Sie zeigt, daß die Materie nicht wahre Substanz ist. Sie erklärt heute, daß die Materie keine natürliche, ewige Existenz hat. Die materiellen Theorien sind einem steten Wechsel unterworfen und gestalten sich in gewissem Sinne weniger materiell. Es gab eine Zeit, da das Atom als der Kern der vermeintlich endgültigen Theorie über das Wesen der Materie angesehen wurde. Man glaubte, alle sogenannten materiellen Substanzen beständen aus unendlich kleinen primären Teilchen Materie, Atome genannt, die unzerstörbar seien. Obgleich die Atome so klein sein sollen, daß man sie nicht wägen, sehen, riechen oder irgendwie mittels der materiellen Sinne wahrnehmen kann, so ist doch durch den Fortschritt der heutigen Physik eine subtilere Theorie als die Atom-Theorie nötig geworden, und es wird uns somit eine weitere, und wie es heißt, viel vernünftigere Erklärung geboten, nämlich die Theorie der elektrischen Jonen. Nach Ansicht der Naturforscher ist das elektrische Jon kein Ding, sondern wird von manchen als ein Wirbel im Äther beschrieben. Nun ist aber der Äther eine noch schwerer denkbare Theorie hinsichtlich der Substanz. Dem Äther wird im Vergleich zu früher eine weit größere Bedeutung beigemessen. Allen Gesetzen zufolge, nach denen die Materie wahrgenommen werden kann, existiert der Äther nicht als sogenannte materielle Substanz, denn er ist nie gewogen, nie wahrgenommen worden; er existiert bloß als eine Theorie. Nun ist aber eine Theorie ein Ding des Gedankens; daher läßt sich die neueste Erklärung für das endgültige Wesen der Materie in dem Satz zusammenfassen, daß das elektrische Jon, welches die Basis der Materie bilden soll, ein Wirbel in einer Theorie ist. Es handelt sich also um völlig mentale Dinge, und die sogenannte Materie wird in einen mentalen Zustand aufgelöst.
Mrs. Eddys Entdeckung
Vor einer Reihe von Jahren gelangte Mrs. Eddy, die Entdeckerin und Begründerin der Christian Science, von einem rein geistigen Standpunkte ausgehend, zu demselben Schluß. Sie erkannte das Wesen Gottes. Es wurde ihr offenbar, daß Gott Geist ist, wie ja Jesus verkündete; daß das Ewige Geist sein muß und nur Geist sein kann, weil sonst die Ewigkeit ein Ding der Unmöglichkeit wäre. Sie gelangte zu der Einsicht, daß die Schöpfung geistig sein muß, da der Schöpfer Geist ist. Sie sah, daß die Schöpfung dem Schöpfer gleicht, demnach ewig ist, und daß der Zustand, den wir Materie nennen, wegen seiner Verbindung mit dem Übel jeder Art, mit Sünde, Krankheit und Tod, ein falscher mentaler Zustand ist, eine mentale Nachbildung der wahren Schöpfung. Sie bezeichnete daher die materielle Welt und den materiellen Körper als sterblichen Geist (mortal mind). „Science and Health“ lehrt, daß der materielle Körper das Substrat dieser falschen Mentalität ist.
Wenn die Menschen die Materie für eine natürliche, unzerstörbare Wesenheit halten, dann werden sie natürlich auch nicht begreifen können, daß die Materie von Christus oder geistiger Wahrheit beeinflußt werden kann. Mit der Erkenntnis, daß, was wir materielle Körper und materielle Dinge nennen, nur Zustände einer falschen Mentalität darstellen, und daß diese Tatsache selbst durch den Fortschritt der materiellen Wissenschaft bestätigt wird — mit dieser Erkenntnis kommt auch die Einsicht, daß solche Bedingungen auf mentalem Wege sehr wohl beeinflußt und berichtigt werden können.
Was an den menschlichen Wesen als Krankheit bezeichnet wird, ist nur das Ergebnis einer unbestrittenen Annahme materieller Anschauungen. Die Krankheit sowie diese Anschauungen sind menschlich-mental. Die Anschauungen der Sterblichen hinsichtlich dessen, was Materie genannt wird, und die Verbindung materieller Zustände mit dem Gedanken der Gesundheit oder Krankheit bringen die sogenannten Gesundheits-oder Krankheitsgesetze hervor. Durch das Verständnis Gottes, durch Christus, die Wahrheit, werden Furchtvorstellungen verscheucht und falsche Gesetze allmählich aufgehoben. Dieses Verständnis beginnt als Gedankentätigkeit eines menschlichen Wesens — als die im menschlichen Bewußtsein erscheinende Christus-Idee-— und weist durch die Demonstration des göttlichen Gesetzes die Furcht, sowie die sogenannten Krankheitsgesetze zurück. Durch die Christian Science wird die Tatsache offenbar, daß Gott Krankheit nicht geschaffen noch bestimmt hat, und daß sie ihrem Wesen nach nicht wissenschaftlich ist und keine natürliche Existenz in der Wahrheit hat. Nun kann man diese Tatsachen zwar erkennen, ohne jedoch den vollen Beweis für dieselben erbringen zu können. Das Mittel, durch welches wir volle Erlösung bewirken werden, ist ans Licht gebracht worden; die menschlichen Annahmen scheinen jedoch dem göttlichen Verständnis nur langsam zu weichen. Das Fleisch streitet immer noch wider den Geist oder Wider das Verständnis. Doch kann der Kampf nur einen Ausgang haben: Der Geist bleibt Sieger.
Das Erkennen der Wahrheit
Das Erkennen der Wahrheit ist „der Weg”. Alles Wissen muß einen Anfang haben; dennoch gibt es bei Gott, der ewig ist, keinen Anfang. Eine Stelle im Johannesevangelium weist auf den wahren, für die Sterblichen bestimmten Weg: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.” Die Wunderbarkeit und Herrlichkeit der rechten Idee vom Sein wirkt zunächst so erhebend, daß man sich fast verleiten läßt, ihre praktische Bedeutung aus den Augen zu verlieren. Die neue Geburt besteht nun im Sichbewußtwerden der praktischen Natur der göttlichen Idee, und diese Geburt kennt weder Verfall noch Tod, sondern nur ewige Reife.
Die Wahrheit hat stets bestanden. Sie wurde im Leben Christi Jesu vollständig demonstriert. Das demonstrierbare Verständnis der Wahrheit aber, das er forderte und mit den Worten ankündigte: „Und werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen”, war eine Entdeckung. Diese Entdeckung machte Mrs. Eddy in Jahre 1866. Durch dieselbe wurde sie sowie ihre ersten Anhänger befähigt Krankheiten zu heilen, die vormals als unheilbar gegolten hatten. Während der nun folgenden vierzig Jahre, über die sich die Ausübung der Christian Science erstreckt, ist man in tausenden und aber tausenden von Fällen zu ähnlichen Resultaten gelangt.
Mrs. Eddy entdeckte die Christian Science aus dem einfachen Grunde, weil sie dazu befähigt war. Um eine Wissenschaft entdecken zu können, die keine Lehre — vom geistigen Sinn der Heiligen Schrift abgesehen — jemals angedeutet hat, war die höchste Stufe der Erkenntnis und geistigen Fassungskraft erforderlich. Daß sie nicht von einem andern Menschen oder auf dem Wege gewöhnlicher theologischer Unterweisung entdeckt wurde, braucht nicht zu verwundern, denn ein Rückblick auf die Geschichte lehrt, daß nur wenige große Ereignisse sich ganz so abgespielt haben, wie man erwartet hatte; daß nur selten Entdeckungen gerade von den Menschen gemacht worden sind, die dazu befähigt schienen. Selbst das Erscheinen Jesu von Nazareth entsprach nicht den Erwartungen seiner Landsleute, und er fand daher bei ihnen nicht allgemeine Aufnahme. Daß Männer und Frauen, die Großes geleistet haben, mehr oder weniger mißverstanden und nicht selten geschmäht und verspottet worden sind, ist nicht verwunderlich im Hinblick auf die Laufbahn Jesu, der nur Gutes auf Erden vollbrachte, dessen Erdenleben aber Jesaja nichtsdestoweniger mit den folgenden Worten prophetisch beschreibt: „Er war der Allerverachtetste und Unwertste”.
Indem Mrs. Eddy die Menschheit die praktische Anwendung des Evangeliums Jesu lehrte, erfüllte sie die höchste Mission, die Mission eines wahren Christen. Das reine Christentum war das Ideal, daß sie von Anfang bis zu Ende ihrer Laufbahn im Auge behielt. Sie war eine selbstlose, fromme, edle, wunderbar veranlagte und geistig gesinnte Frau. Sie entdeckte nicht nur die Christian Science, sondern gab der Welt ihr Buch „Science and Health with Key to the Scriptures“, wodurch die Menschheit die geistige Bedeutung der Heiligen Schrift erkennen lernen und die Kenntnis und Macht des christlichen Heilens erlangen kann.
Wachsende Stärke
Dies ist der Grund, weshalb die Christian Science heutigestags fester steht denn je, obgleich die große Führerin nicht mehr persönlich an der Spitze dieser Bewegung steht. In der Tat wußte sie und sagte voraus, daß diese Bewegung keiner persönlichen Führerschaft bedürfen werde, denn das in den Herzen aller Christian Scientisten erkannte und demonstrierte göttliche Prinzip bilde den wahren, unveränderlichen und unsterblichen Führer. Dieses Prinzip wird den Menschen durch die Lehren der Christian Science offenbart und für sie anwendbar gemacht.
Bei unsern ersten Schritten müssen wir uns der Verfahrungsweise der Christian Science bedienen und werden wohl noch auf unabsehbare Zeit in diesem Sinne fortfahren müssen. Schließlich wird das rechte Denken so spontan sein, daß die Heilungen augenblicklich erfolgen werden. Indessen können wir das wahre Wesen Gottes affirmieren. Wir können erklären, daß Er niemals Krankheit geschaffen hat, daß Krankheit infolgedessen keinen Schöpfer, keine Ursache und keine auf einem Gesetz beruhende, fortdauernde Existenz hat. Wir können affirmieren, daß derselbe Christus, der stets von Sünde und Krankheit erlöst hat, auch jetzt von Sünde und Krankheit erlöst, und daß uns dieser Christus heutigestags ebenso zugänglich ist, wie er es für Jesus und seine Jünger vor Jahrhunderten war. Dieses Verfahren ist nicht gotteslästerlich, sondern rein religiös. Wir lernen uns auf Gott zu verlassen. Wir fangen an, die göttliche Macht zu erkennen und vom göttlichen Geist (Mind) oder von der unendlichen Gegenwart, die wir Gott nennen, regiert zu werden. Auf diese Weise erschließt sich uns allmählich das wahre Wesen Gottes; wir bringen den Christus klarer zum Ausdruck und erwachen immer mehr zum Bilde Gottes. Die Verheißungen der Bibel weisen auf dieses Erwachen. Es wurde allgemein angenommen, daß sie sich auf eine zukünftige Zeit und einen zukünftigen Ort bezögen; wenn uns aber die Bibel durch das Licht, welches das Lehrbuch der Christian Science auf sie wirft, verständlich wird, erkennen wir, daß alle biblischen Verheißungen jetzt erfüllt werden können.
Ein sehr metaphysisch veranlagter Verfasser des neuen Testaments erklärt: „Sehet, jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils.” Alles, was Gott möglich ist, ist für Sein Ebenbild und Gleichnis eine gegenwärtige Möglichkeit. Wenn das Denken zu diesem Ebenbild und Gleichnis erwacht, wenn der Mensch als der Sohn Gottes, das Ebenbild des Geistes (Mind), das Ebenbild der göttlichen Liebe erkannt wird, wenn keine andern Gedanken oder Ideen als die von Gott offenbarten im Bewußtsein Zutritt erhalten, und wenn nur solchen Gedanken erlaubt wird die Handlungsweise zu bestimmen, dann ist der Weg vorbereitet für die augenblickliche Erfüllung irgendwelcher Verheißung der Heiligen Schrift.
Jesaja sagt: „Die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen.” In Bezug auf den Wechsel des Bewußtseins von Sünde zur Heiligkeit, von Unwissenheit zum Verständnis, lautet eine weitere Verheißung Jesajas: „Alsdann werden der Blinden Augen aufgetan werden, und der Tauben Ohren werden geöffnet werden; alsdann werden die Lahmen löcken wie ein Hirsch, und der Stummen Zunge wird Lob sagen.”
Die Erfüllung dieser Verheißungen zu verschieben, wäre unwissenschaftlich und für die Religion bedenklich. Wenn wir sie jetzt aus Furcht und wegen unsrer falschen Annahmen verschieben, so haben wir gar keinen Beleg dafür, daß die Erfahrung, die wir Tod nennen, dazu beitragen würde, die Erfüllung dieser Verheißungen uns näher zu rücken oder für uns greifbarer zu gestalten. Alle Anschauungen, die die Befreiung vom Übel aufzuschieben suchen, sind irrig. Etwas Wahres ist stets wahr, und dessen Wahrheit wird durch eine unheilvolle Erfahrung nicht erhöht.
Wir sehen, daß der göttliche Christus reine Erleuchtung bedeutet. Diese Erleuchtung ist nicht an einen Ort gebunden oder auf eine Zeit beschränkt. Sie ist die Erfüllung all der herrlichen Verheißungen der Bibel. Wollte man eine neue Definition für die Christian Science bieten, so könnte man sie einen steten Erweckungsprozeß nennen. Sie ruft einem jeden zu: „Wache auf, der du schläfest, und stehe auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.” Dieses Erwachen und Aufstehen aus Zuständen der Furcht, aus falschen Annahmen, aus Unwissenheit, aus Zuständen, die dem Leben, Gott, nicht im mindesten entsprechen, bildet die Mission des Christentums.
Ich verlange nicht von Ihnen, daß Sie blindlings glauben, sondern ersuche Sie, diese Dinge zu überlegen. Wenn Sie hier etwas gehört haben, was Ihnen zusagt, wenn Sie die wahre Logik dieser Ausführungen erkennen und das Vernünftige und Wünschenswerte der Lehre, die Ihnen in kurzen Zügen dargelegt worden ist, erfassen, brauchen Sie diese Lehre deshalb noch nicht zu glauben; Sie brauchen sie nur einmal praktisch anzuwenden. Ein jeder kann sich selbst überzeugen, ob die Lehre der Christian Science aus Wahrheit beruht. Mehr wird von keinem verlangt.
Aus der Bibel ist deutlich ersichtlich, daß der Weg der Freiheit, den uns Jesus verhieß und den er durch sein Leben veranschaulichte, ein mentaler Weg ist. In den Psalmen lesen wir: „Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege.” Hier finden wir den Gedanken ausgedrückt, der in Mrs. Eddys folgenden Worten liegt: „Einheit des Prinzips und der geistigen Kraft” („Science and Health“, S. 470). Die Worte „zu meinem Herrn” bedeuten offenbar den Christus, der Wahrheit ist und die Wahrheit über Gott und das Weltall sein muß. Diese Wahrheit war die Mentalität Jesu oder was Paulus als die Gesinnung bezeichnete, die Christus Jesus besaß. Diese reine Mentalität oder dieses geistige Erkennungsvermögen ist es, das Macht und Herrschaft zum Ausdruck bringt und tatsächlich zur Rechten Gottes sitzt. Dieses göttliche Verständnis oder dieser Christus (in jedem Einzelnen) ist es, der das Übel auf das Nichts zurückführt, nach der Verheißung: „Bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege”.
Die Arbeit wird innerhalb des eignen Bewußtseins vollbracht. Hier ist der Ort, wo „der Herr [die rechte Idee vom Seins] wird König sein immer und ewig.” An diesem Ort wird der Sieg über alle Feindschaft und somit über alle Feinde errungen. Hier findet die Erleuchtung statt, hier ist der Ort der Erlösung. Jesus sagte: „Das Reich Gottes ist inwendig in euch”; und in der Offenbarung lesen wir: „Und ihre [der Stadt] Tore werden nicht verschlossen des Tages; denn da wird keine Nacht sein.”
Dieser Zustand reiner Empfänglichkeit wird durch Christus, die Wahrheit, wachgerufen, wobei eine durch die Christian Science geoffenbarte und praktisch angewandte Idee als Mittel dient. Wenn sie erscheint, sollten wir uns ihrer weittragenden erlösenden und heilenden Möglichkeiten klar bewußt werden. Die rechte Idee von allem ist die Wahrheit über alles. Sie ist das, was Jesaja als „Wunderbar, Rat, ... Friedefürst” bezeichnet. Sie verleiht Macht über das Übel. Daher singt der Psalmist: „Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, daß der König der Ehren einziehe! Wer ist derselbige König der Ehren? Es ist der Herr, stark und mächtig, der Herr, mächtig im Streit.”
Kann ich nicht Dombaumeister sein,
Behau’ ich als Steinmetz einen Stein.
Fehlt mir dazu Geschick und Verstand,
Trag ich Mörtel herzu und Sand.
Copyright 1912, by The Christian Science Publishing Society
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