Die Bibel erzählt uns, daß vor Gott ein Tag wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag sind, oder um in Worten der Jetztzeit zu reden, daß unser endlicher Zeitbegriff Gott unbekannt ist. Wenn Mrs. Eddy in „Unity of Good“ schreibt: „Jesus bedurfte weder der Zeitnoch der Gedankenperioden, um Aufnahmefähigkeit für die Vollkommenheit und ihre Möglichkeiten zur Reife zu bringen”, so weist sie auf die Tatsache hin, daß auch Christus Jesus von diesem Begrenzungsbegriff frei war. Jesus heilte augenblicklich. Er erkannte, daß der wirkliche Mensch unbegrenzt von Zeitan- nahmen ist; und doch ist des Menschen Leben auf Schritt und Tritt an diese Annahme, wie an die des begrenzten Raumes gebunden. Nach dem Gesetz der sterblichen Annahme haben alle Dinge Anfang und Ende; daher sind sie von Zeit, von Raum oder von beiden begrenzt.
Die sterbliche Annahme gründet ihr mutmaßliches Universum auf einen falschen Gottesbegriff — auf einen Begriff, der zur Vollendung der Gottesschöpfung Raum und Zeit bedingt. Aus dieser von Zeit und Raum begrenzten Ursache leitet der Irrtum sein materielles Universum ab, das nun der Begrenzung von Zeit und Raum unterworfen ist. Nicht einmal das sterbliche Bewußtsein erhebt den Anspruch, daß das Geschöpf dem Schöpfer überlegen ist, und daß ein begrenzter Gott ein unbegrenztes Universum schaffen kann. Vor diesen Begrenzungen muß sich der Christian Scientist in seiner Arbeit hüten. Die gewöhnlichste Form der Begrenzung, durch die der Irrtum die Heilversuche des Christian Scientisten zu hemmen sucht, ist der Gedanke, daß Zeit nötig sei; daß die Heilung einen Tag, eine Woche, einen Monat, ja Jahre dauern könne; daß eine chronische Krankheit, die jahrelang im Körper gesteckt hat, nur langsam weiche, wenn sie überhaupt zu überwinden sei. Die sterbliche Annahme nimmt nur materielle Begriffe wahr; ihre mutmaßlichen Zeit- und Raumgesetze beeinflussen die geistige Tatsache in keiner Weise. Die Allmacht und Allgegenwart Gottes ist eine geistige Tatsache, die die Berechtigung irgendeines ihr entgegengesetzten Anspruches, Gesetzes, irgendeiner ihr entgegengesetzten Annahme oder Behauptung abweist. Die Unsterblichkeit Gottes, des Lebens, ist eine geistige Tatsache, die die Eristenz von irgend etwas, was auch nur den Versuch machen könnte oder wollte, das Wirken des Guten aufzuhalten, verneint. Die Vergegenwärtigung der Allgegenwart und Unsterblichkeit Gottes, des Guten, ist eine wirksame Schranke gegen die Annahme, daß Zeit und Raum die Wirksamkeit des Menschen hindern können.
Gesundheit ist eine geistige Tatsache, sie ist immer eine Begleiterscheinung Gottes. Gesundheit hängt nicht von der Zeit ab, sie währt immer. Sie hängt nicht vom Raum ab, sie lebt in dem unbegrenzten und unbegrenzbaren Reich des Geistes. Sie ist so unendlich, unbegrenzt und unbegrenzbar wie das unendliche Prinzip alles Seins. Gottes Gesetz der Gesundheit bringt sich selbst zur Geltung, und zwar augenblicklich und ewig. Es gibt weder eine Annahme eines chronischen Leidens noch einer ernsten Krankheit, die schwer zu überwinden ist, noch gibt es eine unverzeihliche Sünde, die auch nur einen Augenblick oder in irgendeiner Weise das fortgesetzte, dauernde und augenblickliche Wirken dieses Gesundheit- gesetzes aufhalten oder stören könnte.
Der Prüfstein für die Christian Science ist das Heilen der Menschheit. Das christliche Heilen ist die Durchführung des Gesetzes Gottes auf Erden. Die Christian Science hat keinen wirklichen Feind, keinen wirklichen Gegner. Es mag manchmal so aussehen, als ob das Böse Opposition gegen sie mache. Ebenso wie zu Jesu Zeiten konzentrieren sich heute immer noch die mutmaßlichen Kräfte des Bösen gegen das Heilen von Krankheit und Sünde. Aber in seinem Versuch, der Christian Science Widerstand zu leisten, hat der Irrtum Schritt für Schritt seine Stellung aufgeben müssen. Zuerst heißt es, daß die Christian Science nicht heilen könne, dann, daß sie nur Nervenkrankheiten, schließlich, daß sie nur Nervenkrankheiten und Funktionsstörungen zu heilen vermöge. In die Enge getrieben sagt der Irrtum, die Christian Science sei wohl imstande einige organische Beschwerden zu heilen, aber niemals chronische Krankheiten. Wenn er schließlich zugeben muß, daß organische und chronische Krankheiten geheilt werden können, dann macht er den Einwand, daß sich der Heilprozeß aber langsam vollziehen müsse. Diese falschen materiellen Begriffe, die weder Substanz, Wirklichkeit noch Kraft besitzen, verschwinden sofort vor dem Verständnis der wahren geistigen Begriffe, deren angestrebte Umkehrungen sie sind.
Die Heilungen in der Christian Science sollten augenblicklich sein; und sie werden augenblicklich sein (ganz einerlei, wie ernst die Krankheit, wie „chronisch” sie sei, ganz einerlei, welcher Art die mutmaßlichen materiellen Gesetze hinsichtlich der Hartnäckigkeit der Krankheit seien), sobald du dir die ewige Dauer der Wahrheit vergegenwärtigst. Wenn Christus, die Wahrheit, die Annahme zerstört, welche das Wirken des Gesundheitsgesetzes auf eine gewisse Zeit, auf einen gewissen Raum oder auf eine gewisse Art und Weise beschränken möchten, dann wird die sterbliche Behauptung hinsichtlich der Wirklichkeit der chronischen Krankheit verschwinden, und der wahre Begriff vom Menschen wird unmittelbar erscheinen — vom Menschen, der vollkommen und rechtschaffen ist, der von Gottes Gesetz regiert wird und die Vollkommenheit des vollkommenen Geistes (Mind) wiederspiegelt. Dieser Vorgang zerstört nichts Wirkliches; er reißt nichts Wahres herunter; er ist keine Neuschöpfung, keine Umschöpfung weder Gottes noch Seines Gesetzes noch des Menschen noch des Universums. Es ist die einfache, natürliche, Gesundheit erzeugende Abschaffung falscher Begriffe durch wahre, materieller Annahme durch geistiges Wissen, sterblicher Täuschungen und Mythen durch ewige Tatsachen.
Wenn chronische oder schwere Fälle in Wirklichkeit existierten, dann könnte es vielleicht einige Zeit dauern, ehe sie geheilt werden. Da es die Christian Science jedoch nur mit mentalen Ursachen und mentalen Wirkungen zu tun hat, so ist es nicht nötig auf die Aussagen des Irrtums zu hören, daß Zeit dazu gehöre, gewisse materielle Zustände zu ändern. Die Wahrheit in Bezug auf den Gottesmenschen, die geistige Tatsache, lautet dahin, daß er allezeit vollkommen ist. Diese Wahrheit ist immer wahr; es bedarf keiner Zeit, sie wahr zu machen. Keine Aussage der Zeit kann störend auf diese Tatsache einwirken; keine Raumannahme kann die Wahrheit dieser Tatsache nach irgendeiner Richtung hin begrenzen. Um dem menschlichen Bewußtsein wenigstens bis zu einem gewissen Grade die Tatsache klar machen zu können, daß der wahre Mensch nicht umgeändert zu werden braucht, ehe er gesund werden kann, müssen wir unser Augenmerk auf die Annahme richten, die die Tatsache zu umwölken scheint, daß es einen Menschen gebe, der nicht geistig, nicht vollkommen, nicht gesund, nicht rechtschaffen, nicht aufrichtig ist. Diese Annahme samt allen ihren verschiedenartigen Verzweigungen und Erscheinungen ist falsch. In dem Augenblick, in dem man die Falschheit dieser Annahme gewahr wird und zugleich die Wahrheit erkennt, ist das Heilungswerk getan. Dies ist ein mentaler und geistiger Vorgang — die Behauptung der Wahrheit im Bewußtsein. Es ist ein Vorgang, der in keiner Weise an Zeit oder Raum gebunden ist.
Die Furcht, welche Krankheit oder Sünde herbeiführt, besteht zum größten Teil aus den begrenzten Annahmen von Zeit und Raum. Der Irrtum behauptet, daß das Leben des Menschen von der Zeit und sein Wirken von Zeit und Raum abhängig ist; daß alles, was mit dem Zeitbegriff zu tun hat, Anfang und Ende haben muß; daß der Mensch, wegen des Raumbegriffs in seinem Leben, begrenzt ist — ein endliches Wesen, ein Spielball des Zufalls, umhergeworfen von zahllosen Kräften, die über sein Vermögen, ja, sogar über sein Verständnis hinausgehen. Jahrtausendelang hat die Welt diese Argumente als einen Teil der Wahrheit über den Menschen und das Weltall hingenommen, und diese Hypothese hat die Welt au ihre Begrenzungen gebunden. Jesus bewies, daß diese Begrenzungen falsch sind, als er ohne Samen Brot werden ließ, ohne den Vorgang des Reifens und die Ernte abzuwarten, ohne Mehl und Teig anzuwenden. Die materielle Annahme sagt, daß niemand Brot zustande bringen kann, wenn er nicht wenigstens ein halbes Jahr für all diese Dinge Zeit hat. Er hob auch die sogenannten Raumgesetze auf, indem er Menschen in der Ferne heilte, und indem er sich augenblicklich von einem Ort zum andern begeben konnte, sogar durch Wände und verschlossene Türen.
Fünfzehn jahrhundertelang war die Macht, die Jesus ausübte, für das Menschengeschlecht verloren gegangen, trotzdem er seine Nachfolger gelehrt hatte zu tun, wie er getan hatte, bis Mrs. Eddy diese Fähigkeit erkannte, demonstrierte und unter dem Namen Christian Science in ihrem Lehrbuch „Science and Health“ der Welt gab. Diese Fähigkeit besteht in der Nutzbarmachung des göttlichen Gesetzes. Gott ist Leben, und Sein Gesetz ist die Quelle des Lebens, des Guten, der Gesundheit, des Glücks, des Wohlstandes, des Erfolges und der Freude. Gesetz ist Geist (Mind) in Tätigkeit; es versorgt und erhält alles Ihm Ähnliche — alles Wirkliche, Harmonische, unwandelbar Vollkommene; es löscht die Raumannahme aus, verwischt den Zeitbegriff und richtet die unveränderliche, ewige Tatsache auf, daß der Mensch als die unendliche Idee des unendlichen Geistes (Mind) nach jeder Richtung ewiglich unbegrenzt ist.
Gottes Gesetz war und ist dauernd wirksam und wird es immer sein. Das Verständnis dieses Gesetzes und seines Wirkens hebt die Sterblichen über sich selbst und ihre begrenzten und begrenzenden Annahmen hinaus. Für das individuelle Bewußtsein ist dieses Verständnis das Erscheinen Christi, der Wahrheit, der derselbe ist „gestern und heute und ... auch in Ewigkeit.” In „Science and Health“ ist Wort für Wort, Zeile für Zeile klargelegt, wie man dieses Verständnis erlangen kann. Die Erlangung dieser geistigen Erkenntnis des wahren Gottes und des wirklichen Universums, einschließlich des Menschen, durchsäuert das Denken der ganzen Welt, sie erneuernd, wiederbelebend und neugestaltend.
Johannes erkannte die Gegenwart des heilenden Christus, der unbeschränkt von Zeit oder Raum ist, als er schrieb: „Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unsres Gottes worden, und die Macht seines Christus.” Jesus wies die Begrenzung der Annahme von Zeit ab, als er sagte, daß die Zeit der Ernte jetzt sei — nicht heute in einem Vierteljahr. Daher hat der Christian Scientist das Recht und die Pflicht, die heilende Kraft Gottes auf Erden jetzt zu demonstrieren. Er muß jetzt wissen, daß das Heilungswerk Christi nicht von Zeit und Stunde abhängt.