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Der Schatz im Himmel

Aus der September 1912-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft

Christian Science Monitor


So mancher von uns denkt bei der Geschichte vom reichen Jüngling sogleich an seine reichen Mitmenschen, übersieht aber die Lehre, die sie für ihn selber birgt. Wie viel oder wie wenig wir auch besitzen mögen — die Frage ist die: Werden wir von unserm Besitz in dem Maße in Anspruch genommen, daß wir geistige Dinge vernachlässigen? Viele Menschen, die mit den Gütern dieser Welt reich gesegnet sind, kümmern sich mehr um geistige Dinge als manche andre, die ein bescheidenes Auskommen haben oder für arm gelten. Inwieweit weltlicher Reichtum, Ansehen, Macht oder Ruhm der wahren Jüngerschaft, d. h. einem wahrhaft christlichen Lebenswandel, hinderlich sind, wird durch den Wert bestimmt, den man diesen Dingen beimißt.

Der Erzählung zufolge begann der reiche Jüngling damit, daß er Jesus gut nannte. Wenn nun Jesus diese persönliche Schmeichelei rügte, so geschah es ohne Zweifel deshalb, weil er die materielle Denkart des jungen Mannes erkannt hatte. Dieser bewies mit seiner Erklärung, er habe die Gebote von Jugend auf gehalten, die geistige Dürftigkeit seines Denkens, denn kein Sterblicher, der die Bedeutung der Gebote im Lichte geistigen Verständnisses erkennt, wird behaupten, daß er sie sämtlich ohne jemals zu fehlen gehalten habe. Jesus sagte diesem Jüngling in Kürze, daß, wenn er wirklich bereit sei die rechte Wahl zu treffen zwischen weltlicher Stellung und weltlichem Gut einerseits, und der Jüngerschaft unter den verachteten Nachfolgern des Nazareners andrerseits, er dann sein Erbteil an himmlischen Gütern würde antreten können. Vielleicht hatte der Meister einen Augenblick gehofft, jemand gefunden zu haben, der bereit war, die weltliche Gesinnung mit ihrem äußerlichen Wesen gegen geistiges Gut umzutauschen. Wenn nun auch die andern, die er auserwählt hatte, bereit waren, ihren ganzen irdischen Besitz daranzugeben für das Licht und die Führung, die ihnen Jesus bot (wenigstens glaubten sie bereit zu sein, wennschon ihre Kraft zur Zeit der Prüfung zuerst versagte), so war doch das weltliche Opfer in ihrem Fall kein so großes, wie es von dem reichen Jüngling gefordert wurde. Wie die meisten Menschen aber, deren Blick vom Golde geblendet und von ehrsüchtigem Streben der einen oder andern Art getrübt ist, wandte sich der Jüngling von der Nachfolge Jesu ab.

Daß er betrübt von dannen ging, muß jedoch zu seinen Gunsten gedeutet werden, auch dürfen wir annehmen, daß ihm dieser Augenblick stets in der Erinnerung blieb und er nie wieder ganz so selbstzufrieden war, nie wieder seiner weltlichen Stellung und den Schmeicheleien der Welt so viel Wert beimaß, wie früher.

Die dem jungen Mann gebotene Wahl steht den meisten Menschen jederzeit frei. Wollen wir Gott oder dem Mammon den Vorzug geben? Wenn wir uns dafür entscheiden, der Sorge Last zu tragen und unser Denken durch materielle Mühe und Plage zu trüben, dann sind wir ebensoweit von der Erkenntnis der Wirklichkeit des Guten entfernt, wie der Mann, der sein Herz an seine Reichtümer hängt. Klammern wir uns an unsre Armut oder an Gedanken der Armut oder Furcht an, so ist dies dem geistigen Frieden ebenso hinderlich, wie vielen Menschen ihre Reichtümer. Die Idee, daß Armut an und für sich eine Tugend sei, ist ein gefährlicher Irrtum. Es handelt sich nur um die Frage: Glauben wir, daß unser Glück von materiellen Dingen abhängt? Sind wir unglücklich, wenn wir die Dinge entbehren müssen, die den materiellen Sinn befriedigen? Sind wir unzufrieden, wenn wir einfach gekleidet gehen müssen? Sehen wir ein, daß unser Streben darauf gerichtet sein sollte, inwendig schön zu sein? Ist „der Schmuck eines sanftmütigen und füllen Geistes” (nach der englischen Bibelübersetzung) der einzige Reichtum, an den wir unser Herz hängen?

Als Jesus sagte, seine Nachfolger sollten die Werke auch tun, die er tat, so meinte er damit sicher nicht, daß sie dazu durch geteilten Gehorsam befähigt werden würden. Unser Herz muß sich voll und ganz Gott zuwenden, muß der geistigen Führung gehorchen. Wenn Rücksichten weltlicher Art, die wir aus irgendwelchem Grunde glauben nehmen zu müssen, unsern Gott bilden, dann können wir andre nicht aus der Knechtschaft befreien. Wenn Erfolg oder Gold oder ein berühmter Name Gegenstand unsres Wünschens sind, dann wirken wir nicht hin auf die Herbeiführung der Herrschaft des Geistes „auf Erden wie im Himmel.” Ob die „mitfolgenden Zeichen” eintreten oder ausbleiben, hängt von dem inneren Beweggrund unsres Herzens ab. Niemand, der gelernt hat, was Schätze im Himmel wirklich bedeuten, und der ehrlich danach strebt ihrer würdig zu sein, wird seine Vorstellung vom Guten von materiellen Dingen weiter abhängig machen.

In der Wüste wurde Jesus versucht die Steine in Brot zu verwandeln; er wußte aber, daß, wenn er dies tun könnte, er auch während der Dauer seines Fastens erhalten werden würde. Veranschaulicht dieses Gleichnis nicht die Versuchung, der die Sterblichen bisweilen ausgesetzt sind, nämlich in Stunden der Ermüdung und scheinbarer geistiger Hungersnot sich wieder auf einen materiellen Sinn von Wohlgefühl und Frieden zu stützen? Fasten in seiner metaphysischen Auslegung bedeutet ein sich Enthalten von materieller Befriedigung und materiellem Vertrauen. Während des Strebens, in Geist zu bleiben, tritt eine Zeit des Ringens oder des Irrens in der Wüste ein, gewöhnlich beides, ehe das verheißene Land des Geistes sichtbar wird. Jesus wies die Versuchung zurück, sein langes Fasten durch materielle Mittel erträglicher zu machen, und Engel traten zu ihm und dieneten ihm — versahen ihn mit himmlischen Schätzen.

Dies ist das Brot des Himmels, das für die materiellen Sinne unsichtbar ist. Die Menschen werden leicht dazu verführt, den geistigen Reichtum Gottes durch die materiellen, irdischen Segnungen zu ersetzen. Diese Zeichen reichlicher Fürsorge Gottes für Sein Kind darf man wohl im Leben des Christen erwarten; falls aber der Christ diese Zeichen für die Substanz des Guten hält und sich in Gedanken fortwährend mit ihnen beschäftigt, falls er sie als ein wichtiges Element zu seinem Glück betrachtet, oder falls er fühlt, daß sein Leben ohne diese materiellen Güter ein unglückliches wäre, so können wir sicher sein, daß sie nicht „mitfolgende Zeichen”, nicht der Ausdruck himmlischer Schätze sind, sondern der alte Trug, das Übel, welches das Gute nachäfft. Über dieses Bestreben des Irrtums, die „Werke” der Wahrheit zu tun, berichten viele biblische Erzählungen, ja wir lesen sogar von Fällen, in denen physische Heilung scheinbar durch Zauberei bewirkt wurde.

Der Zweck des Heilens in der Christian Science ist niemals die Heilung des Körpers, sondern die Sinnesänderung des Leidenden — das Ablenken seines Denkens vom Materiellen auf das Geistige. Wird dies erreicht, dann folgt die Heilung. Das Suchen nach himmlischen Schätzen ist also gleichbedeutend mit dem Suchen nach Heilung. Das wahre Heilsein oder Ganzsein ist nicht in der Materie zu finden, sondern im Himmel, in Geist, und der einzige Besitz, der Frieden bringen kann, ist der Besitz himmlischer Schätze.

Der Christ lerne daher sein eignes Denken erkennen und werde sich darüber klar, ob er zweien Herren zu dienen bestrebt ist — ob er nicht etwa der Materie anhängt und daher tatsächlich Gott, der Geist ist, verachtet. Er freue sich, wenn das materielle Element in seinem Denken aufgedeckt wird, denn dadurch erkennt er, daß er der schließlichen Vernichtung desselben sich nähert. Für die Bekümmerten liegt ein großer Trost in den folgenden Worten Mrs. Eddys: „Die geistige Liebe wird dich zwingen, selbst wenn du dich an einen Sinn persönlicher Freuden klammerst, das anzunehmen, was deinem Wachstum, am förderlichsten ist ... ‚wenn die Not am größten, ist Gottes Hilf’ am nächsten‘” („Science and Health“, S. 266). Geistige Liebe trägt für unser Wachstum Sorge. Gott wirkt in uns „beide, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.” Er wirkt, damit wir das Geistige wollen oder wählen und dessen Erhabenheit beweisen mögen. Wir können Ihm vertrauen, müssen aber gehorchen, wenn wir den Ruf vernehmen: „Komm und folge mir nach.”


Willst du Menschen zu deiner im Geiste der Wahrheit gewonnenen Erkenntnis führen, dann dränge sie nicht. Wir wollen auch zum Dienste des Heiligsten nicht überredet werden.


Wenn du Gott wollest Dank für jede Lust erst sagen,
Du fändest garnicht Zeit, noch über Weh zu klagen.

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