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Wahre Diagnose

Aus der April 1913-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Bisweilen wird an Christliche Wissenschafter die Frage gerichtet: Wie wissen Sie, daß Sie von einer bestimmten Krankheit geheilt worden sind, da Sie doch keine Diagnose stellen und daher nicht mit Bestimmtheit behaupten können, daß Sie diese Krankheit gehabt haben? Einem solchen Einwurf kann die Tatsache entgegengestellt werden, daß ein großer Prozentsatz derer, die sich der Christlichen Wissenschaft zugewandt haben, von Ärzten genau untersucht worden sind und ihr Leiden daher vom materiellen Standpunkt aus nur zu genau kennen. Es ist daher nicht zu verwundern, daß ein Patient, der durch die Christliche Wissenschaft von einer ärztlich konstatierten Krankheit geheilt worden ist, sich gerne darüber äußert, und daß er der Christlichen Wissenschaft die gebührende Anerkennung zollt.

Worin besteht nun eine medizinische Diagnose? Sie ist ein Ausspruch, der auf einer genauen Beobachtung von Symptomen beruht; ein Gruppieren oder Einteilen gewisser scheinbar deutlich ausgesprochener physischer Äußerungen von Störungen im Organismus, die nach langer und bis ins einzelne gehender Beobachtung mit einem speziellen Namen bezeichnet worden sind. Eine genaue Feststellung des Zeitpunktes, da mit diesen systematischen Beobachtungen oder den Verfahrungsarten begonnen wurde, die allmählich durch viele Jahre hindurch zu den gegenwärtigen komplizierten Aufgaben der modernen Diagnostik geführt haben, ist weniger wichtig, als die Kenntnis von dem Vorhandensein dieses medizinischen Irrtums, der die gegenwärtigen medizinischen Anschauungen vollständig beherrscht und sich nicht nur auf den Patienten und den Apotheker überträgt, sondern auch auf alle, die unter dem mesmerischen Bann dieses materiellen Denkens und Empfindens stehen.

Da der materialistisch gesinnte Arzt sich der aussichtslosen Aufgabe widmet, durch Beobachtungen von der Wirkung zur Ursache zu gelangen, „tappt [er] unter Phänomenen umher, welche jeden Augenblick unter Einflüssen schwanken, die seine Diagnose nicht umfaßt, und so kann er stolpern und in der Dunkelheit zu Fall kommen” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 463). Der Arzt hat kein festes Prinzip oder Gesetz und ist daher stets von der Materie abhängig. Die Symptome, die er heute beobachtet, sind morgen wieder verschwunden, und vergeblich sucht er heute nach Anzeichen, deren Vorhandensein er gestern festgestellt hatte. Ein neuer Fall erregt zunächst seine Aufmerksamkeit, sodann sein Erstaunen, dem nicht selten ein Gefühl der Bestürzung folgt über die rätselhaften Komplikationen in Fällen, wo er keine Erleichterung schaffen und den Fehlschlag nicht erklären kann. Verwirrt, doch nicht entmutigt, experimentiert er weiter in der Richtung, wo sich ihm der geringste Widerstand bietet, und siehe da, ganz unerwartet fängt der Patient an sich zu erholen, oder es ereignet sich etwas für den begrenzten Sinn noch Unerklärlicheres: der Patient scheidet dahin. Und doch war der Fall als eine deutlich ausgesprochene Krankheit diagnostiziert worden, wenn auch einzig und allein auf Grund der Annahme, daß die Mehrzahl der auftretenden Anzeichen auf diese Krankheit schließen ließen.

Warum, so könnte jemand fragen, erholt sich ein Patient während der andre erliegt, obgleich in beiden Fällen auf Grund derselben Symptome dieselbe Diagnose gestellt worden ist? Warum wurden nicht beide gesund, da sie doch wegen desselben Leidens behandelt wurden und dieselben Arzneimittel brauchten? Wie verfuhr der Meister-Metaphysiker beim Bestimmen einer Krankheit? Galt ihm eine Anzahl festgestellter Symptome als Andeutung eines besonderen akuten oder chronischen Leidens? Was tat er, als er in das Haus des Petrus kam und sah, „daß seine Schwieger lag, und hatte das Fieber”? Fühlte er ihr den Puls, um ihren Zustand zu beurteilen? Legte er ihr die Hand auf die Stirn, um ihre Temperatur festzustellen, oder erkundigte er sich danach, wie lange sie krank gewesen sei? Können wir auch nur einen Augenblick annehmen, daß er hinsichtlich seiner Diagnose im Zweifel war? Ist es denkbar, daß er die Hausbewohner befragte, wie die Frau erkrankt sei, oder was ihrer Ansicht nach das Fieber verursacht habe?

Jesus hatte nur eine Vorstellung von des Menschen Sein. Er wußte, daß der wirkliche Mensch das sündlose Kind eines vollkommenen Vaters ist. Er „sah in der Wissenschaft den vollkommenen Menschen, der ihm da erschien, wo den Sterblichen der sündige, sterbliche Mensch erscheint” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 476). Mit dieser vollkommenen Vorstellung vom Menschen ausgerüstet, trat er in göttlich-natürlicher Weise zu der kranken Frau und nahm sie bei der Hand, worauf das Fieber sie verließ. In Wirklichkeit verließ sie der falsche Anspruch, daß es Leben und Intelligenz in der Materie gebe, und daß das Leben der Materie unterworfen sei. Wohnte dieser irrigen Sinnesempfindung Wirklichkeit inne? Hätte dieses Empfinden von ihr weichen können, wenn es wirklich gewesen wäre? Ist etwas Wirkliches je vernichtet worden? War demnach die vom Meister gestellte Diagnose nicht mentaler, statt physischer Art? Er wußte, daß die Materie mit ihrer vermeintlichen Gehirntätigkeit nicht das göttliche Gemüt wiederspiegelt; daß das göttliche Gemüt niemals krank ist, und daß daher dessen Wiederspiegelung nicht krank sein kann. „Warum”, fragte Paulus, „wird das für unglaublich bei euch geachtet, daß Gott Tote auferweckt” [diejenigen, die in der Annahme begraben liegen, daß sie in der Materie leben, weben und sind]? Oder warum sollte es für unmöglich geachtet werden, daß Gott unser ganzes Sein mit der Wahrheit, die frei macht, heilen und bewahren kann?

Nachdem die Annahme von Fieber für die Schwieger des Petrus durch die Erkenntnis der Wahrheit vernichtet worden war, entsprach der Körper dem berichtigten Denken, und sie war geheilt. Nie wandelte jemand auf Erden, der so hoch über der Materialität erhaben war, wie der Nazarener. Nie richtete er seine Aufmerksamkeit auf die an der Oberfläche haftenden Fehler und Irrtümer der menschlichen Natur. Er wußte, daß Wahrheit „ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens” ist; daß das Wort Gottes „schärfer denn kein zweischneidig Schwert” ist, und „dringet durch, bis daß es scheidet Seele und Geist”. Er erklärte, nicht das, was zum Menschen eingehe, sondern was von ihm ausgehe, verunreinige ihn. Um eine Ursache festzustellen, ging Christus Jesus der mentalen Tätigkeit auf den Grund, und wenn er die Ursache der scheinbaren Disharmonie aufgedeckt hatte, war der Irrtum auch schon vernichtet. Da er bis zur feinsten Faser seines Wesens geistig war, vermochte er alles Nichtwissenschaftliche sofort zu erkennen, rügte oder strafte aber nie den aufrichtigen Sucher nach Wahrheit. Nichts läßt darauf schließen, daß seine Art, die Diagnose zu stellen, die Kranken und Leidenden entmutigte. Er lenkte die Aufmerksamkeit nie auf beunruhigende Symptome, prophezeite nie einen Rückfall, eine langsame Besserung oder einen Verfall der Kräfte. Überall ermutigte, beruhigte, tröstete und heilte er. Er wußte, daß es nur eine Ursache gibt und daher auch nur eine Wirkung geben kann.

Unsre verehrte Führerin sagt: „Durch sein Verständnis der mentalen Anatomie erkennt und bekämpft der Christliche Wissenschafter die wirkliche Ursache der Krankheit„ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 462). Keine Diagnose, die diesem Maßstab nicht entspricht, kann in der Christlichen Wissenschaft Aufnahme finden. Das Gesetz der göttlichen Liebe vernichtet alles, was Gott, dem Guten, unähnlich ist; es weist die Furcht aus, beruhigt das aufgeregte Gemüt, besänftigt den leidenden Sinn, tröstet die Bekümmerten, macht ihre Bürde leichter, gibt ihnen „Schmuck für Asche, und Freudenöl für Traurigkeit, und schöne Kleider für einen betrübten Geist”.

In der Christlichen Wissenschaft wird nicht manipuliert, und der Verlauf einer Krankheit wird nicht nach den Symptomen beurteilt. Die Christliche Wissenschaft hat keinen Raum für Ansichten; Erkenntnis ist die Grundlage, auf der sie ruht. Sie ist die einzige Wissenschaft, die es überhaupt gibt, weil sie die beweisbare Kenntnis des Guten, das Alles-in-allem ist. Sie ist das Gesetz Gottes, des Guten, und da es nur ein Gutes gibt, so kann es auch nur ein aus diesem Guten hervorgegangenes Gesetz geben; daher entbehrt jede Diagnose, die sich mit irgendwelchen außerhalb des Bereichs des unendlichen Guten befindlichen Phänomenen befaßt, des festen Grundes und der Gesetzmäßigkeit, hat also weder die Macht, Lebenstätigkeiten zu erhöhen, noch sie herabzusetzen.

Der Umstand, daß bei der medizinischen Diagnose ausschließlich physische Phänomene in Betracht kommen, beweist, daß sich diese Diagnose auf den Sand der sterblichen Annahme gründet, die sich mit jedem Wind und jeder Flut des menschlich-sterblichen Denkens ändert. Daher entbehren ihre Schlüsse der Einheitlichkeit und Zuverlässigkeit. Christus Jesus zog niemals Ansichten oder „Beobachtungen” andrer in Betracht, um die Art der Krankheit in einem gegebenen Fall festzustellen. Nie erwog er die Schwierigkeiten, denen er beim Heilen des Heimgesuchten möglicherweise begegnen könnte. Er stellte keine Fragen, schlug alle menschliche Hilfe aus und hob sein Denken mit unerschütterlichem Vertrauen zum Vater empor, indem er sagte: „Ich danke dir, Vater, daß du mich erhöret hast.” War es nicht göttlich-natürlich, daß in dem hellen Lichte dieser rechten Anschauung die Lahmen vor Freude sprangen, die Blinden sehend, die Aussätzigen rein wurden, und die Toten den Gräbern entstiegen? Christi Jesu Art, Krankheit zu bestimmen, war auf das „Gesetz des Geistes” gegründet, „der da lebendig machet”, auf das Gesetz, das sich nicht mit physischen Symptomen befaßt, sondern das von dem Gesetz der Sünde und Sterblichkeit befreit.

Die der göttlichen Liebe entsprechende Verfahrungsart besteht also darin, daß man sich dem Studium und der Betrachtung der Dinge, die die Erlösung betreffen, so beharrlich und andachtsvoll hingibt, daß Sünde, Krankheit und Tod abnehmen und schließlich ganz verschwinden. Wenn dieser herrliche Zustand eingetreten ist, wird das Alte vergangen sein, und wir werden sehen „mitten auf der Gasse auf beiden Seiten des Stroms ... Holz des Lebens, das trug zwölfmal Früchte, und brachte seine Früchte alle Monate; und die Blätter des Holzes dieneten zu der Gesundheit der Heiden.” Dieser vergeistigte Zustand ist mit der Wahrheit des Seins untrennbar verbunden, denn der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, der nur dem sterblichen Sinn nach bestand, ist verschwunden. „Selig sind, die seine Gebote halten, auf daß sie Macht haben an dem Holz des Lebens und zu den Toren eingehen in die Stadt.”

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