Durch die Christliche Wissenschaft werden wir instand gesetzt, in unserm Leben das Christliche und das Wissenschaftliche in gutem Gleichgewicht zu halten. Manchmal wird es für schwer gehalten, ein Christ zu sein, weil man eben nicht weiß, wie man es sein kann; wenn jemand andrerseits versucht, ein Wissenschafter zu sein unter Ausschaltung des Christlichen, so nimmt er dem Leben das Herz, und es bleibt nichts übrig als die lieblose klingende Schelle. Dieser Versuch, so wissenschaftlich zu sein, daß man darüber vergißt, ein Christ zu sein, kann zu dem lächerlichen Zustand führen, daß man es unterläßt, ein christliches, mitleidsvolles Wesen zu bekunden, aus Angst, es könnte nicht ganz wissenschaftlich sein. Mit solchem Streben läßt sich natürlich wahre brüderliche Rücksichtnahme nicht verbinden; es ist nichts als kalte Verstandessache, die sich in metaphysischen Phrasen bekundet und der Liebe entbehrt, die die Wunden der Welt verbindet und die Leiden der kranken Menschheit heilt. Es ist ein Seihen der Mücken kleinlicher Dinge und das Verschlucken der Kamele der Frömmelei und Selbstsucht. Man sollte nicht versuchen, ein Wissenschafter im angedeuteten Sinne zu sein, sondern, wie unsre Führerin verlangt, ein Christlicher Wissenschafter. In gleicher Weise dürfen wir nicht bestrebt sein, bloß Wissenschaft zu demonstrieren, sondern Christliche Wissenschaft.
Mrs. Eddy zeigt in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” das wahre Gleichgewicht zwischen Christentum und Wissenschaft, wenn sie auf Seite 367 sagt: „Ein freundliches Wort an den Kranken und die christliche Ermutigung desselben, die mitleidsvolle Geduld mit seiner Furcht und deren Beseitigung sind besser als Hekatomben überschwenglicher Theorien, besser als stereotype entlehnte Redensarten und das Austeilen von Argumenten, welche lauter Parodien auf die echte Christliche Wissenschaft sind, die von göttlicher Liebe erglüht.” Wie klar ist hier der Zusammenhang zwischen der christusähnlichen „mitleidsvollen Geduld mit seiner Furcht und deren” wissenschaftlicher „Beseitigung” hervorgehoben! Das sogenannte menschliche Gemüt versucht manchmal, in der Darlegung seiner falschen Auffassung von Geistigkeit so genau zu sein, daß es sich dadurch lächerlich macht, und so wird oft ein kummervolles Herz zurückgestoßen, während es von der göttlichen Macht zu heilen angezogen werden sollte. Manch falscher Eindruck von der Christlichen Wissenschaft wird durch Leute erzeugt, die Wissenschafter sein möchten, dabei aber vergessen, Christen zu sein. Tatsächlich sind nun die beiden Begriffe so eng miteinander verbunden, daß eine wissenschaftliche Lebensweise christlich und eine christliche Lebensart auch wissenschaftlich ist. Eine allzu starke Betonung des Buchstabens der Christlichen Wissenschaft kann jedoch leicht einen falschen Eindruck erzeugen.
Durch ein christusähnliches Wesen, in dem die Milde stets vorherrscht, erleidet die von uns verlangte wissenschaftliche Lebensweise keinen Abbruch. Milde ist eine Eigenschaft der Liebe, und da sie christlich und wissenschaftlich ist, ist sie allmächtig. Die Christliche Wissenschaft hat nichts Kaltes an sich, denn sie ist die Wissenschaft der göttlichen Liebe. Wer einem andern, der an Irrtum glaubt, eine hilfreiche Hand darreicht, ohne es dabei für nötig zu halten, den Unglücklichen zu tadeln, wird dadurch nicht unwissenschaftlich. Der Wissenschafter hört nicht auf, ein Christ zu sein, und wenn man als wahrer Christ lebt, so wird man dadurch nicht unwissenschaftlich. Es ist wissenschaftlich zu heilen, und geistiges Heilen ist stets christlich. Es ist wissenschaftlich sowohl als christlich, im Leben ein liebevolles Wesen zu bekunden, sich natürlich und ungeziert zu geben und ein freundlicher Nachbar sowie ein guter, sich seiner Pflichten und Rechte bewußter Bürger zu sein. Es ist nicht wissenschaftlich, die Berührung mit seiner Umgebung zu vermeiden und so der Freundlichkeit gegenüber zum Einsiedler zu werden. Wer sich weigert, dem Problem eines andern, wenn es angeht, freundliche Berücksichtigung und christliche Geduld entgegenzubringen, handelt nicht, wie ein Christlicher Wissenschafter handeln sollte. Dieser sollte die Welt durchziehen und das Banner seiner Menschenliebe in seinem Leben hochhalten, damit auch diese Welt nach der Wissenschaft seines Christentums streben kann. Der Christ und der Wissenschafter sind untrennbar; denn der eine ist nichts ohne den andern. Zusammen jedoch bilden sie eine von Gott gesegnete Verbindung. Denn ein wahrhaftiger Christlicher Wissenschafter besitzt ein wahres Verständnis von dem Gesetz der Liebe und freut sich, diese Zweiheit so in sich vereinigt zu haben, daß es zwischen seiner christlichen und seiner wissenschaftlichen Lebensweise keine Kluft gibt.
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