Ehe ich mit dem Studium der Christlichen Wissenschaft begann, stiegen Fragen folgender Art oft in mir auf: Was ist der Zweck des Daseins? Wohin führt es, wenn überhaupt zu etwas, außer zu Vernichtung? Gibt es etwas Bleibendes? Welches ist das höchste erreichbare Ziel und wie kann man es erlangen? Woran erkennt man den Fortschritt? Es schien nur allzu klar, daß die Mehrzahl der Menschen nach Dingen strebt, die sich als bloßer Tand erweisen, die, wenn sie erreicht sind, keine dauernde Glückseligkeit, keinen Frieden bringen sondern nur zu oft das Gegenteil.
Der Ausdruck „Wissenschaft” in Verbindung mit dem Wort „christlich” wird oft von denen verspottet, die sich nicht mit dem Studium der Christlichen Wissenschaft befassen, da sie annehmen, alle und jede Religion sei falsch, weil sie doch stets nur mutmaßlich und unwissenschaftlich sein könne. Aussprüche von heute werden jedoch sehr oft morgen von den Gelehrten umgestoßen. Hierfür liefert die medizinische Wissenschaft genügend Beispiele; denn Heilmittel, die zu einer Zeit für gewisse Leiden angeordnet wurden, werden oft später nicht allein als nutzlos sondern auch als gefährlich betrachtet. Der angebliche Zweck der medizinischen Wissenschaft ist der, durch Verhütung und Heilung von Krankheiten den Menschen die Gesundheit zu sichern, aber nach ungefähr viertausend Jahren sogenannten Fortschritts in dieser Wissenschaft ist es „hernach ärger, denn es vorhin war.” Der berühmte Naturwissenschaftler Einstein stellt heute eine Theorie auf, wodurch Zeit und Raum aufgehoben werden, zwei Faktoren, die man bisher allgemein als wirklich betrachtet und mit denen man als Wirklichkeiten gerechnet hat.
Vor meinem Studium der Christlichen Wissenschaft war ich der Ansicht, daß die Entwicklung guter Charaktereigenschaften der einzig erreichbare wirkliche Fortschritt für den Menschen sei, daß es für jede Lage einen rechten und einen falschen Weg gebe und daß es sich unter allen Umständen lohne, den rechten Weg einzuschlagen. Später fand ich jedoch, daß die Frage damit noch nicht erschöpft war. Als nun ein Freund von mir vor ein paar Jahren durch christlich-wissenschaftliche Behandlung von einer sogenannten unheilbaren Krankheit geheilt wurde, begann ich mich für die Christliche Wissenschaft zu interessieren, und nachdem ich sie eine Zeitlang studiert hatte, erforschte ich Mrs. Eddys Werke, um festzustellen, was sie über die Frage des Fortschritts sagt. Ihre Lehre war eine wunderbare Erleuchtung und Offenbarung für mich. Ich werde nie vergessen, wie ich das erste Mal in The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany (S. 181) die Worte las: „Fortschritt ist geistig. Fortschritt ist die reifende Idee von der göttlichen Liebe; er demonstriert das wissenschaftliche, sündlose Leben des Menschen und den schmerzlosen Übergang der Sterblichen von der Materie zum Geist, nicht durch den Tod, sondern durch die wahre Idee vom Leben — vom Leben nicht in der Materie, sondern im Gemüt.” Da hatte ich endlich einen bestimmten Ausspruch über das Wesen des Fortschritts gefunden, etwas das tatsächlich den Weg zu ununterbrochener Entfaltung und Entwicklung öffnete.
Für die Menschheit ist Fortschritt somit ein Vorgang, durch welchen das Sterbliche dem Unsterblichen weicht; ein Reinigen und Läutern des menschlichen Bewußtseins; ein neues und immer klareres Erkennen Gottes, der uns zu sich zieht; eine sich vertiefende Neigung zur Wahrheit; eine verständnisvolle Liebe für die Menschheit, die die Menschen von den Banden des Irrtums — Sünde, Krankheit und Tod — befreit. Es ist der Vorgang, den Paulus in seinem zweiten Brief an die Korinther beschreibt mit den Worten: „Nun aber spiegelt sich in uns allen des Herrn Klarheit mit aufgedecktem Angesicht, und wir werden verklärt in dasselbe Bild von einer Klarheit zu der andern, als vom Herrn, der der Geist ist.”
Die Zeit, diesen wunderbaren Fortschritt einzuleiten und durchzuführen, ist stets das Jetzt, und jeder muß ihn auf seine Art erstreben, denn nur so kann jeder einzelne diese geistige Erleuchtung selbst erfahren. Der Offenbarer Johannes sah den neuen Himmel und die neue Erde. Das war ihm möglich durch sein Verständnis der Lehren des Meisters und seine eigne jahrelange geistige Entfaltung und Demonstration. Dem menschlichen, durch diesen Vorgang nicht unterstützten Denken wäre solches Sehen damals ebenso unmöglich gewesen wie jetzt. Für alle, die diesen Fortschritt erstreben, ist der Weg in der Bibel und in den Schriften Mary Baker Eddys, der Entdeckerin und Begründerin der Christlichen Wissenschaft, klargemacht. Das Sichaneignen der geistigen Bedeutung der Heiligen Schrift und des Lehrbuchs der Christlichen Wissenschaft, „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift,” ist für den Fortschritt des Schülers in dieser Wissenschaft unentbehrlich. Wenn man mit dem Studium dieser Bücher angefangen hat, wendet man den Blick nach der rechten Richtung und hat damit begonnen, sich für den Fortschritt auszurüsten; aber man muß den Weg einhalten, den Jesus als gerade und schmal bezeichnet hat.
Eine der ersten und unentbehrlichen Vorbedingungen für den Fortschritt ist, daß man anfängt, die neue Offenbarung der Wahrheit des Seins durch Werke zu beweisen — durch das Überwinden des Bösen mit dem Guten, durch die Vernichtung des Irrtums mit Hilfe des geistigen Verständnisses der Wahrheit und ihrer Macht. Die Unwirklichkeit alles Bösen wird durch die obengenannten wertvollen Bücher aufgedeckt, doch muß diese Unwirklichkeit von dem einzelnen selbst bewiesen werden, ehe er die Fesseln des Irrtums abstreifen und in die Freiheit und Freude der Gotteskindschaft eingehen kann. Alles was nicht Beweis ist, wäre bloßes Dogma; Mrs. Eddy sagt jedoch auf Seite 235 von Miscellaneous Writings: „Fortschritt bedeutet in der Christlichen Wissenschaft Demonstration, nicht Dogma.” Ja, es kann gesagt werden, daß unser Verständnis der Wahrheit des Seins im Verhältnis zu unsrer Befähigung steht, die Unwirklichkeit des Bösen zu beweisen. Wer vorwärts kommen will, muß daher Sünde, Krankheit und Tod für sich selbst und andre überwinden. Jesus, der Christus, fragte Petrus dreimal nacheinander, ob er ihn liebe, und dreimal nacheinander wies er Petrus darauf hin, daß, wenn er ihn liebe, wie er behaupte, er diese Liebe durch das Weiden seiner Schafe beweisen müsse.
Treuer Gehorsam ist eine weitere Bedingung für den Christlichen Wissenschafter, ohne deren Erfüllung es keinen Fortschritt für ihn gibt. Er muß danach streben, in allen Dingen treu zu sein, ungeachtet der vermeintlichen Selbstaufopferung, welche ihm dies auferlegen mag. Es ist ganz klar, daß Mrs. Eddy diese Eigenschaft bei ihren Schülern als unentbehrlich betrachtete. Eines ihrer Bücher, Miscellaneous Writings, ist „getreuen Christlichen Wissenschaftern in diesem und allen andern Ländern” gewidmet. Paulus schreibt: „Wisset ihr nicht: welchem ihr euch begebet zu Knechten in Gehorsam, des Knechte seid ihr, dem ihr gehorsam seid, es sei der Sünde zum Tode oder dem Gehorsam zur Gerechtigkeit?” Die Mitglieder Der Mutter-Kirche, Der Ersten Kirche Christi, der Scientisten, nehmen einmütig deren Regierungsform an, d. h. die Vorschriften und Satzungen des Handbuchs dieser Kirche. Mrs. Eddy schrieb dieses Handbuch ebenso gewiß unter göttlicher Eingebung, wie dies bei „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” der Fall war. Es ist ebenso unmöglich, ein guter, treuer Bürger der Vereinigten Staaten zu sein und gleichzeitig die hochgeachteten Gesetze dieses Landes zu verletzen, als zu erwarten, wirklichen Fortschritt in der Christlichen Wissenschaft machen zu können, wenn man den Verordnungen und Satzungen untreu und ungehorsam ist, die deren Kirchenregierung darstellen und die von ihrer göttlich erleuchteten Entdeckerin und Begründerin aufgestellt wurden.
Ein andres sehr wichtiges, wenn nicht sogar grundlegendes Erfordernis für den Schüler, der Fortschritt machen will, ist Bereitwilligkeit zur Arbeit. Er muß nicht nur willig sein, überhaupt zu arbeiten, sondern fleißig zu arbeiten. Müßiggang ist ein Feind von wahrem Glück und Fortschritt. In Miscellaneous Writings (S. 234) schreibt Mrs. Eddy: „Was des Menschen Fortschritt hindert, ist sein leerer Eigendünkel, das Pharisäertum unsrer Zeit, sowie sein Bestreben, von andern zu stehlen, um harte Arbeit zu vermeiden: Irrtümer, die in der Wissenschaft nie einen Platz erringen können.”
