Seit jenem denkwürdigen Morgen vor fast zweitausend Jahren, als die Geburt Jesu, des Christus, für die Menschheit ein neues Zeitalter einleitete, ist er, der der Menschheit Erlöser und Wegweiser werden sollte, die höchst überragende Gestalt aller Zeiten und der Mittelpunkt der menschlichen Aufmerksamkeit geblieben. Um die Begleitumstände seiner niedrigen Geburt haben sich sehr viele Streitfragen erhoben; die sorgfältigste Untersuchung jeder geringfügigsten Einzelheit seines irdischen Lebens wollte zu keinem Ende kommen; was die Heilige Schrift über das Ende seiner irdischen Laufbahn berichtet, ist vielfach angezweifelt worden; über die Bedeutung seines unvergleichlichen Vorbildes gehen die Ansichten immer noch weit auseinander. Es blieb Mary Baker Eddy vorbehalten, der Menschheit durch die Christliche Wissenschaft die wahre Natur Jesu als das unvergleichliche Vorbild des Christus zu offenbaren.
So eifrig auch alle Worte und Werke Jesu untersucht wurden, so bleibt seine Menschlichkeit doch das erhabenste Vorbild des Menschentums und kommt der Vollkommenheit am nächsten. Außerdem erwies er sich als der weitaus demütigste aller Menschen. Durch alle Jahrhunderte hindurch hat das Interesse an seinen Lehren und Werken sowie das Verlangen, ihm in allem nachzufolgen, in hohem Maße zugenommen. Nie waren seine Nachfolger so zahlreich, und nie ist das Verlangen nach einem klaren Verständnis der Lehren des Nazareners so lebendig gewesen wie heute. Diese Lehren haben der sorgfältigsten Prüfung von Millionen von Menschen widerstanden,—von ehrlichen Forschern, die von der Menschheit ungestilltem Verlangen getrieben des Daseins Rätsel zu lösen suchten. Und das Ergebnis war eine stets wachsende Überzeugung der Christen von der Göttlichkeit des Christus und der Wahrhaftigkeit der Botschaft Jesu.
Seit der Entdeckung der Christlichen Wissenschaft hat sich im Urteil über die Natur und die Aufgabe des Christus ein auffallender Wechsel vollzogen. Dies ist die beachtenswerteste Feststellung in der Wandlung, die das religiöse Denken im letzten halben Jahrhundert erfahren hat. Mrs. Eddys Lehren über diesen höchst wichtigen Gegenstand wurden zuerst für umwälzend und unverständlich gehalten. Trotzdem wurden sie nicht nur von den Schülern der Christlichen Wissenschaft angenommen, sondern haben sich auch unter den Christen vieler andrer Bekenntnisse ein weites Feld erobert.
Verschiedene gewissenhafte Erforscher der Lebensumstände des Begründers des Christentums gelangten zu dem Ergebnis, die Anerkennung Jesu als Messias beruhe eher darauf, daß er die Weissagung erfüllte, als auf seinen außergewöhnlichen Lehren und seinen beispiellosen Werken. So überzeugt waren die Juden von dem Gedanken, daß der Menschheit ein Heiland erscheinen würde, wie es durch die Propheten bestimmt vorausgesagt war, daß viele ihn mit heißem Verlangen als den langverkündigten Messias in dem Glauben aufnahmen, in ihm erfüllten sich die Weissagungen. Jesajas prophetische Worte: „Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter,” erweckten die lebendige Hoffnung in dem empfänglichen Gemüt jener geistig gesinnten Leute. Auch die Versicherung: „Es wird eine Rute aufgehen von dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen” verkündigt einen Erlöser aus dem Geschlechte Davids. Und Jesus von Nazareth entsprach diesen Anforderungen. In diesen und in weniger wichtigen Einzelheiten erfüllte sich die Schrift vollkommen in ihm; doch die große Menge der Juden schien eher einen zeitlichen König zu erwarten,—einen Herrscher, der die Pracht und Größe des goldenen Zeitalters Israels wiederherstellen würde. Und so kam es, daß Jesu einfache Erklärung „Mein Reich ist nicht von dieser Welt” denen wenig bot, die einen König erwarteten, der die Herrlichkeit der Zeiten Davids und Salomos wiederaufrichten sollte.
Trotz allem geistigen Erkennen der Jünger und ihrer zärtlichen Verehrung für den Meister will es scheinen, daß ihnen das Unterscheiden dieser einzigen und allerwichtigsten Tatsache, die unsre Führerin hervorhebt, nicht gelingen wollte. Auf Seite 332 des christlich-wissenschaftlichen Lehrbuchs „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” erklärt Mrs. Eddy: „Christus ist die wahre Idee, die das Gute verkündet, die göttliche Botschaft von Gott an die Menschen, die zum menschlichen Bewußtsein redet. Der Christus ist unkörperlich, geistig—ja, er ist das göttliche Bild und Gleichnis, das die Illusionen der Sinne vertreibt; er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, die Kranken heilend und die Teufel austreibend, Sünde, Krankheit und Tod zerstörend.” In nicht mißzuverstehenden Ausdrücken erklärt sie hier den Christus. Es ist offenbar, daß sie den Christus als ewig erkannte, getrennt von menschlicher Persönlichkeit, ohne „Anfang der Tage noch Ende des Lebens,” als die Wahrheit über Gott, den Menschen und das Weltall. Darüber hinaus leistete sie der Welt den unvergleichlichen Dienst, daß sie die Mittel entdeckte und erklärte, durch die die Menschheit sich den Christus—die Wahrheit—als Heiler und Erlöser zunutze machen kann. Aber Mrs. Eddy stellt auch fest, daß Jesus den Christus, das Gleichnis Gottes, in nie gekanntem und unerreichtem Grade zum Ausdruck brachte, was mehr als alles andre dazu berechtigt, ihn Jesus den Christus zu nennen. Die Christlichen Wissenschafter erblicken daher in dem von Jesus wiedergespiegelten Christus die Erfüllung der Weissagung,und außerdem sehen sie in den vielen wunderbaren Werken des Nazareners den Beweis, daß die Erfüllung göttlichen Ursprungs ist.
Unsre geliebte Führerin bereitete der Menschheit mit ihrer klaren, verständlichen und beweisbaren Lehre über Jesus den Christus wohl die größte Wohltat. „Jesus,” sagt sie in „Wissenschaft und Gesundheit” (S. 332), „war der Sohn einer Jungfrau.” Obgleich er der Wegweiser ist, erblickte Mrs. Eddy der Menschheit Erlösung doch nicht im Menschen Jesus, dem vollkommensten Vorbild von Gottes Liebe und Zärtlichkeit für Seine Kinder, sondern im auferstandenen Christus, im Sohn Gottes ohne materielle Verkörperung oder Begrenzung, in der „göttlichen Offenbarwerdung Gottes” (Wissenschaft und Gesundheit, S.583), die Jesus bewies.
Wohl an keinem Punkte der alten christlichen Kirchenlehre hat man so beharrlich festgehalten wie an der Göttlichkeit Jesu, indem man zwischen dem körperlichen Menschen und dem geistigen Christus nicht unterschied. Diese hochwichtige Frage hat Mrs. Eddy so klar beantwortet, daß sie für jedermann unfehlbar verständlich ist. Die Christliche Wissenschaft hat aber auch geoffenbart, wie dieses Verständnis beim Stillen jeder menschlichen Notdurft angewandt werden kann. Christus, die Wahrheit über alles, der vollkommene Ausdruck des göttlichen Gemüts, wird als das unfehlbare und stets gegenwärtige Heilmittel für jedes Übel erfunden. Die Wahrheit ist überall anwendbar! Nirgends ist die Wahrheit als Heilund Erlösungsmittel weniger als allmächtig,—sie ist durch den Christus anwendbar gemacht.
Jesu Werke sind vollkommene Beweise von der Macht des Christus. So erfüllt war er von Gottes Gegenwart und Macht, daß er imstande war, den Angriffen des sterblichen Gemüts in seinen mannigfaltigen Versuchungen zu widerstehen, alle Krankheitserscheinungen zu heilen, die Naturkräfte zu beherrschen und selbst die Annahme vom Tod zu zerstören. Er war der Welt größter Beweisführer von der Macht des Guten über das Böse. Er siegte über alle materiellen Zustände, selbst über den Tod. Die Macht des Christus ist unbegrenzt, denn sie bringt Gottes Allerhabenheit und Größe zum Ausdruck, und sie pocht beständig an die Tür des menschlichen Bewußtseins, bereit, ihre Aufgabe durch Heilen und Erneuern zu erfüllen.
Die Christlichen Wissenschafter beweisen Gott unaufhörlich ihre Dankbarkeit für diese Offenbarung des heilenden Christus durch ihr Leben. Dankbaren Herzens erheben sie sich mit Loben und Danksagen zu dem, der redete, wie nie ein Mensch geredet hat. Und diese lebendige Anerkennung Christi Jesu und seiner Werke wie auch das Bemühen, sich die göttlichen Eigenschaften zu vergegenwärtigen und sie durch das Heilen und Erlösen der Menschheit auszudrücken, gehört nicht einer gewissen Zeit oder Stunde an, sondern geschieht ununterbrochen. Auf diese Weise gedenken die Christlichen Wissenschafter unaufhörlich der Geburt des Erlösers.
