Häufig hört man Leute, die die Christliche Wissenschaft noch nicht lange kennen, sagen: „Wie gerne möchte ich Vertreter sein!” Das ist ohne Zweifel ein gerechter Wunsch, denn er entspringt der tiefen Dankbarkeit für die Segnungen, die die Christliche Wissenschaft diesen Leuten gebracht hat. Es ist der Ruf der Liebe, durch das liebevolle Wirken in der Christlichen Wissenschaft die Goldene Regel — anderen tun, was wir wollen, daß sie uns tun — zu erfüllen.
Mit dem ersten wirklichen Erkennen des immer gegenwärtigen Christus, der Wahrheit, erwacht auch das Sehnen, die Freude, den Mut und den heilenden Balsam geistigen Denkens mit anderen zu teilen. In dem Verhältnis, wie wir in dem sicheren Bewußtsein und der Erleuchtung dieser Wahrheit verweilen, können wir die Christliche Wissenschaft ausüben. Das Wissen, das Verstehen muß bewiesen, muß demonstriert werden. Ein anerkannter Vertreter, das heißt ein Vertreter, der vom Vorstand Der Mutter-Kirche anerkannt ist, und der seine ganze Zeit ausschließlich dem Heilungswerk widmen kann, ohne einen andern Beruf auszuüben oder einer andern Beschäftigung nachzugehen, hat seine Niederlassung als Vertreter und seinen Wirkungskreis durch beharrliches, hingebendes Bemühen erlangt sowie durch Gehorsam gegen die Ermahnung unserer Führerin in ihrem Lehrbuch, „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 22): „,Handelt, bis daß ich wiederkomme‘! Wartet auf euern Lohn, und, werdet nicht verdrossen Gutes zu tun‘”. Das Denken des Vertreters ist beständig von der Christus-Gegenwart erfüllt, und er hat gelernt, daß bloßes menschliches Wissen und menschliche Güte nicht heilen. Nur das Gute, das die vergegenwärtigte Wahrheit ist, heilt.
„Er sandte sein Wort und machte sie gesund und errettete sie, daß sie nicht starben”. Wenn dieses Wort Gottes unser Bewußtsein erfüllt, dann strahlt es seine eigene heilende Kraft auf den empfänglichen Gedanken aus und wird erwidert mit erhabener Freude, die einen gesunden, harmonischen Leib zur Folge hat. „Gott wird die Kranken durch den Menschen heilen, wenn der Mensch von Gott regiert wird”, sagt Mary Baker Eddy in „Wissenschaft und Gesundheit” (S. 495). Daher übt jeder die Christliche Wissenschaft aus, der sich bemüht, durch das Forschen in der Bibel und im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch Gott erkennen zu lernen und falsches, weltliches Denken mit wahren, geistigen, Gottgleichen Gedanken zu berichtigen. Nur das Erleben und Vergegenwärtigen der Wahrheit im wirksamen Zerstören der Übel der Menschheit und im Aufrichten der Harmonie macht einen zu einem Vertreter.
Oft hört man solche, die sich mit der Christlichen Wissenschaft noch nicht lange befaßt haben, entmutigt ausrufen: „Ach, ich muß noch so viel lernen!” Gewiß! wir alle müssen es, — müssen viel lernen, um demütig und selbstlos zu werden und das Licht der Liebe scheinen zu lassen. Aber wir können uns immer freuen, daß sich die Wahrheit in dem Maße mühelos und natürlich entfaltet, wie das Denken geläutert und darauf vorbereitet wird, ihre Segnungen zu empfangen. Nichts kann durch menschlichen Willen erzwungen werden. Der ehrgeizige Sinn, der sich eine oberflächliche Kenntnis der Christlichen Wissenschaft aneignet und hochtrabend erklärt: „Ich will Vertreter werden”, muß noch einsehen lernen, daß nur Demut und das Verweilen des Bewußtseins bei dem, daß Gott alles vollbringt, einen seinen rechtmäßigen Platz und seinen rechten Wirkungskreis erkennen läßt. Das Bedürfnis nach werktätigen Beweisen des Zum-Ausdruck-Bringens von Wahrheit und Liebe ist auf Schritt und Tritt im menschlichen Leben vorhanden. Wer die Demut erlangt hat, die ihn mit dem vollen Vertrauen erfüllt, daß Gott ihn berufen hat, sein Leben gänzlich der Heilungsarbeit der Christlichen Wissenschaft zu widmen, der wird nicht durch bloße menschliche Entschließung ein Vertreter. Er ist bei jener Stufe des geistigen Verständnisses angelangt, wo andere das Licht suchen, das er spenden soll; und Heilung ist das unmittelbare, ganz von selbst eintretende Ergebnis. So kommt in Wirklichkeit die Arbeit, durch die er ein rechtmäßiger Vertreter wird, zu ihm!
Der aufrichtige Erforscher der Wahrheit ist manchmal darüber im Zweifel, was wohl der Erfolg wäre, wenn er einem andern, der sich in seiner Not an ihn wendet, helfen würde, während er sich zeitweise doch selbst nicht so recht harmonisch fühlt. Ein solcher braucht sich aber nur klar zu machen, daß Wahrheit heilt, nicht der Irrtum. Auch möchte ihm die Versuchung oft einreden, es scheine viele schlimme Zustände und Krankheiten zu geben, die ihm unbekannt sind. Wie sollte er sie also heilen können? Die kurze Antwort hierauf ist: durch das Sichvergegenwärtigen, daß Gott auch nichts davon weiß! Gott kennt nur Sein eigenes Bild und Gleichnis; und in dem Verhältnis wie einer weiß, was Gott weiß, wird er heilen, wie der Meister heilte. Das Bemühen, die Wahrheit über den wahren, harmonischen Menschen zu erklären, der von der vollkommenen Liebe regiert wird, um es auf diese Weise zu ermöglichen, den scheinbaren Irrtum aufzudecken und zu verneinen, wird einem andern helfen, weil es den rechten Standpunkt im eigenen Denken festhält. Was berichtigt werden muß, ist die eigene falsche Annahme über sich selbst oder einen andern. Was sich auch dem Denken darbietet, wird entweder angenommen oder zurückgewiesen, je nachdem es der Wahrheit gleicht oder eine Erscheinung des Bösen ist. Sobald der Irrtum als das erkannt wird, was er ist — als nichts, weil Gott, das Gute, ihn nie erschaffen hat — , fängt er an zu verschwinden. Daß das Himmelreich hier und jetzt gegenwärtig ist, kann in dem Maße bewiesen werden, wie das Denken für die Wahrheit empfänglich ist. Sich über die Christliche Wissenschaft bloß unterhalten oder sie verstandesmäßig erörtern, kann nie dem Wert einer Beweisung ihrer heilenden Kraft gleichkommen. Wenn man eine Wahrheit anwendet und dadurch ihre Wirkungskraft beweist, so zeigt man, daß man sie versteht. Wenn sterbliche Annahmen — Krankheiten oder sündige Angewohnheiten — zuweilen hartnäckig erscheinen, so können sie doch durch beharrliches Behaupten und Vergegenwärtigen der Wahrheit sicherlich überwunden werden. Kein sterblicher Irrtum kann der unumschränkten geistigen Macht des Wortes Gottes auf immer widerstehen.
Gelegentlich hören wir einen Bedauernswerten das Recht der christlich-wissenschaftlichen Vertreter, sich für Heilung bezahlen zu lassen, in Frage stellen, da doch Jesus und seine Jünger umsonst geheilt hätten. Wir wollen uns jedoch die Sache einen Augenblick überlegen und sehen, ob sich nicht eine klare Antwort von selbst bietet. Nahmen nicht Jesus und seine Jünger die Gastfreundschaft derer an, denen sie halfen? Könnten aber heutzutage bei den ganz anders gearteten, mit den mehr oder weniger eingeschränkten Wohnungen verknüpften Lebensgewohnheiten die Vertreter wie einst die Jünger von Haus zu Haus gehen? Wohl kaum. Die Vertreter müssen den Erfordernissen unserer Zeit entsprechend vernünftig und praktisch leben. Sie brauchen ihre eigenen Wohnungen, wo Hilfesuchende sie finden können, und wohin sie sich in dem Bewußtsein, daß sie „unter dem Schirm des Höchsten” weilen, zurückziehen können, um zu beten und forschen. Dort finden sie die geistige Erfrischung, um vor die Welt zu treten, ohne von ihrer Materialität und Sinnlichkeit berührt zu werden. Die Lampen ihres Denkens müssen in Ordnung sein und hell brennend erhalten bleiben, damit sie den im Dunkel der sterblichen Annahmen Herumtastenden rasch den Weg erleuchten können. Die Vertreter müssen auch Geld verdienen, um hilfreiche, menschenfreundliche Einrichtungen unterstützen, zum Unterhalt der Kirchen beitragen und bei verschiedenen Tätigkeiten zur Erhebung und Veredlung der Menschheit mitwirken zu können. Wenn man einem rein menschlichen Beruf oder Broterwerb entwächst, dann geschieht es, weil das Denken an geistigem Heilungswert gewonnen hat. Ist nicht der Arbeiter „seines Lohnes wert”?
Es wird oft gefragt: Wie wird man ein guter Vertreter? Die Antwort kann nur lauten: indem man sich Gott und Seinem Christus völlig und rückhaltlos hingibt. Der echte christlich-wissenschaftliche Vertreter wird seinen Beruf nie dadurch mißbrauchen, daß er das Denken anderer beeinflußt oder sie unter die Gewalt seines Willens zu bringen trachtet, daß er körperliche Behandlung vornimmt, zu persönlicher Beherrschung greift, Arzneien oder andere materielle Mittel irgend welcher Art anwendet. Er weiß, daß allein die geistige Kraft des wissenschaftlichen rechten Denkens oder des göttlich regierten Gedankens vollkommene Heilung bewirken kann. Er wird als Hilfsmittel beim Heilen andere Bücher als die Bibel, das christlich-wissenschaftliche Lehrbuch und die übrigen Werke von Mary Baker Eddy sowie die von der Verlagsgesellschaft der Christlichen Wissenschaft herausgegebenen Schriften weder selbst gebrauchen, noch wird er sie anderen empfehlen. Der gerade und schmale Weg, den unsere Führerin in ihrer göttlich verliehenen Weisheit vorgeschrieben hat, ist der einzig sichere Weg, der durch Gehorsam unmittelbar zu augenblicklichem Heilen führt.
Vertreter sein schließt also einen Zustand bewußten Einsseins mit Gott in sich. Es ist die heiligste aller menschlichen Tätigkeiten. Diese Tätigkeit entfaltet sich freudig und mit unmittelbarer Ursprünglichkeit ganz aus sich selbst heraus. Sie läßt die Wüste des sündigen, leidenden und durch Enttäuschungen, vereitelte Hoffnungen und zerschlagene Pläne ermüdeten Sinnes in der Schönheit und in dem Duft der Dankbarkeit ersprießen und erblühen. Das Erkennen der Liebe Allgegenwart durch das strahlende Licht geistigen Verständnisses bewirkt das Erstehen einer geheilten, glücklichen Menschheit.
