Die Lehren der Christlichen Wissenschaft beruhen auf den grundlegenden Tatsachen, daß Gott unendlich, das All, ist, daß Seine Schöpfung aus geistigen Ideen besteht und ewig vollkommen, vollständig, ist. Wie verkehrt daher die Ansicht doch ist, daß noch etwas zu tun sei, daß in Gottes Unendlichkeit von vollkommenen Ideen Fehler zu berichtigen, Verbesserungen vorzunehmen seien! Bei der Betätigung der Christlichen Wissenschaft wird wohl kein Fehler häufiger begangen als der Irrtum, die Ansicht zu hegen, daß der Praktiker etwas zu tun, etwas, was nicht so ist, wie es sein sollte, in Ordnung zu bringen habe. Dieser Irrtum geht aus dem Mangel an Verständnis der allerersten Grundlagen der Lehren der Mrs. Eddy hervor.
Betrachtet man die Tatsachen des Seins, so gewinnt man die Überzeugung, daß nicht etwas an etwas getan, sondern daß vielmehr die Wahrheit über Gott und Seine vollkommenen Ideen enthüllt werden muß, daß die Wahrheit unser Bewußtsein werden, unser Denken umfassen muß. Einem Leidenden, der glaubt, sein Zustand sei wirklich kommt dies wohl unsinnig vor; doch hat er einmal einen Lichtstrahl der Tatsache erhascht, daß Gottes Ideen in ihrer Vollkommenheit jetzt vorhanden sind, so verlieren die widerwärtigen Scheinzustände in dem aufgehenden Lichte des Verständnisses etwas von ihrem Anspruch auf Wirklichkeit. Mrs. Eddy legt den Fall sehr bestimmt dar. „Wahrheit ist geoffenbart. Sie muß nur betätigt werden”, erklärt sie auf Seite 174 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift”. Hierauf erhebt sich die Frage: Wie ist die Wahrheit zu betätigen? Das christlich-wissenschaftliche Lehrbuch beantwortet diese Frage gebieterisch und vollständig.
Die Wahrheit wird dadurch betätigt, daß man sie lebt, daß man sie im Denken vorherrschen läßt, daß man an ihr als der einzigen Wirklichkeit festhält, indem man sie zur Führerin und Eingeberin aller seiner Gedanken und Handlungen erwählt. Heißt dies nicht, etwas an etwas tun? Keineswegs. Es heißt, den Christus, die Wahrheit, durch das Bewußtsein scheinen lassen, damit sie das Denken erleuchte und dadurch alles entferne, was dem Guten, der Wahrheit, unähnlich ist. Eine Darlegung unserer Führerin im „Täglichen Gebet” des Kirchenhandbuchs (S. 41) gehört unmittelbar zu dieser Besprechung: „Laß die Herrschaft der göttlichen Wahrheit, des göttlichen Lebens und der göttlichen Liebe in mir aufgerichtet werden und alle Sünde aus mir entfernen”. Indem wir uns in dieser Weise an die göttliche Gnade wenden, bitten wir nicht, daß noch etwas getan werde; vielmehr bitten wir Gott, daß Er das Gemüt Christi offenbar werden lasse, damit göttliche Ideen den Irrtum in unserem Denken verdrängen. Dies ist einfach ein Offenbarungsvorgang, wodurch die Wahrheit das Bewußtsein mit ihrer heilenden Gnade erfüllt und die Irrtumsfinsternis vertreibt. Außerdem kommt die Wahrheit, wenn sie bewußt beherbergt wird, in gerechtem Tun und Handeln sichtbar zum Ausdruck.
In einem Liebe, das des Dichters starken Glauben an Gott darlegt, empfing der Psalmist die göttliche Botschaft mit den Worten: „Seid stille und erkennet, daß ich Gott bin”. Wunderbare Worte, deren Befolgung eine Fülle unbegrenzter Möglichkeiten geistigen Erlangens bietet! Doch wie abgeneigt sind die Sterblichen, diese göttliche Ermahnung zu befolgen! Von der Wirklichkeit menschlicher Persönlichkeit überzeugt, sind sie rastlos tätig, ihre erstrebten Ziele zu erreichen. Gerade darin, daß sie etwas tun, finden sie eine gewisse Befriedigung, mag auch das, was sie tun, ganz ungeeignet sein. Anstatt still zu sein und zu versuchen, die Gegenwart der göttlichen, unendlichen Kraft als Vorläuferin ihrer menschlichen Fußtapfen zu erkennen, sind sie bestrebt, aus sich selber etwas zu tun, wodurch sie ihre höchsten Ziele verfehlen.
Wie notwendig es doch ist, daß wir die Worte des Psalmisten beachten! Wenn wir menschliche Anstrengung, sofern sie nicht göttlich geleitet ist, aufgeben, wenn wir in dem sicheren Gefühl der unendlichen Liebe Gottes zu allen Seinen Ideen verweilen, sind wir genau im Verhältnis zu unserem Verständnis und unserer Anwendung der geistigen Wahrheit erfolgreich. Unser großes Bedürfnis ist, die geoffenbarte Wahrheit zu erfassen. In dem Maße, wie uns dies gelingt, hört alles menschliche Sehnen auf und wir erblicken und sehen die Erlösung, nach der wir für uns und für andere trachten.
Bei der Heilung von Krankheit ist die Arbeit getan, wenn wir das Gemüt Christi in uns walten, d.h. in unserem Bewußtsein kundwerden lassen. Dadurch lassen wir an Stelle eines falschen Begriffs vom Menschen, der unharmonisch zu sein scheint, den vollkommenen Menschen, Gottes Idee, zum Vorschein kommen. Es gibt nicht zwei Grundlagen des Seins, eine geistige und eine materielle; es gibt nur eine, nämlich Gott, den Geist. Die ganze Sorge, die die Sterblichen zu erben scheinen, geht aus dem irrigen Glauben hervor, daß es einen körperlichen Menschen gebe, der der Heilung bedürfe. Der Mensch ist geistig, vollkommen, das Bild Gottes,—er wird nie unharmonisch.
Auf der grundlegenden Tatsache also, daß der Mensch geistig und vollkommen ist, kommen die Heilungen der Christlichen Wissenschaft zustande. Der Erfolg im Heilen der Scheinansprüche der Krankheit steht daher im Verhältnis zu der Klarheit unserer geistigen Wahrnehmung beim Erkennen der Gegenwart des unendlich Guten und beim Sehen des vollkommenen Menschen, d.h. beim Sichbewußtwerden der vollkommenen Idee. Auf Seite 530 in Wissenschaft und Gesundheit schreibt Mrs. Eddy die zwingenden Worte: „Die Geschichte des Irrtums ist eine Traumerzählung. Der Traum besitzt keine Wirklichkeit, keine Intelligenz und kein Gemüt, daher sind der Träumer und der Traum eins, denn keiner von beiden ist wahr oder wirklich”. Um den Patienten mit Erfolg aus seinem Traum aufzuwecken, muß der Praktiker die Unwirklichkeit der Krankheit verstehen, indem er an der geistigen Idee als der göttlichen Wirklichkeit festhält. So wird das göttliche Gemüt durch seinen heilenden Christus der Vermittler des geistigen Heilens.
