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Wahrnehmung

Aus der Juli 1927-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Ein Naturwissenschafter hat erklärt, das menschliche Auge nehme nur ein Vierzigtausendmillionstel des materiellen Weltalls wahr. Wie unzulänglich also dieses körperliche Werkzeug als Mittel zuverlässiger Mitteilung doch ist! Den weitaus größten Teil dessen, was in dem zeitlichen sogenannten materiellen Weltall vor sich geht, sieht das Auge nicht einmal, und des ewig bestehenden geistigen Weltalls des göttlichen Gemüts wird es überhaupt nicht gewahr. Paulus sagt: „Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat ..., was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben”. Wo ist dann jene Wahrnehmungsfähigkeit zu finden, die uns mit Gott und Seiner Schöpfung bekanntmacht?

Die Christliche Wissenschaft weist das Zeugnis der Materie zurück und leugnet, daß sowohl der Mensch selbst als auch die Sinne des wahren Menschen in der Materie seien. Sie behauptet dagegen, daß der wahre Mensch und seine Sinne der Ausdruck des ewigen Gemüts sind, und daß ihnen die Fortdauer des göttlichen Gemüts zu eigen ist. Die wichtige Tatsache, daß das Gemüt vorhanden sein muß, wenn es Empfindung geben soll, wird oft übersehen. „Gemüt allein besitzt alle Fähigkeiten, alles Wahrnehmungsund Begriffsvermögen”, schreibt Mrs. Eddy im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch, „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 488). Ohne das Gemüt kann es keinen Wahrnehmungssinn geben. Das Wahrnehmen ist eine der Tätigkeiten des Gemüts.

Mrs. Eddy nennt Gott auch den „All-Sehenden” (S. 587 dess. Buchs). Wo findet die Sehtätigkeit Gottes statt? Ebenso könnte man fragen: Wo kommt das Leben, das Gott ist, zum Ausdruck? oder: Wo tritt die Liebe, die Gott ist, in Erscheinung? Gott, das Gemüt, drückt sich auf eine und nur eine Art aus, nämlich durch Seine Ideen. Die wahre Eigenart jedes einzelnen Menschen ist Gottes Idee, und als solche muß sie die Wahrnehmungstätigkeit des allsehenden Ich zum Ausdruck bringen. Diese Wahrnehmungstätigkeit Gottes ist, genau wie Gottes Tätigkeit des Wissens und des Liebens, ewig in Seinen Ideen wirksam, tritt durch sie in Erscheinung und ist untrennbar von ihnen.

Diese Entdeckung führt zu wichtigen Schlüssen. Des Menschen wahre Wahrnehmung ist das durch den einzelnen zum Ausdruck kommende Sehen Gottes, genau wie des Menschen Leben das durch den einzelnen zum Ausdruck kommende Leben Gottes ist. Da des Menschen Sehkraft eine persönliche Art und Weise des Sehens Gottes ist, so ist sie so wirklich und fortdauernd wie dieses. Die Fortdauer des göttlichen Gemüts und aller seiner Fähigkeiten ist auf seine Idee übertragen. Wir müssen daher das Verständnis des Menschen als Gottes Idee erlangen.

In der göttlichen Ordnung kann es so wenig mangelhaftes Augenlicht wie mangelhaftes Gemüt, erschöpfte Erkenntniskraft oder einen erblindeten Gott geben. Wahre Wahrnehmung kann so wenig beeinträchtigt werden, wie Gottes Tätigkeit unterbrochen oder die immerwährende Allwirksamkeit des Gemüts aufgehoben oder vermindert werden kann. Könnte eine Idee ihre Wahrnehmungsfähigkeiten verlieren oder könnten diese beeinträchtigt werden, so würde dies auf eine dem allsehenden Gemüt überlegene Kraft hinweisen. Gott würde nicht mehr allsehend sein. Der Verlust der Wahrnehmung würde die Idee von jenen Beziehungen und Verknüpfungen absondern, die die göttlich zugeordnete Einheit der Ideen des Gemüts und die immerwährende Unteilbarkeit Gottes und Seines Weltalls kennzeichnet.

Die Wahrnehmungsfähigkeiten gewähren die Fähigkeit, die Wesenseinheit sämtlicher Ideen des Gemüts zu erkennen. Eine Beeinträchtigung dieser Fähigkeiten würde, wenn sie überhaupt möglich wäre, die Einheit und die vernünftige Verknüpfung der Ideen Gottes zu einer allumfassenden Familie auflösen. Durch die ewige Fortdauer der durch Gottes Ideen ausgedrückten Wahrnehmungstätigkeit wird die Allwirksamkeit des allsehenden Gemüts bewiesen.

Was spricht wider diese Schlußfolgerungen? Materielle Gedanken und körperliches Empfinden. Wieviel Glauben ist einem solchen Zeugnis zu schenken? Keiner. Warum? Weil es ein Leugnen der göttlich vernünftigen Lebenshaltung und Richtschnur des Menschentums, also eine Verneinung, eine Lüge, ist.

Die Lüge behauptet, es gebe noch ein Gemüt, das Gegenteil Gottes, des Guten. Sie macht geltend, dieses Gemüt bringe die Materie hervor und wohne in dieser. Sie gibt zu, daß Gemüt vorhanden sein muß, wenn es Empfindung geben soll; sie sagt aber: Ich bin Gemüt, und ich bin in der Materie. Daher, sagt sie, ist Empfindung in der Materie, Gesicht und Gehör sind materiell. Worin liegt das Trügerische? Gerade darin, daß das sterbliche Gemüt der Erkenntniskraft, der wesentlichen Eigenschaft des Gemüts, ermangelt, also nicht das Gemüt ist. Es Gemüt nennen, ist ein sprachlicher Widerspruch, wie Mrs. Eddy in ihrem Lehrbuch (S. 114) erklärt. Das Gemüt ist nicht sterblich. Weil das sogenannte sterbliche Gemüt nicht das Gemüt ist, hat es keine Empfindung. Da es aber keine Empfindung hat, kann es einen gemütlosen, unwirklichen Körperbau nicht mit Fähigkeiten ausstatten, die es selber nicht hat.

Was mangelhafte Sehkraft zu sein scheint, ist eine veränderliche Spielart der Lüge des Irrtums, daß Gemüt und Empfindung in belebter Materie seien. Schwierigkeiten treten ein, wenn wir glauben, wir seien das, als was das sterbliche Gemüt uns bezeichnet—eben sein eigenes, von der Materie und dem materiellen Sinn geschaffenes, durch sie bedingtes und von ihnen abhängiges Eigentum—,anstatt zu erkennen, daß wir das sind, als was Gott, das göttliche Gemüt, uns kennt, eben Seine ewige, unverderbte und unverderbliche Idee, die sieht, wie Er uns zu sehen gibt, weder mittels der Materie noch durch die Materie, sondern trotz dieser. Unsere bewußte Verknüpfung miteinander und mit der Schöpfung wird uns auf Grund der Fähigkeit Gottes, sich und Seine eigene allsehende Fähigkeit zu erhalten, auf ewig bewahrt. Unser ganzes Sein, einschließlich unseres Sehens, beruht in Ihm und gehört Ihm. Des unendlich Einen ewiges Bewußtsein Seiner unendlichen Selbstheit schließt die Wahrnehmungsfähigkeiten jeder Idee in sich.

Der Glaube also an mangelhafte Sehkraft, der sich manchmal zu einer allgemeinen Ansteckung aufbläht, ist in erster Linie der falschen Auffassung zuzuschreiben, daß Gemüt der Materie, daher auch Wahrnehmung der Materie innewohne und zerstört oder beeinträchtigt werde, was immer eine Folge des sterblichen Denkens ist. Wenn es verstanden wird, daß das Gemüt nicht in der Materie ist, leuchtet es ein, daß diese keine Empfindung haben kann. Die Lüge von mangelhaftem Gesicht muß dann verstummen; denn es gibt nichts, worauf sie sich stützen kann.

Obgleich das sterbliche Gemüt, hinter seiner Wirkung sich versteckend, geltend macht, das Auge sehe, zeigt die Wissenschaft, daß dieses nicht sieht. Das sogenannte sterbliche Gemüt allein glaubt, es sehe materielle Dinge, gerade wie nur es allein glaubt, es nehme von sterblichen Gedanken Kenntnis. Wenn das sterbliche Gemüt den Körper verläßt, den es selber geschaffen hat, sieht das Auge nicht, obgleich sein gesetzmäßiger Bau unverändert ist. In dem Maße, wie wahre Wahrnehmung erlangt wird, geben die zeitlichen Gegenstände—sterbliche Gedanken, die Gegenstände materieller Empfindung—den immerwährenden Ideen des Gemüts, die uns das Dasein Gottes bezeugen und beweisen, allmählich Raum.

Wenn das sterbliche Gemüt für seine Verteidigung schlechter Augen Hörer findet, besteht es auf seiner Lüge mit beharrlicher Angriffslust. Wahrnehmung ist immer erforderlich, um die Beziehung zu Menschen, Büchern und Sachen aufrechtzuerhalten. Unter dem Deckmantel der Notwendigkeit versucht der körperliche Sinn, Zugeständnis, Rückgang und Verlängerung seiner Behauptung zu erzwingen, der Behauptung, daß die Materie zuerst Sehkraft verleihe, sie dann wegnehme und hierauf dem Menschen materielle Nachhilfe aufdränge, damit er fortfahren könne, zu sehen. Manchmal versucht der körperliche Sinn seine Vorwände durch Vergleich zu stützen. Er erinnert uns daran, daß ein Freund, vielleicht ein Praktiker, eine Brille trage. Daher sei es nicht so schlimm, wenn auch wir es täten, flüstert er uns ein. In dieser Weise fährt er fort zu täuschen. Persönlicher Vergleich läßt uns eher bei dem unnützen Altar menschlicher Persönlichkeit stehen, als daß er uns Gott näherbringt. Des Menschen einzige Pflicht ist, Mensch zu sein,—das allsehende Gemüt zu vertreten, d.h. auszudrücken. Was die Sterblichen tun oder anscheinend nicht tun, kann nichts an dem ändern, was der Mensch tun muß. Wenn der Gebrauch zeitlicher Mittel zur Unterstützung des menschlichen Gesichts manchem für den Augenblick das kleinere von zwei Übeln zu sein scheint, so laßt uns nicht vergessen, daß solche Mittel nur zeitlich sein können. Man sollte sich so lange nicht zufrieden geben, bis sie der von Gott verliehenen vollkommenen Wahrnehmung Raum gegeben haben. Der Lüge von mangelhafter Wahrnehmung in unserer Gedankenwohnung eine bleibende Stätte einräumen, heißt eine Verneinung des Wesens Gottes beherbergen.

Wahre Wahrnehmung gewinnen wir nur in dem Maße, wie wir das Gemüt Christi, das göttliche Bewußtsein, gewinnen, das weiß, daß Gott das All in allem ist. Da Jakob diese geistige Gesinnung in gewissem Maße hatte, konnte er die Engel, die Ideen Gottes, bei ihrer harmonischen, himmlischen Tätigkeit wahrnehmen. Dasselbe Bewußtsein befähigte Daniel und Johannes, die in der Offenbarung beschriebenen Erscheinungen zu erkennen, die so eindringlich auf die Wirklichkeit der vom körperlichen Sinne nicht wahrgenommenen Dinge hinweisen. Die Verklärung zeigte die Fähigkeit wahrer Wahrnehmung, über die Wolken des irdischen Sinnes hinauszusehen und trotz eines Zeitraums von vielen Jahrhunderten bewußtes Zusammensein mit Mose und Elia zu verwirklichen, dadurch die Unteilbarkeit der Familie Gottes beweisend.

Nicht gute Augen, sondern gute Gedanken sind das Mittel wahrer Wahrnehmung. Jene sind die Folge, wenn diese beherhergt werden. Da Wahrnehnkung eine Fähigkeit des göttlichen Gemüts ist und diesem innewohnt, so sind wir ihrer nur in dem Grade bewußt, wie wir mit dem göttlichen Gemüt eins sind. Wir sind nur dann mit dem göttlichen Gemüt bewußt eins, wenn unsere Gedanken die Gedanken dieses Gemüts sind. Das Bewußtsein muß bewußt gottähnlich werden, muß Liebe, Güte, Selbstlosigkeit, Reinheit, Ehrlichkeit, Geistigkeit ausdrücken. Wie kann die göttliche Wahrnehmung erkannt werden, solange liebloses Tadeln, Verurteilen, Haß, Unehrlichkeit, Selbstsucht, Sünde, Furcht im Denken weilen? Gott sieht keines von diesen, und Sein Sehen wird durch den Menschen zum Ausdruck gebracht. Dreimal stellt uns unsere geliebte Führerin in den Anfangszeilen des Kommunionliedes (Gedichte, S. 75) eine Frage. Jede dieser Fragen bezieht sich auf Wahrnehmung:

„Sah't ihr den Erlöser mein? Hörtet ihr die frohe Kunde?
Fühltet ihr des Wortes Kraft?”

Die folgenden vier Zeilen weisen den Weg, der uns, wenn wir ihn gehen, befähigt, die rechte Antwort zu geben.

„Ja, die Wahrheit ist's allein,
Die die Freiheit uns kann geben,
Du und ich erkennen's neu
In des Herren Lieb’ und Leben”.

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