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Der Vater des verlorenen Sohnes

Aus der Oktober 1930-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Das Gleichnis vom verlorenen Sohn, „die Perle der Gleichnisse”, ist reich an wertvollen Lehren, die sich zu allen Zeiten auf die mit der teuren menschlichen Beziehung zwischen Eltern und Kind zusammenhängenden Erfahrungen anwenden lassen. Wahrscheinlich bot diese Beziehung zu keiner anderen Zeit mehr Probleme als heutzutage. Nie haben Eltern die hilfreichen Lehren dieses Gleichnisses wahrhaft nötiger gebraucht. Viel ist gesagt und geschrieben worden in dem Bemühen, hilfreiche Lehren für das eigensinnige Kind daraus zu ziehen. Vielleicht ist in dem Gleichnis aber nicht immer genügend Nachdruck auf die Haltung des Vaters in der Hinsicht gelegt worden, daß sie Eltern, die sich in eine solche Lage in etwas milderer Form versetzt sehen mögen, die höchste Führung gewährt.

Jesus hatte zweifellos unsern himmlischen Vater im Sinn und wollte dessen langmütige Herzensgüte gegen alle Seine Kinder veranschaulichen; und da der wirkliche Mensch als das Bild und Gleichnis Gottes besteht, muß die rechte Haltung, die die Menschen unter allen Umständen einzunehmen bestrebt sein müssen, die der Gottähnlichkeit sein. Alle menschlichen Eltern werden also bei einem solchen Erlebnis gut tun, sich in tiefster Demut mit diesem Gleichnis zu befassen, um daraus das vollkommene Verfahren zur Lösung des Problems zu lernen.

Bei solch menschlichen Erlebnissen ist es nicht ungewöhnlich, daß die Eltern viel mehr leiden als das Kind. Erst wenn das Kind die Verirrung bis zum Äußersten getrieben hat, kommt seine Pein derjenigen der Eltern gleich. Jesus beschreibt jedoch kein solches Bild im Gleichnis. Dort finden wir, daß der Vater dem Sohn geduldig gestattet, sich seinen Weg selber zu wählen und selber die Erfahrung zu machen, daß das Gute nie im Bösen zu finden ist. Weiter finden wir, daß er die Rückkehr des Eigensinnigen liebevoll erhofft und abwartet. Es ist nichts berichtet von Enttäuschung, Zorn, Groll, Härte oder Verzweiflung des Vaters. Hier kann jemand einwenden: Es heißt Unmögliches verlangen, wenn man erwartet, daß ein Vater oder eine Mutter ein solches Gleichgewicht bewahre, während sie zusehen müssen, wie ein Kind unter leichtsinniger Mißachtung der Folgen seine Gelegenheiten, sein Geld und sogar seine Gesundheit verschwendet.

Der wichtige Punkt ist, daß unser himmlischer Vater Seine Kinder nie als verloren ansieht. Die Wiederherstellung liegt also, wenn jemand es müde ist, sich in diesem Lichte zu betrachten und das Verlangen hat, zu seinem wahren Zustande zurückzukehren, vollständig bei dem Kinde. Für den vollkommenen Sinn des Vaters ist der Sohn stets „auf rechter Straße” gewandelt. Die Lehre der Christlichen Wissenschaft bringt irdischen Eltern dieses Verständnis wahren Daseins und befähigt sie einzusehen, daß Eigensinn nur ein unwirklicher Traum ist, der den Glauben an ein böses Gemüt zum Ausdruck bringt, das fähig ist, in und durch Materialität Freude zu erleben. Das Aufwachen aus diesem Tagestraum ist so gewiß wie das Aufwachen aus einem Traum im Schlafe, und die Wiederherstellung kann und sollte genau so einfach sein wie bei dem Traum im Schlafe.

Wie verhält es sich dann mit dem verschwendeten Gut, dem unermeßlichen Verlust, der mit einer solchen Erfahrung verbunden zu sein scheint? Als sich der verlorene Sohn aus dem Leiden, der unvermeidlichen Folge des Genusses der Treber der Materialität, herausarbeitete, hatte er einen ebenso reichen Vorrat an Gutem wie zuvor. Alles, was die Heilige Schrift über diesen Punkt lehrt, ist klar. „Wo sich aber der Gottlose bekehrt von allen seinen Sünden ... und tut recht und wohl, so soll er leben und nicht sterben”. Wahrlich, wenn man von dem Christus, der Wahrheit berührt wird, was einem die Augen öffnet für das wahre Wesen des Menschen, für die Gottähnlichkeit, von der man nicht abirren kann, beginnt man sofort an dem Leben „voll Genüge”, wie Jesus es verhieß, teilzuhaben. Das Ergebnis ist dasselbe, ob man von diesem wahren Leben unwissend oder böswillig abgeirrt ist und das Abirren lang oder kurz gedauert hat. In beiden Fällen ist der Zustand der Verarmung lediglich ein Bewußtseinszustand, der der wahren Auffassung vom Leben als Gott weicht und sich in Heiligkeit, Harmonie und einer Fülle des Guten bekundet.

Das Gleichnis enthüllt, daß es nicht unvermeidlich ist, daß der Vater mit dem Kinde leidet; ferner kann man daraus schließen, daß des Vaters Haltung dazu beiträgt, das Kind zu dem heilsamen Zustande rechten Denkens zurückzubringen. Von menschlichen Eltern verlangen, zuzugeben, daß ihre eigene Harmonie nicht von dem Wohlergehen ihrer Kinder abhänge, scheint vielleicht zu viel verlangt; und doch muß dies der erste Schritt bei der Lösung eines solchen Problems sein. Ruft nicht diese tückische Abgötterei, die das sterbliche Gemüt in alle unsere menschlichen Beziehungen hineinträgt, Bitterkeit hervor, wo nur Liebe sein sollte, und schafft sie nicht Knechtschaft und Einschränkung, wo wahre Freiheit und Unmittelbarkeit herrschen sollten?

Die Eltern müssen die wahre Auffassung vom Leben als Gott verstehen lernen, in dem alles Gute als immerwährend, unerschöpflich und unzerstörbar, als vom unwandelbaren göttlichen Prinzip kommend erfunden wird. Ohne diese Erkenntnis gehen die Eltern gewissermaßen selber in die Irre. Verschwenderisch sein heißt in die Irre gehen. Wurde der sogenannte musterhafte Sohn, der zu Hause blieb, von dem weisen Vater nicht deshalb zurechtgewiesen, weil er versäumte, die göttlichen Gaben Selbstlosigkeit, Geduld, Zärtlichkeit, Vergebung und Erbarmen zu erkennen und Gebrauch davon zu machen? Wer an den Eigenschaften der göttlichen Liebe arm ist, wer die günstigen Gelegenheiten, das göttliche Wesen widerzuspiegeln, übersieht und verschwendet, ist ein armer Verirrter; denn „Liebe allein ist Leben”, wie Mrs. Eddy in ihrem Gedicht „Liebe” erklärt (Gedichte, S. 7).

Wir können eine Lage, die jemand anders angeht, nicht immer sofort und vollständig heilen; aber wir können und sollten sie immer insoweit meistern, als sie unsere eigene Harmonie stören will. Eltern, die dieses Problem zu lösen suchen, können sich in der Wartezeit viel Kummer und Sorge ersparen, wenn sie sie als Gelegenheit auffassen wollen, zu beweisen, daß ihre Freude, ihr Friede, ihre Hoffnung und ihr Mut von Gott sind und ihnen daher von keinem Menschen, keinem Umstand und keinem Zustand genommen werden können. Durch ihre eigene Beweisführung werden sie die bekannte Bibelstelle schätzen lernen: „Die Güte des Herrn ist’s, daß wir nicht gar aus sind; seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu”.

Wie kann jemand in der Vergangenheit das Gute aufgebraucht haben, das Gott bereithält, um jedes Bedürfnis von heute zu befriedigen? Durch Wachstum in der Erkenntnis, daß Heiligkeit, Gesundheit und Fülle des Guten geistig sind, und daß die unendliche, allgegenwärtige Intelligenz, die das Leben gibt und erhält, sie täglich erneuert, werden Eltern ihr eigenes Leiden mildern und in der Lage sein, dem Kinde den besten Dienst dadurch zu erweisen, daß sie es durch Ermahnung und Beispiel lehren, daß Substanz nicht in der Materie ist und nicht verschwendet werden kann. So kann Gott in der peinlichsten Erfahrung verherrlicht werden.

Mögen doch alle Eltern, die mit diesem Problem ringen, durch systematisches Studieren und Anwenden der in diesem Gleichnis gelehrten einfachen wissenschaftlichen Wahrheiten ein Verständnis der reichen und liebevollen Fürsorge und Beschützung Gottes erlangen, damit sie „der Mutter Abendgebet” (Gedichte, S. 4 und 5), das uns unsere treue Führerin gegeben hat, mit freudigem Vertrauen täglich beten können. Nur eine Mutter, die die Befürchtungen, Sorgen und Ängste, die das sterbliche Gemüt Eltern aufbürdet, durchgemacht und überwunden hat, konnte der Welt ein solch einwandfrei demütiges und doch so glorreich triumphierendes, inhaltreiches Gebet geben.

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