Im Handbuch Der Ersten Kirche Christi, Wissenschafter, in Boston, Massachusetts, schreibt Mrs. Eddy unter „Formeln verboten” (S. 43): „Kein Mitglied soll beim Unterricht in der Christlichen Wissenschaft oder beim Heilen der Kranken geschriebene Formeln als Hilfsmittel gebrauchen, oder seinen Patienten oder Schülern dies erlauben. Alles, was zu beiden Zwecken nötig ist, ist in den Büchern der Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft enthalten. Sie mag zuweilen den Glauben durch einen geschriebenen Text stärken, wie es niemand anders vermag”.
Als der Verfasser dieser Betrachtung begann, sich für die Christliche Wissenschaft zu interessieren, wollte er, wie viele andere, einige feststehende Regeln wissen für das, was man in der Christlichen Wissenschaft unter mentaler Arbeit versteht. Er entdeckte, daß er sich Aufsätze, die ihn wegen ihrer Einfachheit ansprachen, und hilfreiche Gedanken von Freunden sammelte und sich daran klammerte. Unbewußt gebrauchte er einige davon als Formeln, als er auf die oben angeführte Satzung aufmerksam gemacht wurde. Er sah klar, daß unsere Führerin durch diese Satzung uns rückhaltloser auf die Bibel und das Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” hinlenken wollte, worin wir die Regel für alles Heilen und Lehren finden, und er sah auch, daß die Unmittelbarkeit rechten Denkens, die Widerspiegelung des göttlichen Gemüts, nicht eine bloße Gruppe von Wörtern, so sorgfältig sie auch gewählt sein mögen, heilt.
Der Meisterchrist gebrauchte nie eine Formel; seine Lehren entmutigen vielmehr den Irrtum des bloßen Buchstabens. Christus Jesus gab uns jedoch so unschätzbare Hilfsmittel wie die Bergpredigt mit ihrer klaren und bündigen Darlegung der Wahrheit, deren verständnisvolle Anwendung auf jede Frage, sei es Sünde, Leid oder Krankheit, dauernd heilt.
Jesus sagte: „Darum sollt ihr also beten”; dann gab er uns das bekannte Gebet des Herrn, worüber unsere Führerin in Wissenschaft und Gesundheit (S. 16) schreibt: „Nur, wenn wir uns über alle materielle Sinnengebundenheit und Sünde erheben, können wir das vom Himmel stammende Streben und das geistige Bewußtsein erreichen, auf welches in dem Gebet des Herrn hingewiesen wird, und welches die Kranken augenblicklich heilt”. „Also”, sagte der Meister. Wie weit entfernt von einer Formel dieses einfache Gebet ist, das wir als das Gebet des Herrn kennen!
Jesus heilte Krankheit und Sünde jeder Art; er ging auf dem Wasser; er speiste das Volk, weckte die Toten auf, überwand jede Versuchung und sagte: „Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue”. Er sagte nicht: Wenn ihr die Formeln anwendet, die ich gebrauchte, sondern vielmehr: Wenn ihr an den Christus, die Wahrheit, die heilt, glaubet — sie versteht. Sollten wir also nicht danach trachten, das Gemüt widerzuspiegeln, das in „Jesus Christus auch war”, da dieses Gemüt allein uns befähigen kann, die Werke zu tun, die er tat?
Folgende Veranschaulichung half dem Verfasser dieser Betrachtung erkennen, wie man das Gute sich in natürlicher geistiger Weise im Bewußtsein entfalten lassen sollte. Ein kleiner Rosenstrauch, der im tiefen Winter über eine Schneewehe emporragte, sah einem unansehnlichen Gestrüpp nicht unähnlich, besonders als noch dürres Laub und Hagebutten vom vergangenen Jahre daran hingen. In dieser Form ließ er kaum etwas Schönes und Erfreuliches ahnen. Was war nötig, um diesen Strauch schön zu machen? Entfaltung! Der kalte Winterschnee schmolz im Frühlingssonnenschein; dann folgte Regen, und immer mehr Sonnenschein erwärmte die Wurzeln und die Zweige. Bald bedeckten grüne Schößlinge die Zweige; dann erschienen Knospen, und schließlich war der kleine Strauch ein Bild der Schönheit. Kamen dem Strauch diese Dinge von außen? Nein! Sie schlummerten alle in dem dürren, unansehnlichen Strauche im Schnee, und es bedurfte nur natürlicher Entfaltung.
Jedermann muß sich auf seiner Wanderung vom Sinn zur Seele Gottes Gesetzen des Fortschritts gemäß entfalten. Die Möglichkeiten des unbegrenzten Guten liegen in unserem eigenen wahren Denken, wo nach der Äußerung des Meisters das Himmelreich gefunden werden muß. Das einzig Notwendige ist, daß der Sonnenschein der Wahrheit und der Regen reinster Liebe in das menschliche Bewußtsein einströmen und es erfrischen. Wir brauchen die Idee Gottes, den Menschen, nicht gesund oder glücklich oder wohlhabend zu machen. Gott machte ihn so am Anfang; und was Gott gemacht hat, kann nicht umgestoßen werden.
Paulus ermahnt uns: „Betet ohne Unterlaß”, und Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit (S. 4): „Das beständige Streben, immer gut zu sein, ist Beten ohne Unterlaß”. Die Welt braucht mehr von diesem wahren Gebet, um das tausendjährige Reich herbeizuführen. Die in den zehn Geboten, im Gebet des Herrn, in der Bergpredigt und in der durch unsere Führerin der Welt gegebenen Offenbarung der göttlichen Wissenschaft enthaltenen Grundwahrheiten bilden die geistige Grundlage, auf der wir bauen müssen. Weder die Stürme des organisierten Bösen noch die Fluten des Hasses können einen Bau niederreißen, der auf einem solch ewigen Grunde ruht! Laßt uns unser Denken dem Lichte zuwenden und nach neuer Erleuchtung trachten, um in Seinem Weinberge zu sammeln in dem berechtigten Bewußtsein, daß „er kein Gutes mangeln lassen wird den Frommen”.
