In „Retrospection and Introspection” (S. 78) schreibt unsere Führerin Mrs. Eddy: „Die Regeln des Gemüts-Heilens sind rein christlich und geistig”. Der Christliche Wissenschafter weiß, daß Physik und Metaphysik Gegensätze sind, und daß die rein christlichen und geistigen Regeln des Gemüts-Heilens fordern, daß wir zwischen Arzneien und der Gottheit, zwischen dem Fehlbaren und dem Unfehlbaren wählen.
Der Meister sagte: „Der Geist ist’s, der da lebendig macht; das Fleisch ist nichts nütze. Die Worte, die ich rede, die sind Geist und sind Leben”. Das lebenspendende, gesundmachende Wort Gottes ist zu allen Zeiten dasselbe; daher ist dieses heilende Wort heute bei den Menschen. „Er sandte sein Wort und machte sie gesund”. Kann Gott, der Geist, der Mitarbeit der Materie bedürfen?
Manche Leute fragen sich wohl, warum man nicht ärztliche Hilfe mit der Behandlung eines christlich-wissenschaftlichen Ausübers sollte verbinden können, warum Gebet nicht dem Gemüt eines Leidenden dienlich sein soll, während der Arzt für seinen Leib Sorge trägt. Hierauf läßt sich erwidern, daß die Christliche Wissenschaft lehrt, daß Krankheit geradeso wie Leid ein Gemütszustand ist. Und wer würde zur Arznei seine Zuflucht nehmen, um Leid zu heilen? Kummer oder Leiden oder was auch der augenblickliche Bewußtseinszustand sein mag, ist während des Schlafes gestillt, setzt aber mit ganzer Stärke wieder ein, sobald ein Sterblicher bewußt und oft sorgenvoll die Annahmen des Bösen und des Körperlichen wieder aufnimmt. Geistiges Erwachen allein bringt uns Gott, der Wahrheit unseres Seins, näher.
Der Christliche Wissenschafter versucht nicht die wissenschaftlich unmögliche Aufgabe, Materie durch den Glauben an Materie zu heilen. Er zerstört die kranken und sündhaften Annahmen des Leidenden durch die Kraft, die Reinheit und die Freude des göttlichen Gemüts. Dieses geistige Heilen führt zur Heilung alles körperlich in Erscheinung tretenden, im Grunde jedoch seelischen Mißklangs. Die Christliche Wissenschaft lenkt das Denken des Leidenden von der Materie auf das göttliche Gemüt hin, gemäß dem Ausspruch des Meisters: „Die wahrhaftigen Anbeter werden den Vater anbeten im Geist und in der Wahrheit: denn der Vater will haben, die ihn also anbeten”.
Manche mögen aus vermeintlicher Güte denken, daß man Leidenden auf dem Boden ihres materiellen Glaubens entgegenkommen und ihnen die Wohltat christlich-wissenschaftlicher Behandlung bringen sollte, auch wenn sie sich vielleicht noch abergläubisch an materielle Verordnungen klammern. Ist dies jedoch wahre Güte, und ist es ausführbar? Der Arzt lenkt durch seine ärztlichen Verordnungen die Hoffnung und Erwartung des Leidenden auf den körperlichen Leib hin. Dies läuft auf Anbetung der Materie hinaus und führt zu einem beschränkten, selbstsüchtigen Ausblick, der der Heilung nicht förderlich ist. Die Christliche Wissenschaft fordert von dem Leidenden, daß er seine Gesundheit und seine sittliche Erneuerung durch die Allmacht des Geistes sucht, indem er sein Denken über die Materie zu der reinen Substanz der Wahrheit und der Liebe erheben lernt. Sollte ein Leidender versuchen, diese entgegengesetzten Forderungen auszuführen, so kann nur Verwirrung entstehen. Es wäre gerade so, als ob er mit einem Ohr auf den materiellen Rat, mit dem andern auf das Geheiß des Geistes hörte; als ob er versuchen wollte, gleichzeitig rückund vorwärts zu gehen. Im Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 143, 144) schreibt unsere Führerin: „Untergeordnete und ungeistige Heilverfahren mögen versuchen, Gemüt und Arzneien miteinander zu verschmelzen, aber die beiden werden sich in wissenschaftlicher Weise nicht verbinden. Warum sollten wir wünschen, sie dazu zu bringen, da nichts Gutes daraus entstehen kann?”
Der Christliche Wissenschafter sucht stets mitfühlend, geduldig und weise zu sein; und während er mit tatsächlicher Behandlung zurückhält, kann er den Notleidenden, der noch unschlüssig am Scheidewege steht, doch immer dadurch liebevoll unterstützen, daß er ihn ermutigt, sich in die Bibel und das christlich-wissenschaftliche Lehrbuch zu vertiefen. Tut der Hilfesuchende dies, so wird die göttliche Liebe ihn führen und ihm den Weg geistiger Herrschaft über Krankheit und Sünde zeigen. Unterdessen sollte man nicht vergessen, daß „die Vorstellung, daß das Vermischen materieller und geistiger Mittel, sei es in der Heilkunde oder der Religion, weise oder wirkungsvoll sei, sich als falsch erwiesen hat” (Botschaft an Die Mutter-Kirche für das Jahr 1901, S. 19). Ein geteilter Glaube ist ein Versuch, Gegensätze zu verfälschen. Er schadet dem Leidenden, weil er unwahr ist gegen Gott und Sein Ebenbild, den Menschen, der rein geistig ist und daher in keinen Mißklang verfallen kann.
Jakobus schrieb: „Ist jemand krank, der rufe zu sich die Ältesten von der Gemeinde und lasse sie über sich beten und salben mit Öl in dem Namen des Herrn”. Es dürste wohl kaum jemand diesen Hinweis auf Öl als ärztliche Verordnung ansehen; denn selbst vom ärztlichen Standpunkte aus kann Öl kaum als Allheilmittel für alle Krankheiten angesehen werden. Was ist nun dieses Öl? Jesaja verkündigt die wahre Bedeutung des göttlichen Salbens in seiner Weissagung des Kommens Christi, der dazu ausersehen ist, „zu schaffen den Traurigen zu Zion, daß ihnen Schmuck für Asche und Freudenöl für Traurigkeit und schöne Kleider für einen betrübten Geist gegeben werden”. Immer wieder hat die Christliche Wissenschaft diejenigen, von denen Freudigkeit und Gesundheit geflohen und deren Hoffnungen zu Asche geworden waren, mit dem geistigen Öl der Freude, der Dankbarkeit, der Hingebung und der Inspiration gesalbt und außerdem mit Gesundheit und Stärke in Fülle gesegnet.
