Als die vereinigten Heere der Könige von Israel, Juda und Edom nach 7tägiger Wanderung in eine Wüste kamen und kein Wasser für Menschen und Tiere fanden, baten sie den Propheten Elisa um Hilfe; denn es war bekannt, daß „des Herrn Wort bei ihm” war. Unter göttlicher Weisung sagte Elisa: „Macht hier und da Gräben an diesem Bach! Denn so spricht der Herr: Ihr werdet keinen Wind noch Regen sehen; dennoch soll der Bach voll Wasser werden, daß ihr und euer Gesinde und euer Vieh trinket”. Und am Morgen „kam ein Gewässer ... und füllte das Land mit Wasser”.
Jene Heere waren nicht die einzigen, die in ein Tal kamen, wo es kein Wasser gab; denn bildlich gesprochen befindet sich heute ein großer Teil der Menschheit gerade in einer solchen Lage, die das sterbliche Gemüt Geschäftsstockung nennt. Auf Seite 596 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” erklärt Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, „Tal” u. a. als ”Niedergeschlagenheit”, und sie zeigt uns das Heilmittel, das der heutigen Not wirksam abhilft, wenn sie sagt: „Die Christliche Wissenschaft, die dem Sinn widerspricht, läßt das Tal knospen und blühen, gleich der Rose”.
„Dem Sinn widersprechen” ist die metaphysische Art, Gräben zu ziehen, das menschliche Bewußtsein auf die aus dem göttlichen Gemüt allen seinen Ideen beständig zufließenden erfrischenden geistigen Züge vorzubereiten. Beginnen wir sofort mit dem Ziehen dieser Gräben, so haben wir vollauf zu tun. Und wenn wir allen Zweifel an der Fähigkeit Gottes, für Seine Kinder auf Seine Art zu sorgen, aufgeben, wird es sich zeigen, daß wahres, nie schwankendes Gedeihen das Natürliche für den Menschen ist.
Das Graben materieller Gräben kann einem Menschen viel beharrliche und mühsame Anstrengung bereiten. Es ist aber eine kleine Aufgabe im Vergleich mit der Arbeit, die erforderlich ist, um Gesinnungszustände zu läutern, wo oft schneidende Wahrheiten vonnöten sind, um die hartnäckigen Annahmen Furcht, Habgier, Selbstsucht, Feindseligkeit, Groll, Haß und andere Unwahrheiten aus dem menschlichen Bewußtsein zu entfernen.
Allem Anscheine nach zögerten die Kinder Israel und ihre Verbündeten nicht, das Gebot Elisas zu befolgen, noch hegten sie Bedenken, weil das Tal unfruchtbar und der Himmel wolkenlos war. Ungeachtet aller dieser entmutigenden äußeren Umstände stellten sie eilig, zuversichtlich und erwartungsvoll die Gräben her.
Der Schüler der Christlichen Wissenschaft kann im Gräbenziehen im metaphysischen Sinne des Wortes nicht viel leisten, wenn er die Zeit damit zubringt, daß er über die Lage klagt, die Führer im Geschäftsleben tadelt oder die geringen menschlichen Aussichten erwägt. Wie leicht man doch glaubt, daß das „Tal” ein materieller Ort statt ein Gedankenzustand sei, und daß man ohnmächtig sei, sich von unglücklichen Umständen zu befreien! Sicher konnten jene Heere vor alters es ihren Feinden, den Moabitern, nicht zur Last legen, daß sie im Tal waren, noch hieß Elisa die Könige ihre Streitkräfte aus dem Tal nehmen, um Wasser zu suchen. Ebenso brauchen wir einen Platz nicht zu verlassen, um unsere Versorgung zu finden. Die Christliche Wissenschaft, „die dem Sinn widerspricht”, läßt „das Tal knospen und blühen”; und durch Beweis finden wir, daß dies—das Finden unserer Versorgung—rein ein Vorgang des Denkens ist.
Das kommen in das Tal kann heute eine gewinnbringende Erfahrung werden, gerade wie in jenem Falle vor alters, und es bleibt sich gleich, ob es sieben Tage oder sieben Jahre dauert; denn Gottes Fähigkeit, die Bedürfnisse des Menschen zu befriedigen, ändert sich nie, da Sein Seine Schöpfung regierendes Gesetz in seinem Wirken ewig und unveränderlich ist. Sollten wir dann, wenn wir diese Wahrheit verstehen gelernt haben, unsere gegenwärtige Erfahrung nicht zu einem Erlebnis freudiger Gelegenheit und Erwartung gestalten anstatt mutlos und mit dunkler Vorahnung darüber zu brüten?
Eine Gesellschaft Urlauber machte sich einst von einem Erholungsort auf, um einen hohen Berg in der Nähe zu besteigen. Von einem erfahrenen Führer geleitet stiegen sie über einen Berg in eine tiefe Schlucht hinab, ehe sie ihr Ziel, jenen Berg, ersteigen konnten. In dieser Schlucht fanden sie einen Bach mit klarem, kaltem Wasser, das ihnen und ihren Pferden die nötige und willkommene Erfrischung bot. Dem Bach entlang wuchsen herrliche Blumen und Sträucher in Fülle. Niemand bedauerte, daß sie in dieses Tal gekommen waren, niemand klagte darüber, daß sie den Aufstieg nicht machen konnten, ohne zuerst in die Schlucht hinabzusteigen; alle freuten sich über den Genuß.
Es gibt außer Geschäftsstockung noch manche andere Täler,—Täler des Leids, der Einsamkeit, der Sünde, der Krankheit und des Todes; aber durch das Verständnis der Christlichen Wissenschaft können sie alle knospen und blühen. Denn „die Christliche Wissenschaft ist das unumschränkte Allheilmittel, das der Schwachheit des sterblichen Gemüts Stärke verleiht—Stärke von dem unsterblichen und allmächtigen Gemüt” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 407).
Niemand kam je in ein finstereres und verlasseneres Tal als jenes, durch das unser geliebter Meister Christus Jesus wanderte. Obgleich er von seinen nächsten Freunden verraten, verlassen und verleugnet und nachher von seinen Feinden geschmäht und gekreuzigt wurde, überwand er doch dadurch, daß er dem Augenschein, den der materielle Sinn als wahr vorzutäuschen trachtete, standhaft widersprach, siegreich jedes Hindernis, so daß dieses finsterste Tal in solchem Glanze blühte, daß er der Erlöser der Welt wurde. Durch seinen Beweis ging die Verheißung Jesajas in Erfüllung: aus dem trockenen Land der Materialität wurde ein Teich erfrischender Freude, und dem durstigen Tal menschlicher Hoffnungen erschlossen sich die ewigen Brunnquellen lebendigen Wassers.
In jenen Heeren vor alters war niemand von der Arbeit des Grabenziehens noch von dem sich daraus ergebenden Lohn ausgeschlossen. So können heute alle, die durch das Tal menschlicher Erfahrung wandern, durch standhaftes, hingebungsvolles Streben „die materielle Annahme durch den geistig aufwärts gerichteten Gedanken derartig heben” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 545), daß das Tal voll des lebenspendenden Wassers der Wahrheit wird und in der Tat „gleich der Rose knospt und blüht”.
