Selbst viele Menschen, die als Nichtchristen bekannt sind, anerkennen, daß die Lehren Christi Jesu ideal sind, selbst wenn sie nicht inspiriert wären. Seine Gleichnisse betrachten sie als Edelsteine und die Bergpredigt als erhaben in Gefühl und Ausdruck. Aber die Christliche Wissenschaft legt auf die Anwendbarkeit der Lehren Christi Jesu solchen Nachdruck, daß sie in hellerem Glanze und lebhafteren Farben leuchten, wenn man sie durch die vollkommene und vervollkommnende Linse dieser Wissenschaft betrachtet.
So erweist sich ein Punkt im Zusammenhang mit einem der köstlichen Gleichnisse unseres Meisters beim Beweisen der Regeln des göttlichen Prinzips als zweckdienlich. Es ist jenes Gleichnis, worin „das Himmelreich verglichen ist einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säete. Da aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säete Unkraut zwischen den Weizen”. Als nun das Unkraut mit dem Weizen aufwuchs, wurden aber die eifrigen Knechte angewiesen, es nicht auszujäten. Es wurde ihnen gesagt: „Nein! auf daß ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft, so ihr das Unkraut ausjätet. Lasset beides miteinander wachsen bis zu der Ernte; und um der Ernte Zeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuvor das Unkraut und bindet es in Bündlein, daß man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheuer”.
Offenbar unter Bezugnahme auf dieses Gleichnis bietet Mrs. Eddy in ihren Schriften eine hilfreiche Lehre. In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 72) erklärt sie: „Die sterbliche Annahme (der materielle Sinn des Lebens) und die unsterbliche Wahrheit (der geistige Sinn) sind das Unkraut und der Weizen, die durch den Fortschritt nicht vereinigt, sondern getrennt werden”. Man kann also sagen, daß das Unkraut oder die falschen, materiellen Annahmen auf den Acker des menschlichen Bewußtseins gesät werden, während die Menschen schlafen, mit andern Worten, materielle Annahmen sind lediglich Erscheinungsformen des im zweiten und in den folgenden Kapiteln des 1. Buchs Mose geschilderten Adamstraums.
Für geistige Wahrheit empfängliche Menschen wenden sich der Christlichen Wissenschaft häufig deshalb zu, weil sie wohl wissen, daß in ihrer menschlichen Erfahrung störendes Unkraut vorhanden ist, das sie mit Hilfe der gewöhnlich angewandten materiellen Mittel nicht ausmerzen konnten. Das Unkraut kann als Krankheit, als Furcht oder als knechtende Sünde in Erscheinung treten. Das christlich-wissenschaftliche Lehren beginnt nun immer mit der Wahrheit über Gott—daß das göttliche Prinzip des Weltalls einschließlich des Menschen die Liebe, das unwandelbare Gute ist; daß Gott der Geist ist, und daß daher der Mensch, Gottes Bild und Gleichnis, geistig ist—ein Abbild dessen ist, was dem Geist, der göttlichen Liebe ähnlich ist. Man sieht also, warum Christus Jesus den Teufel oder das Böse „einen Lügner” und den Vater der Lügen nannte, und auch warum die Christliche Wissenschaft Sünde, Krankheit, Begrenzung, Furcht—allen Mißklang—als Irrtum bezeichnet.
Weil diese Mißklänge oder Irrtümer der über geistige Dinge unaufgeklärten Menschheit wirklich erscheinen, sehen sich die Menschen veranlaßt, sie als etwas Wahres und Mächtiges zu bekämpfen. Bedrängt einen Menschen z. B. eine körperlich in Erscheinung tretende Krankheit, so ist es menschlich natürlich, daß er glaubt, sein größtes Bedürfnis sei, von dieser Krankheit frei zu werden. Er ist daher beim Eindringen in die Bibel und in Wissenschaft und Gesundheit vielleicht nur von dem Beweggrund getrieben, ein Gefühl körperlicher Krankheit durch ein Gefühl körperlicher Behaglichkeit zu verdrängen statt nach dem Gemüt Christi zu trachten. Seine Gesinnung kann also in der Tat wie die der Knechte im Gleichnis sein, die sich menschlich angetrieben fühlten, das Unkraut auszujäten, anstatt an das Sammeln des Weizens zu denken.
Die Ernte ist eine persönliche Erfahrung; daher kann man sagen, daß es Zeit zur Ernte ist, wenn man bereit ist, die falschen, materiellen Annahmen—das Unkraut—aufzugeben, um die Früchte des Geistes zu ernten. Man kann die Segnungen, die Einmütigkeit und die Freiheit des Geistes nicht genießen, solange man sich an materielle Annahmen klammert, als ob sie wirklich wären und Macht hätten, Freude oder Schmerz zu bereiten. Wir sehen also, daß ordnungsmäßiges Vorgehen darin besteht, daß man das Unkraut—die materiellen Annahmen—als nichtige und machtlose Irrtümer erkennt, die daher durch die Erkenntnis der Allgegenwart und der Allmacht Gottes und des Menschen als Widerspiegler des göttlichen Ebenbildes verdrängt, widerlegt und zerstört werden müssen. Wir sollen diese geistigen Wahrheiten nicht bloß erklären; wir müssen lernen, sie zu lieben und zu leben. Denn „der Schüler der Christlichen Wissenschaft muß”, wie Mrs. Eddy in „Miscellaneous Writings” (S. 117) rät, „zuerst das Unkraut vom Weizen trennen, zwischen dem durch den falschen und dem durch den wahren Antrieb—den gottgegebenen Vorsatz und Willen—angeregten Gedanken, Beweggrund und Schritt unterscheiden, jenem Einhalt gebieten und diesem gehorchen. Das wird ihn auf die sichere Seite der Betätigung stellen”.
